Mittwoch, 2. März 2022

Sanktionsregime: Warmer Entzug

Es braucht Druck, um Putin zur Umkehr zu bewegen, aber es durfte anfangs kein Druck sein, der Russland gleich ganz zerstört. Der russische Bär, auf das Äußerste gereizt? Stattdessen lieber Geduld und Augenmaß. Das Beispiel Kuba zeigte dem Westen, wie ein erfolgreiches Sanktionsregime über immerhin 60 Jahre funktioniert: Wäre die kommunistische Diktatur dort nicht so uneinsichtig, hätte das umfassende US-Embargo die Machthaber längst in die Knie gezwungen wie den Iran und Nordkorea.

Schluss mit Symbolik

Die Strafmaßnahmen des Westens gegen Russland, ab 2014 wegen der Krim und der Ostukraine, aber später auch wegen allerhand anderer Vergehen verhängt und aller halber Jahre rituell verschärft und immer wieder verlängert, haben bisher noch keine solchen Erfolge gezeitigt. Viel zu zart, viel zu kleinteilig, viel zu viele Ausnahmen, Rücksichten und Schlupflöcher. Mit dem Beginn der russischen Offensive aber ist Schluss mit Symbolik und Drohungsrhetorik. Wie vor dem Waffengang angekündigt, verhängten die USA, die EU, Japan und andere Staaten die härtesten, umfangreichsten und schwersten Sanktionen aller Zeiten über Russland, zumindest im zweiten oder dritten Anlauf und zumindest, nachdem die Dynamik der Zuspitzung Fahrt aufgenommen hatte.

Es sind nun tatsächlich Strafmaßnahmen, die "über alles hinausgehen, was bislang gemacht wurde", wie US-Präsident Joe Biden klargestellt hat. Verglichen mit Russland sind selbst Kuba und Nordkorea eng in die Weltwirtschaft eingebunden. Die militärischen Attacken des Kreml-Herrschers auf ein souveränes Nachbarland beantworten Nato, EU und der Rest der Welt mit Attacken, die auf die Funktionsfähigkeit der russischen Wirtschaft zielen.  

Öl, Schmuck und Diamanten

Rücksichten werden keine mehr genommen, außer vielleicht auf die Energieversorgung in den USA und der EU, die weiter auf russisches Gas und russisches Öl setzt und den Geldkanal zu Gazprom offenhält. Ausgespart bleiben auf Wunsch des italienischen Premierminister Mario Draghi auch die Lieferketten für italienische Luxusgüter, Belgien gelang es hingegen, die Versorgung Russlands mit Diamanten aus dem EU-Wirtschaftssanktionspaket herauszuverhandeln. Deutschland wollte einen vorläufigen Verzicht auf eine Abschaltung des Zahlungssystems Swift erreichen, um bei späteren Sanktionsrunden nachlegen zu können, musste sich aber nach zwei Tagen hinhaltenden Widerstandes beugen. Swift wird abgeschaltet, verhängt wurde zudem ein Flugverbot für russische Maschinen in der EU, ein Ausschluss russischer Sportler und Vereine von internationalen Wettbewerben, ein Hausverbot für Wladimir Putin in einer Edeka-Filiale in Kiel, die Sperrung russischer Internetseiten und die Sperrung der Guthaben der russischen Zentralbank in Europa und den USA.

So sehr Putin den Westen stets im Verdacht hatte, gegen ihn zu arbeiten, so wenig haben ihn seine Geheimdienste darauf vorbereitet, dass ein Einmarsch in die Ukraine die freie Welt zusammenschweißen könnte wie es zuletzt Osama Bin Ladens "Angriff auf Amerika" (Bild) vermocht hatte. Wer immer kann, reicht sich ein: Die Rathäuser in Deutschland leuchten blau-gelb, Werbepartner und Anteilseigner trennen sich von russischen Konzernen, die Putinversteher haben sich aus der ersten Talkshowreihe zurückgezogen. Schneller als es bis vor einer Woche vorstellbar gewesen wäre, werden die wirtschaftlichen Verbindungen gekappt, legt sich das Land in eine "Wendeschleife, ohne zu sehen, wohin uns der Weg führt", wie es der Bundeskanzler als oberster Fahrdienstleiter beschrieben hat.

Ein bisschen Weltmacht

Es ist dies eine weitere neue Qualität von Führung: Nicht mehr auf Sicht, sondern blind, die Hände nicht mehr am Lenkrad, sondern fassungslos über dem Kopf zusammengeschlagen. Im Moment der höchsten Gefahr gibt es viel Jubel über die neue Einigkeit im Westen, über eine Nato, die wieder lebt, und eine EU, der von US-Präsident Joe Biden viel Raum gelassen wird, ein bisschen die Weltmacht zu spielen, die sie immer hatte sein wollen. Auf der anderen Seite ist schon nach sechs Tagen militärischer und wirtschaftlicher Eskalation nicht mehr viel Manöverraum für beide Seiten: Die "massivsten Sanktionen" (Baerbock), ausgerufen als angemessene Strafe für Putins "eiskalte Lügen", waren insofern eine Lehre für den Präsidenten und seine "Spießgesellen" (Taz), dass sie früh wussten, dass ihnen nicht mehr viel passieren kann.

Denn der Westen ist bei aller Entschlossenheit auf einen warmen Entzug gegangen. Öl und Gas, aber auch all die anderen Rohstoffe, für die Russland seit Jahrhunderten als zuverlässiger Lieferant gilt, finden weiter Abnehmer in Deutschland, Ungarn, Polen und den USA. Alle Energiewendepredigten, alles Wettern gegen Nord Stream  und alle Forderungen, schnell ganz viel Wind und Sonnenkraft zu nutzen, sie ändern auf absehbare Zeit nichts an der Tatsache, dass kein Braunkohleausstiegsplan, keine Elektroautooffensive  und kein Bürgerwindpark in den kommenden Jahren Deutschlands Wohnungen heizen, die Lebensmittelversorgung sicherstellen und den Menschen das Gefühl geben wird, der Krieg sei fern genug, um sich mit Mitgefühl und Solidarität an ihm beteiligen zu können.

Hoffnung auf ein schnelles Ende

Spitzt sich die Lage zu, indem sie einfach weiter andauert, bleiben beiden Seiten kaum noch Handlungsoptionen. Putin kann die Anzahl der eingesetzten Truppen erhöhen, der Westen aber nur sein eigenes Risiko: Die vom ukrainischen Präsidenten geforderte Flugverbotszone käme einer direkten Kriegsbeteiligung gleich, ebenso die umgehende Aufnahme der bedrängten Ukraine in EU oder Nato. Die Ungeduld der Öffentlichkeit im Westen aber wird wachsen, je deutlicher sich herausstellt, dass Russland unter den massivsten Sanktionen nicht umgehend zusammenbricht, unbeeindruckt bleibt von närrischen Friedensdemos und solidarisch angestrahlten Rathäusern, und seine Truppen keineswegs reumütig aus dem Nachbarland abzieht. 

Was dann? Wie weiter? Welches Pulver ist noch trocken? Und wohin führt die Wendeschleife?


8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Um ein Zeichen zu setzen, verbrennen wir statt russischer Bücher, russischer Flaggen und russischer Dirigenten vorerst nur russisches Gas.

Olaf und Annalena

Anonym hat gesagt…

Auch der Westen wird irgendwann ernten, was er an Scheinheiligkeit und Verlogenheit säht.

Die Europäer sind so strohdumm, dass sie gar nicht kapieren, wie die USA sie ständig als Nutzvieh vor ihren Weltmachtkarren spannen. Wirtschaftlich sind wir denen nämlich ein Konkurrenzdorn im Auge. Darum werden Ost-West-Konflikte auch immer hier stattfinden, damit Schäden wie kaputte Infrastruktur und Flüchtlingsströme uns treffen. Seit Jahren bezahlen wir hirngewaschenen gutmenschlichen Volltrottel für die Folgen von US-Kriegen um uns herum und sind auch noch stolz darauf.

Vollidioten auf dem Narrenschiff Europa mit Kurs auf jede UNtergangsklippe, die zu entdecken ist.

Immerhin werden die Grünen ihr 5 DM-Ziel für den Liter Benzin bald erreicht haben. Freuen wir uns also über einen Etappensieg im Kampf gegen die Klimaerwärmung. Und wenn wir dazu solidarisch frieren, wird auch das sicher ein bis zwei Grad weniger bringen.

Der Schildbürger-Michel glaubt sowas.

Die Anmerkung hat gesagt…

Der deutsche Kriegskanzler macht sich zum Olaf und hitlerbunkert sich schon jetzt ein.

Macht mal Kreig, aber schießt uns nicht tot.
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https://www.welt.de/politik/deutschland/plus237255675/Olaf-Scholz-in-Israel-Hier-lernt-der-Kanzler-was-Russland-fuer-ein-Machtfaktor-ist.html

Scholz (SPD) besucht Israel – das sich im Ukraine-Krieg nicht auf die Seite des Westens schlagen kann: Es ist auf Russlands Wohlwollen angewiesen. Dann wird die Frage laut, ob der Kanzler und Israels Regierungschef die Russen nicht vor der Ermordung Selenskyjs warnen wollen.

In Israel geht es Olaf Scholz (SPD) darum, keine falschen Hoffnungen seitens der Ukraine zu wecken. „Wir werden nicht militärisch eingreifen. Das gilt für die Nato und für alle anderen. Wir werden nicht eingreifen, das wäre falsch.“

Die Anmerkung hat gesagt…

Auf Tagesschau verkaufen sie mangels zugkräftiger Bilder eine Kriegs-Influencerin namens Anna Kosstsutschenko, die aus ihrer gut geheizten, mit Strom versorgten, bürgerlichen Wohnung das Geschehen kommentiert.

Die kriegen da nicht mal roten Backen oder Lippenflattern.

Ist das alles vielleicht nru eine Simulation?

Volker hat gesagt…

Wenigstens Sleepy Joe behält die Übersicht

Anonym hat gesagt…

>Wenigstens Sleepy Joe behält die Übersicht

Fakenews!! Man hört deutlich,dass er nicht 'Iranian' sagt, sondern 'Uranian'. Schachmatt!

Offensichtlich hat die CIA Informationen, laut denen Putin den Uranus angegriffen hat!
Wir warten auf weitere Meldungen von der interplanetaren Front.

Jodel hat gesagt…

Ich fände es ja lustig, wenn Putin wirklich eines schönen Tages persönlich bei der EDEKA-Filiale erscheinen würde, die ihm ein Hausverbot erteilt hat. Es ist spaßig sich vorzustellen, wie der Filialleiter sich heldenhaft in Putins Weg wirft, um diesen vom betreten des Geschäftes abzuhalten. Oder würde er nur kleinlaut daneben stehen und sich fragen, warum er jemals einen solchen Blödsinnstweet ins Internet gestellt hat.

Anonym hat gesagt…

dass er nicht 'Iranian' sagt, sondern 'Uranian' --.

Mit der Aussprache, vor allem der Vokale, in fremden Zungen ist es so eine Sache. So hört sich der Adler auf Schwedisch an wie der Urning ohne ing, aber eigentlich auch nich' - sondern irjendwas dazwischen.