Sonntag, 22. Mai 2022

EU auf Englisch: Die Sprache der Macht

Manchmal ist es besser so. Eltern sagen ihren Kindern bewusst nicht immer alles, Betreuungspersonen sprechen flüsternd vor ihren Schützlingen, Politiker verzichten darauf, Dinge offen auszusprechen, die Teile der Bevölkerung beunruhigen könnten. Die EU sieht sich in derselben Rolle, zumindest was die zahlungskräftige deutsche Klientel betrifft. Als Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in dieser Woche den neuen Großplan der Gemeinschaft zur Energieunabhängigkeit vorstellte, fassten die angeschlossenen Sendeanstalten umgehend zusammen, was in Aussicht steht.

300 frische Milliarden Euro zum Heizen. Ein knackiger Name aus lauter großen und kleinen Buchstaben, der "RePowerEU" heißt und sich nicht zufällig mit "Wieder Macht EU" übersetzen lässt. Und dazu viele, viele neue Ziele, für die nun nur noch Wege gesucht werden müssen, wie sie später durch noch mehr neue Ziele ersetzt werden können.

Pläne nur auf Englisch

Nun klingen 300 Milliarden Euro nach viel Geld, aufgeteilt auf die nach dem Brexit verbliebene EU-Wohnbevölkerung aber handelt es sich um eine eher klägliche Summe. 700 Euro pro EU-Bürger, dieses knappe Budget erfordert Sparsamkeit und Augenmaß beim Ausgeben von der ersten Minute an. Verzicht übt die EU-Kommission deshalb zum Beispiel bei der Präsentation des Mammutplanes zur Rückkehr zur Macht: Auf der Internetseite der Union ist der ausschließlich in Englisch verfügbar, seit dem Ausstieg der Briten immerhin noch Amtssprache in den Mitgliedsstaaten Irland und Malta. Die übrigen 23 Muttersprachen der EU-Bürgerinnen und Bürger bleiben unberücksichtigt. 

Jeder hatte doch die Wahl, in der Schule aufzupassen, dann könnten sie und er auch die englische Fassung der RePower-Pläne lesen. Selbst schuld, wer an Deutsch als Muttersprache festhält, einem Idiom, das hinter dem Bengalischen nur auf Platz zehn der meistgesprochenen Sprachen liegt. Die EU setzt aus Gründen der Bürgernähe seit Jahren stabil und zunehmend ausschließlich auf das Englische, das die deutsche Präsidentin der Kommission sehr gut spricht. 

Die Deutschen in ihrer Gesamtheit eher nicht, aber doch der Brüsseler Apparat, auf den es letztlich allein ankommt. Seit Jahren schon redet# die Brüsseler Blase am liebsten in der lingua franca von der ausgeschiedenen Insel miteinander, in schweren Dialekten und grober Grammatik zwar, doch weltbürgerhaft. Von der Leyen lässt ihre Reden deshalb zwar in Deutsch schreiben. Hält sie dann aber doch in Englisch, um Teile der Bevölkerung nicht zu beunruhigen.

Niemanden beunruhigen

Sie tut das, weil sie es kann. Sie spricht die Sprache der Macht, nicht die der Menschen. Und weithin wird das für vollkommen normal gehalten. Es sind keine Nachfragen oder Vorwürfe von Medien oder Volksvertretern bekannt, die auf eine Verwendung der in der EU meistgesprochenen Sprache dringen. Es gilt als völlig normal, dass die Sprache, die ein Fünftel der EU-Bürger spricht, außen vor bleibt. Und eine Sprache verwendet wird, nur für knapp ein Prozent der Bürger Muttersprache ist.

Für andere Staaten völlig unvorstellbar. Was würde in den USA geschehen, teilte der Präsident seinen Wählerinnen und Wählern seine Ansichten in Lakȟótiyapi mit, einer Sprache der Sioux? Was wäre, kommunizierte Emanuel Macron mit den Franzosen ausschließlich auf Korsich? Oder Olaf Scholz mit Genossen und Nicht-Genossen auf Sorbisch? 

Die Konzentration auf eine Sprache, die die Mehrheit der Menschen nicht oder nur unzureichend versteht, hat für die EU-Kommission eine Vielzahl von Vorteilen. Wie der Adel im Feudalismus Französisch sprach und die Intellektuellen Europas sich eilten, den Blaublütern darin nachzueifern, gilt heute das Englische als Sprache des Hofes, der Gebildeten, der Elite und der Machtbefugten.  Dem Deutschen, der Sprache der Hitlers, Goebbels und Goethes, mangelt es an globalem Schick, es wird noch gesprochen in den tiefen Tälern des Erzgebirges, der Eifel und in Bayern, wird aber bereits  behandelt wie ein aussterbender Dialekt.

Zu hoher Aufwand

Der Aufwand, die epochalen Pläne der EU zur weiteren Verteuerung von Energie, zum Umbau der Gesellschaften und zur Einhegung der letzten noch vorhandenen Kräfte wilden Wachstums in den Landessprachen der Mitgliedsstaaten zu veröffentlichen, wäre viel zu groß.  Niemand liest die Langfassungen der Pläne, die die EU verkündet, keiner will die Luftschlösser wirklich besichtigen, die ohne jede demokratische Legitimation  mal die "Entwicklung eines neuen Wirtschaftsmodells" und mal die Aufrechterhaltung von Klimaschutzzielen, verkündet, die dann nur zweieinhalb Jahre später mit demselben Aplomb für überholt und deshalb nunmehr verschärft bezeichnet werden..

Der europäische Green Deal sei "die konzeptuelle Grundlage für den Wandel" zum ersten "Nachhaltigkeitskontinent", hatte Ursula von der Leyen einst verkünden lassen, als russische Energielieferungen noch ein fundamentaler Pfeiler in der Umbaustrategie der Gemeinschaft waren. Der REPowerEU Plan, verschlüsselt veröffentlicht in der Sprache von Boris Johnson, Donald Trump und Elvis Presley, bekämpft nun gleich eine "doppelte Dringlichkeit": Einerseits soll er das europäische Energiesystem umgestalten, um die Abhängigkeit der EU von russischen fossilen Brennstoffen zu beenden. Andererseits die europäischen Steuerzahler um fast 100 Milliarden Euro pro Jahr entlasten, die derzeit noch nach Moskau fließen, und damit auch noch die Klimakrise bewältigen.

Dass niemand das liest, weil die meisten, die es miterleben werden, die Sprache, in der es geschrieben steht, gar nicht verstehen, erspart spätere Nachfragen. Es war doch alles öffentlich angekündigt. Nun kann sich niemand beschweren.



4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Manchmal wünsch ich mir, die Vogonen würden kommen ...

Anonym hat gesagt…

Man kann ja von keinem verlangen, dass er die Hitlersprache lernt.

suedwestfunk hat gesagt…

Ob Englisch, Deutsch, Russisch, Chinesisch: Entscheidend ist die möglichst totale Ritualisierung von Sprache durch die Politbürokratie samt medialer und "zivilgesellschaftlicher" Gefolgschaft. PPQ hat ja dankenswerterweise dafür die Bundesworthülsenfabrik ins öffentliche Bewusstsein gehoben. Natürlich ist sie längst europäischen und globalen Standards angepasst - insofern sind Schriftzeichen und herkömmliche Sprachen völlig egal. Immerhin hat der arme BB in den wenigen lichten Momenten, die dank Erfahrung mit der Realität des Sozialismus sein Alterswerk untauglich für Propaganda machten, ein hübsches Gedicht dazu verfasst:
DIE NEUE MUNDART
Als sie einst mit ihren Weibern über Zwiebeln sprachen
Die Läden waren wieder einmal leer
Verstanden sie noch die Seufzer, die Flüche, die Witze
Mit denen das unerträgliche Leben
In der Tiefe dennoch gelebt wird.
Jetzt
Herrschen sie und sprechen eine neue Mundart
Nur ihnen selber verständlich, das Kaderwelsch
Welches mit drohender und belehrender Stimme gesprochen wird
Und die Läden füllt – ohne Zwiebeln.
Dem, der Kaderwelsch hört
Vergeht das Essen.
Dem, der es spricht
Vergeht das Hören.

Kader ziehen - dessen kann sich jeder täglich in den Medien vergewissern - ihre Uniform von innen an. Äußerlich erscheinen sie manchmal ganz verschieden.

Jodel hat gesagt…

Ist es wirklich noch wichtig, in welcher Sprache die jeweils neuen Tageswahrheiten verkündet werden? Werden denn die Beschlüsse unseres Bundestages, die ja doch noch in deutscher Sprache veröffentlicht werden, von Irgendjemandem außerhalb der Elfenbeintürme gelesen. Und selbst wenn, wird dort ein so fein ziseliertes Beamtendeutsch verwendet, dass der nicht Eingeweihte wieder nichts versteht.

Der gemeine Bürger wurde peu a peu von der Nomenklatura von allen seinen Mitsprache- und Kontrollrechten entbunden. Dieser Prozess hat inzwischen ein kritisches Stadium erreicht. Die Herrscherkaste koppelt sich immer mehr vom Pöbel ab und bildet eine eine Art neofeudalen Adel. Obwohl das nirgends geschrieben steht, ahnt Otto Normalverbraucher immer mehr, dass es so ist und findet sich mit dieser Situation wie immer ab ohne zu rebellieren.

Haben denn die damaligen DDR- oder Sowjetbürger ständig gehofft mit einer neuen Verlautbarung ihrer jeweiligen Führung beglückt zu werden. Ich war zwar nicht dabei, aber ich denke nein.
Denn 1. Wurde man bezüglich der Erreichbarkeit der Ziele immer belogen;
2. Kam trotz aller Lobeshymnen für das gemeine Volk langfristig nie etwas Gutes dabei heraus;
3. Hatte man sowieso keinen Einfluss auf die Beschlussfassung und die folgende Umsetzung;
4. Erfuhr man nach einer gewissen Zeit sowieso am eigenen Laib, was wieder beschlossen worden war. Wenn man nicht genau hinhörte, hatte man wenigstens noch etwas Zeit zwischen Beschluss und Eintreffen der neuen Nachteile. Wieso sich also vorab verrückt machen;
5. Hoffte man sicher, dass es Andere schwerer treffen würde und man selbst in seiner Nische
so wenig wie möglich behelligt werden würde.

Falls dies damals anders war, lasse ich mich von Insidern gerne eines besseren belehren.

Die Entmachtung des Citoyens wird genauso durchgezogen wie damals. In der inneren Emigration lebt es sich leichter, wenn man doch alles ohne Chance auf Korrektur erdulden muss. Oder anders gesagt, man muss den Kakao nicht auch noch trinken, durch den man gezogen wird.