Oscars für "Deutsche" sind eine nationale Sache, sie wiegen mehr als alle anderen Oscars zusammen. |
Mit dem Schauspieler Will Smith war es ein Amerikaner, der alles überstrahlte. Als Avantgardist der neuen Gewaltkultur, die aus den Kriegsgebieten in den Wertewesten schwappt, ohrfeigte Smith einen Hollywood-Konkurrenten, beinahe gleichzeitig fiel auch der frühere Fußballliedsänger Oliver Pocher einer Ohrfeigenattacke zum Opfer und für einen Moment war Unterhaltungskunst wieder, was sie sein sollte. Ein Ventil, das mit gespielten Problemen ablenkte von den großen Krankheiten der Welt, von Blut, Schweiß und Tränen und der Frage, ob Deutschland lieber Iron Dome oder Arrow III kaufen solle, um sich vor russischen Atomraketen zu schützen.
"Made in Germany"
Es war dann an Claudia Roth, der grünen Alt-Internationalen, die Dinge wieder gerade zu rücken. Auch Roth, die auf ihre alten Tage noch als Staatssekretärin mit dem Titel "Kulturstaatsministerin" umhergehen darf, hatte die sogenannte Oscar-Verleihung nicht gesehen, aber Ausschnitte. Und weil es bei der Veranstaltung offensichtlich um Kunst und Kultur ging zu gehen schien, auch wenn der Augenschein es nicht verriet, ließ ihr Roth ihr Kulturstaatsministerium, das eigentlich keines ist, weil dem Bund nach dem Grundgesetz keine Kompetenzen in Sachen Kunst und Kultur zustehen, eine Pressemitteilung verbreiten, in der die 66-Jährige ehemalige Kulturschaffende den beiden deutschen Oscar-Gewinnern zu ihrem Sieg gratulierte.
Die Oscars für Gerd Nefzer und Hans Zimmer seien "verdienter Lohn für herausragende künstlerische und technische Leistungen Made in Germany", ließ die Grünen-Politikerin offiziell verkünden - ein Rückfall in dunkle Zeiten, in denen Kunst als Verdienst von Nationen, Leitkulturen und Landsmannschaftlichkeiten begriffen und am liebsten gefeiert wurde, wenn sich aus einem Werk eine Genspur zum Eigenen zurückverfolgen ließ.
Triumph des Nationalen
In der Stunde des doppelten Oscar-Triumphes wird der Nationalstaat, längst überlebt und von einer größeren europäischen Entität aufgehoben, für die deutsche Kulturstaatsministerin zu einer legitimen Rückzugslinie. Vorbei die Feiern der Entstaatlichung, das Beschwören des großen Einen unter Wegfall aller Grenzen und Barrieren und die Sehnsucht nach Auflösung der Nation im Allgemeinmenschlichen. Claudia Roth, die selbst schon als Darstellerin einer temperamentvollen Tänzerin in Yüksel Aksus „Entelköy Efeköy’e karşi“ vor der Kamera stand, gibt dem nationalen Affen Zucker.
Kunst handelt im Verständnis des Kulturministeriums von Herkunft, Abkunft, Geburt und Nationalität, buchstabengetreu nach dem fünften Gesetz der Mediendynamik, nach dem sich Deutsche nur für deutsche Opfer interessieren, so das Medien aufmerksamkeitsmechanisch gezwungen sind, die Ursprungsländer von Menschen, die bei Flugzeugunglücken, Bombenanschlägen und Attentaten ums Leben kommen, nach einer klaren Reihenfolge zu nennen: Sterben 17 Pakistani, 112 Chinesen, 500 Indonesier oder 7.300 Venezoelaner, wiegt weniger als ein Toter mit deutschem Pass.
Roths Phantasmagorie
Als Muster gilt dabei die Faustformel Entfernung zum Wohnort mal Entfernung zum Tatort gleich Buchstabengröße, der sich auch Claudia Roth mit ihrer Phantasmagorie vom "Made in Germany" bedient. Hans Zimmer, dessen Fähigkeit, Bildsprache und Emotionalität eines Films mit einzigartigen musikalischen Kompositionen zur vollen Geltung zu bringen, nach Auffassung der Zahnarzttochter aus Ulm der deutschen Herkunft und dem deutschen Wesen des Komponisten zu verdanken ist, wurde zwar in Deutschland geboren und saß im Taunus auch zum ersten Mal am Klavier. Doch schon sein Abitur machte er an einem englischen Internat, später arbeitete er in London, Anfang der 80er Jahre zog er in die Vereinigten Staaten. Von dort ist er niemals zurückgekehrt.
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