Dienstag, 12. April 2022

Spiegelfechten: Bitterer Punktsieg für den Hass

 Anne Spiegel als Mutter, die ihr Kind wiegt – so ließ sich Spiegel von der Süddeutschen für die Serie “Sagen Sie jetzt nichts” porträtieren. – Foto: Süddeutsche 

Schlecht gemacht von einer enthemmten Öffentlichkeit, schlecht verkauft von den eigenen Partei- und Kabinettskolleg*innen und schlecht beraten bis zum letzten Moment von den engsten Mitarbeitenden: Anne Spiegel, die mutige Familienministerin, die am späten Sonntagabend noch so kämpferisch entschlossen schien, mit allen Mitteln um ihr Amt zu kämpfen, musste am Ende einer Woche voller Hetze, Hass und selbst von der "Tagesschau" geschürten Zweifeln an ihrer Eignung für ein höheres Amt klein beigeben.  

Wenn Mutti von der Arbeit kommt

Svenja Prantl verteidigt Spiegel.
Spiegel, als Mutter von vier Kindern, eins im Kindergarten-Alter, drei in der Grundschule und alle immer schon im Bett, wenn Mutti von der Arbeit kommt, ausnehmend gut geeignet für die Führung des Familienministeriums, wurde aus dem Amt gemobbt, meint PPQ.li-Kolumnistin Svenja Prantl. Die junge Frau, ein weiteres Opfer der alten Männer, die ihr den raschen Aufstieg an die Spitzer der Verantwortungspyramide neideten Und nicht verzeihen konnten, dass Spiegel auf den letzten Metern ihrer Mission zur Rettung des Ministeramtes wagte, was niemand für möglich gehalten hatte: Die "junge, dynamische Grüne" (news.de) zog die Mitleidskarte und führte ihren 2019 von einem Schlaganfall betroffenen Mann als sehr nachvollziehbaren Grund dafür an, auch mal Urlaub machen zu müssen.

Eine so maßlose Hetzkampagne so gut wie aller Medien, die Anne Spiegel nach einem Trommelfeuer aus allen Rohren der Schreibtischtäter in den urbanen Medienhochburgen zwang, dem "politischen Druck" (Spiegel) nachzugeben, hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch niemals gegeben. kaum bei männlichen Politikern gegeben. Bettina Wulff, seinerzeit Ehefrau des von Rechten angegriffenen Bundespräsidenten Christian Wulff, erlebte ähnliches, Jagdszenen und puren Frauenhass bis in die Google-Suche. Wie damals und wie immer waren wieder so gut wie alle Medien dabei, sie fuhren mit auf dem Enthüllungskarussell, wenn sie schon selbst nichts aufzudecken hatten. Das fütterte die Enthemmten in den sozialen Netzwerken, wo die Grünen-Politikerin bis aufs Äußerste beschimpft wurde, weil sie als Familienministerin an ihre Familie dachte.

Zum Abschuss freigegeben

Friedrich Merz gab sie dann zum Abschuss frei, indem er kalt lächelnd ihren Rücktritt gefordert. Nun konnte Anne Spiegel nicht mehr gehen, auch wenn ihr Experten wie der Medienpsychologie Hans Achtelbuscher früh rieten, sich über einen demonstrativen Rückzug mit offensiv behauptetem Schuldeingeständnis auf eine Schaffenspause und einen unbescholtenen Neuanfang im kommenden Jahr hinzuarbeiten. Achtelbuscher forscht am An-Institut für Angewandte Entropie zu Fragen des politischen Desastermanagementsund nennt als Beispiel den heutigen Ernährungsminister Cem Özdemir, dem ein solches Kunststück Anfang der 2000er Jahre gelang, als er ein Bundestagsmandat ausschlug und stattdessen zur Buße für ein Sponsorverhältnis mit einem PR-Berater ins EU-Parlament einzog.

Anne Spiegel aber versuchte, sich den Nutzerinnen und Nutzer von Plattformen wie Twitter oder Facebook entgegenzustellen, den Kopf oben zu behalten und der Hexenjagd mit offenem Visier zu begegnen. Während ihre Partei sich bereits von ihr absetzte und sich niemand mehr fand, der sich hinter sie stellen wollte, abgesehen vom Bundeskanzler, den das Schicksal seiner Ministerin sichtlich dauerte, ging die frühere Umweltministerin von Rheinland-Pfalz in die Offensive. Nein, schwerwiegende Fehler gestand sie nicht ein. Nein, sie beugte nicht das Knie vor Furor der - männlichen - Öffentlichkeit. Sie wies nur sachlich und zutreffend darauf hin, dass ein Urlaub zehn Tage nach einer Flutkatastrophe eben kein Urlaub in einer Flutkatastrophe ist. Und dass sie als Ministerin sowieso kaum etwas hätte tun könne, um das Leid der Menschen im Ahrtal zu lindern. Oder gar, die Opfer zu retten.

Im Urlaub nur Kraft gesammelt

Sie konnte die gesellschaftlichen Folgen mildern, indem sie auch in dieser angespannten Situation genderte. Indem sie den Urlaub genoss, um Kraft zu sammeln für die Vielzahl an Aufgaben, die vor ihr standen. Und indem sie diese kurzen vier Wochen lang für ihren Mann und ihre vier kleinen Kindern da war, bei denen die Corona-Pandemie "starke Spuren hinterlassen" hatte, wie Spiegel selbst beschrieben hat. Anne Spiegel war nicht wie eine zuvor bereits zurückgetretene CDU-Kollegin auf Mallorca. Sie hat keine Party gefeiert. Sie war auch im Urlaub immer erreichbar, wenn sie sich im Nachhinein auch politisch gezwungen sah, als dieser theoretischen Erreichbarkeit eine Teilnahme an Kabinettssitzungen zu flunkern.

Eine Notlüge, die zeigt, wie schwer der medial orchestrierte öffentliche Sturm selbst Anne Spiegel mitgenommen hat, eine Frau, die zwar erst 41 Jahre alt ist, dennoch aber schon über beinahe ein Vierteljahrhundert Erfahrung in Methoden und Manövern im politischen Karrierebuilding verfügt. Sie wurde nervös, sie machte Fehler, sie gab zu, was sie hätte nur einräumen müssen. Sie nahm Kritik zum Anlass, um Entschuldigung zu bitten. Sie zeigte damit mehr Anstand als männliche Politiker, die ähnliche Situationen seit Jahren aussitzen, weil sie wissen, dass ihre Probleme mit der nächsten Sau im Dorf davonreiten werden.

Von weiblichen Skrupeln geplagt

Als Frau ist Anne Spiegel dafür nicht abgebrüht genug. Geplagt von Skrupeln, vielleicht wirklich nicht geeignet zu sein, vielleicht wirklich überfordert zu sein vom Spitzenamt, den vier Kindern und dem kranken Mann, gingen ihr die Nerven durch. Obwohl es in ihrem Fall nicht um Machtmissbrauch, monetäre Vorteile in Millionenhöhe oder Bestechung ging, zollte sie den aggressiven Angriffen Tribut und gab dem puren Frauenhass nach, den Menschen aus der rechten, rechtsradikalen und rechtsextremen Ecke so selbstbewusst spazierenführten. 

Anne Spiegel gibt ihren Kritikern, ihren Hassern und Stalkern damit schlussendlich Recht: Eine Frau, die Liebe, eine große Familie und eine steile Karriere in Partei und Regierungsamt vereinbaren will, indem sie allem gerecht wird wie es der früheren SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles so bemerkenswert geräuscharm gelang, gesteht ein, dass das eben nicht funktioniert. Doch so wie Kleinwüchsige das Recht haben, Basketball zu spielen, haben auch Menschen mit Kindern und einem Partner, der krank ist, das Recht, Politik machen dürfen. Dass es ihnen nicht gelingt, zeigt, dass die Gesellschaft noch viel zu tun hat, um Inklusion auch in diesem Bereich zu schaffen.


7 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

arbeitergroschenpflichtiger Haß
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Rücktritt der Familienministerin

Die falsche Konsequenz

Ein Kommentar von Milena Hassenkamp

Anne Spiegel ist nach der Flutkatastrophe an der Ahr in den Urlaub aufgebrochen. Dafür hat sie sich entschuldigt. Zurücktreten müssen hätte sie deswegen aber nicht.

Gerry hat gesagt…

Finde ich auch, ein Rücktritt ist unnötig. Denn die Glückspilzin, welche auf den Posten nachrückt, interessiert sich ebensowenig für die Abläufe die da draussen vor sich gehen. Bzw wird ähnlich mit brüllender Ahnungslosigkeit geschlagen sein. Das Einzige, was wieder zählen wird, sind das blame game und das wording.

ppq hat gesagt…

es ist der pure frauenhass. wie schon damals beim brüderle. den haben sie auch aus dem amt gemobbt, weil sie keine erfolgreichen frauen in spitzenpositionen ertragen

Anonym hat gesagt…


Man kann sich als Bürger selbstverständlich entscheiden, was einem bei seinen Volksvertretern besser gefällt: ein beim Kondolenzbesuch im Ahrtal über einen dummen Witz lachender Laschet oder eine ihrem Amt nicht gewachsene Vierfachmutter, deren Mann zudem kürzlich einen Schlaganfall erlitt, was Familie und Beruf nur noch mehr belastete.

Politiker sind trotz aller oft übertriebenen Erwartungen an sie nur Menschen und brauchen darum besonders in Krisenzeiten auch mal Urlaub. Spiegel mag als Chefin für vieles Verantwortung tragen, aber das Versagen bei der tagelang zuvor angekündigten Flutkatastrophe erstreckt sich auf viele behördliche Schlafsäcke in der Warn- und Verhütungskette.

Ist nur der Offizier schuldig, wenn seine ausführende Truppe aus unfähigen Trotteln besteht, weil das gesellschaftlich so üblich ist?

Spiegel hat einen Fehler gemacht: sie meinte das aussitzen zu können wie viel ihrer Kollegen das zuvor taten und hoffte, mit einer "Schwamm drüber und weiter so"-Entschuldigung Monate danach einfach durchzukommen.

Insgesamt liegt es aber am pervertierten System der Linken (Rot-Grün), dass Quoten wichtiger als Fähigkeiten sind. Das nennt man anderswo Günstlingswirtschaft oder auch Korruption. Nur hier soll es richtig sein, wenn x-beliebige Gestalten höchste Staatsämter besetzen können, weil sie das richtige Parteibuch haben. Spiegel ist also beides: Täter und Opfer einer Zeit, die meint, mit der Umkehr alter Werte ein Paradies schaffen zu können. Aktuell sogar auch schon wieder mit Waffen.

Gemessen an dem medial allgegenwärtigen Gehetze gegen den russischen Staat, der nach jahrelang kritisierter Natoumzingelung und Massakern an Donbas-Russen seine Sicherheitsinteressen jetzt drastischer verfolgt, ist der Fehler von Frau Spiegel zwar symptomatisch für deutsche Politiker, aber kein Schwerverbrechen wie geheime deutsche Biokampfmittellabore in der korrupten faschistischen Oligarchen-Ukraine. Unsere neuen Mengeles forschen und testen dort, weil es hier verboten ist. Das ist der Skandal und sollte Empörung hervor rufen, aber das hirngewaschen Blödvolk meckert ja lieber über Erholungsurlaub zur falschen Zeit. Dieses stupide Volk ist verloren, denn es lässt sich in seiner ignoranten Arroganz durch Propaganda in einen eventuellen dritten Weltkrieg hineinlocken.

Hysterisch kläffendes Pinschertum, wohin man blickt im besten aller Schlands.

Wo sind sie nur hin, die vielbeschworenen Dichter und Denker? Die wurden vermutlich längst gegen potente Naturburschis mit messernder Fickifickikultur ausgetauscht, damit es für uns bunter werden möge. Nach 16 Jahren Merkelpechschwarz nun also lieber giftgrün, schwefelgelb und blutrot. Naja, die typischen psychischen Importprobleme halt.

Und dieser Pöbel braucht jetzt eine(n) neue(n) Sündenbock(in) zum fertigmachen, um selber besser dazustehen. Schäbige Schundmenschen bestimmen unsere aller Leben und die genau so schäbige Schundmasse findet es supitoll. Deutschland hat sich längst abgeschafft, es nur noch nicht kapiert, und seine verlogene Einseitigkeit Im Ukrainekrieg wird das Verenden verdeutlichen.

Wie aber will man Millionen Herdentrieb-Idioten erklären, dass sie welche sind?

Helft, ihr Götter, lasst es Hirn regnen.

Volker hat gesagt…

Habe den Eindruck, Urlaub und lachen usw. wurden absichtlich als Sichtblenden errichtet.
Das eigentliche Ding ist ja, dass unsere korrupte und 100% unfähige Nomenklatura sehenden Auges 134 Menschen hat ertrinken lassen.
Gendern ist wichtiger als Menschenleben.

Man braucht diese Sichtblende vielleicht noch aus einem anderen Grund. Die Schwefligen haben nämlich 3 Jahre vorher im NRW-Landtag einen Antrag eingebracht, der einem das Blut in den Adern erstarren lässt.
Bevölkerungsschutz statt Klimaschutz - haben die das überschrieben und finstre Sachen gefordert wie etwa
"1. so schnell wie möglich, das „Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes in Nordrhein-Westfalen“ endlich abzuschaffen und alle weiteren Verordnungen und sonstige Vorschriften aus dem Bereich der „Klimaschutzpolitik“ zu revidieren.
2. alle Finanzmittel für den „Klimaschutz“ und alle Fördermaßnahmen, welche aus „Klimaschutzgründen“ gewährt werden, sofort zu streichen und in angemessener Höhe in den Schutz von Menschen, Sachgütern und Einrichtungen im Sinne eines adaptiven Bevölkerungsschutzes zu investieren.
"

Zum Glück hat die Mehrheit der sog. "Demokraten" das Verwerfliche sofort erkannt und diesen Antrag abgeschmettert.
Man möchte gar nicht daran denken wie das ausgegangen wäre, hätte der Landtag das durchgewunken. Dann hätten die in den Überschwemmungsgebieten 180 Ertrunkenen vielleicht überlebt.
Und das kann ja keiner wollen.

Gerry hat gesagt…

@Volker
Diese Sichtweise mit der Ablenkung und den Bauernopfern ist wahrscheinlich zutreffend. Auf den oberen Ebenen ist Kompetenz nicht mehr vorhanden. Wir können froh sein, wenn die alltäglichen Verwaltungsstrukturen noch halbwegs funktionieren, aber die großen Linien oder plötzliche Krisen bekommen wir nicht mehr gebacken. Das wird sich in der Zukunft noch häufen, diese Aussetzer.

Carl Gustaf hat gesagt…

Den Skandal um die Ahrtal-Versäumnisse und den anschließenden vierwöchigen Urlaub hätte Spiegel locker aussitzen können. Immerhin hat es da bei den Grünen einige schwerere Kaliber (https://taz.de/Was-wusste-Hamburgs-Justizsenatorin/!5716174/), die noch in Amt und Würden sind.
Das Problem für Spiegel war geworden, dass sich der investigative Journalismus plötzlich für den Frankreich-Urlaub zu interessieren begann (Wo war sie im Urlaub? Mit wem (außer Mann & vier Kindern)? Wem gehörte das Häuschen, in dem sie mit Mann & den vier Kindern genächtigt hat?). Und da wären wahrscheinlich Dinge an die Öffentlichkeit gekommen, die nicht nur einer Anne Spiegel geschadet hätten. Sorgen muss sich Spiegel sowieso keine machen, da sie jetzt erst einmal in der Böll-Stiftung entsorgt werden wird.