Sonntag, 27. März 2022

Uhrenumstellung: Zeichen der Zeit

In Brüssel wird nicht mehr für eine Abschaffung der Zeit gebetet.

Eine übergroße Mehrheit der deutschen EU-Bürgerinnen und Bürger war ausschnittshalber dafür gewesen, sie abzuschaffen. Also dagegen, sie beizubehalten. Jean-Claude Juncker, der große, scheinbar ewiglich regierende EU-Kommissionspräsident der 75-jährigen Friedensära, in der sich die Völker-, Glaubens- und Wertegemeinschaft Zeit ihrer Existenz wähnte, versprach mit donnernden Worten, dieses Mal, dieses eine Mal!, auf die Massen zu hören, auf die crowd, das Volk, auf we die people, von denen in überseeischen Verfassungen die Rede ist.

Junckers Abschiedsgeschenk

Ein Abschiedsgeschenk sollte es werden, energiesparend nun auch wieder wie die Einführung der zweimaligen Uhrenumstellung jährlich Energiespargründe gehabt hatte. Sommerzeit und Winterzeit, in sich schon irrige Bezeichnungen, sollten Geschichte werden, die Naturzeit zurückkehren, eine große europäische Einheitszeit, von Brüssel aus normiert, ein Fundament für einheitliche Fahrpläne, Sonnenuntergänge, Fernsehhauptnachrichtenfanfaren, Fußballspielanpfiffe.

Juncker, der Mann mit dem braunen Schuh, kämpfte wie ein Löwe um sein Vermächtnis. Auf den letzten Metern seiner langen, von peinlichen Höhepunkten und langwierigen Tiefpunkten geprägten Funktionärskarriere, während der EUropa tiefer und immer tiefer in eine Abfolge aus einander überlagernden Krisen manövriert worden war, hatte der Luxemburger mit dem Händchen für Steuergeschenke beweisen wollen, dass auch ein überstaatliches Monster aus 27 Machtinteressen handlungsfähig sein kann, zumindest, wenn nur beiläufige Probleme zu lösen sind, die man eigens zum Zwecke der demonstrativen Lösung erst erfunden hat.

Zentrale Ausrufung scheitert

Aber selbst so war es dann nicht. Umgehend nach der zentralen Ausrufung der Abschaffung von Jahres-Zeiten geriet der geeinte Kontinent in Streit darüber, in welche Richtung abgeschafft werden solle. Was direkt vor der seinerzeit anstehenden EU-Wahl - offiziell "Europa-Wahl" - ein Zeichen der Tatkraft in die Welt und die Wohnstuben der am Bürokratiepalast in Brüssel verzweifelnden Wählerinnen und Wähler senden sollte, endete als Rohrkrepierer: Die einen wollten nicht so, die anderen nicht so, die dritten gar nicht.

Ein deutliches Zeichen fürwahr: Der Kontinent, der bis heute gleich zwei venezuelanische Präsidenten für den rechtmäßigen hält, nur eben nicht gemeinsam, ist groß, aber behäbig, er kümmert sich, aber am liebsten um Dinge, die niemanden kümmern. Und ehe er zu einem einheitlichen Beschluss gelangt, haben einzelne Staaten oft nationale Regelungen eingeführt - und manchmal sogar wieder abgeschafft. 

Das garstige Glück

Das größte Glück der gemeinsamen Institutionen liegt im rücksichtsvollen Umgang der europäischen Medien mit den Junckers, von der Leyen, Barleys, Webers und Schulzens: Reicht auch die Kraft der Wertegemeinschaft nicht, unterschiedliche Interessen auf ein gemeinsames Ziel zu konzentrieren, so  kartet doch niemand garstig nach. Kommt die Umstellung der Uhrzeiger auf Sommer- oder aber Winterzeit, dann kommt sie.Kommt sie nicht, kommt sie nicht. Verspricht jemand das eine, und es kommt anders, ist das so. Und das wäre es auch, wäre es anders.

Lobenswert ist schon die Absicht, das Leben von Millionen zu verbessern. Dass es vor der Wahl 2018 nichts wurde mit der Abschaffung der Zeit, nicht danach im Jahr 2019, nicht im ersten Corona-Jahr 2020, dann auch nicht "ab spätestens 2021", wie die EU-Kommission verkündet hatte, und bis zum Frühjahr 2022 immer noch nicht, zeigt deutlich, wie viel stille Dynamik noch im Kreis der 27 ruht. 

Aus der Zeit gefallen

Was damals schon wie aus der Zeit gefallen wirkte, ein zynisches Spiel der Macht mit den Gefühlen, Hoffnungen und Erwartungen der Menschen, mutet angesichts der aktuellen Lage noch mehr an wie die Erfindung eines schlechten Drehbuchschreibers: Die größte - und immer noch einzige - Staatenfamilie der Welt nimmt sich vor, die Zeit abzuschaffen. Wo doch die Führer der 400 Millionen Betreuungspersonen in der Gemeinschaft sich hätten seinerzeit um dieses kümmern können und um jenes, sie hätten Vorsorge treffen dürfen für den einen Fall oder für den anderen, es wäre Zeit für Verhandlungen gewesen, für Aufrüstung, für den Bau von Mauern und das engere Zusammenrücken mit befreundeten Staaten. 

Stattdessen die Zeit. Und nun immer noch. Und sie bleibt für immer.



5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Nein nein völlig falsch, also dieses Jahr wollten wir die Sommerzeit wirklich abschaffen und wollten gerade damit anfangen, da kam diese blöse Putin dazwischen!

Grüßle
Ursula von der Lippe
oder so

Die Anmerkung hat gesagt…

OT

Der Russe muß jetzt schon auf 4 Infanteriesoldaten und einen Hund zurückgreifen.

https://t.me/satellit_de/1319

Die Anmerkung hat gesagt…

Fefes Medienkompetenz als Zeichen der zeit?
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https://blog.fefe.de/?ts=9cbe4f26

Zum vorläufigen Wahlergebnis der Landtagswahl im Saarland wurde mir diese Twitter-Thread empfohlen. Der macht auch auf mich einen soliden Eindruck ...
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Reingeschaut und weggerannt.

2. Die Scheiß AfD
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Was bitteschön ist daran solide?

Hase, Du bleibst hier.... hat gesagt…

4 Panzersoldaten und ein Hund, die mit einem Feldspaten ganze Divisionen platt gemacht haben, mein Opa mochte das nie.
KriegsgewinnerSchnickSchnackSchnuck. Geschichte schreiben immer die Sieger. Ich war in der Gartenanlage immer Bier holen, mit dem Zinnkrug, später dann die Flaschen mit dem Bügelverschluss
. Opa starb mit 75 Jahren ungebrochen, mit verbindlichen 16 Ringen um die Flag-Kanone. 16 Bomber, unendliches Leid für alle Beteiligten, ist Opa Täter, Opfer oder beides? Mein Opa wollte immer nur Pilsner, Helles war, na ja, wenn es kein Pilsner gab, Hauptsache Bier. "Iß Jung, du hast lange Seiten" Eine Lebensweisheit, die ich ungern an meine Töchter weitergebe.

Anonym hat gesagt…

die Flag-Kanone ...

Was auch immer für ein Ding Gottes das sein mag. Am Ende sogenannte Überkorrektur? Beispiele auf Wunsch.