Dienstag, 8. März 2022

Gute alte Katastrophen: Ende der Debatten

Ein verzweifelter Hilferuf: Elegant stehend, reklamiert Luisa Neubauer die neue Krise für sich.

Er zieht nach unten, dieser Strudel aus Wahnsinn und Gewalttätigkeit, den der russische Präsident Wladimir Putin entfesselt hat, als er beschloss, gar nicht weiter zu drohen und zu verhandeln, um sich seinen Traum von einer neutralen Pufferzone um sein Zarenreich zu erfüllen. Der Krieg in der Ukraine brach aus und während die einen in einer "neuen Welt" (Annalena Baerbock) aufzuwachen glaubten, weil die bisher immer gedacht hatten, dass die Zeiten von brutaler Machtpolitik vorüber seien, müssen sich andere in einer neuen Normalität zurechtfinden, die ihnen Lebensinhalt und öffentliche Bedeutung zu rauben droht. 

Ankunft der Naiven in der Wirklichkeit

Die russische Invasion in der Ukraine veranlasst progressive Wochenschriften wie die "Zeit" danach zu fragen, wie naiv die Vorstellung war, alle Kräfte der Gesellschaft auf den Ausbau des Kindertagesstättenwesens und das Tierwohl bei der Nutztierhaltung zu konzentrieren. Skepsis macht sich breit, ob der europäische Kampf gegen Plastiktrinkhalme, die deutsche Sprachgerechtigkeitsobsession, die peinigende Sorge um die Klimaverträglichkeit der Landesverteidigung und die Angst vor einer MRNA-Impfung wirklich die entscheidenden Zukunftsfragen waren, die diskutiert werden mussten.

Mit der "Zeitenwende", die der Bundeskanzler nach dem Beginn der russischen Angriffe auf die Ukraine ausrief, sind Großdiskussionen reihenweise verstummt. Keine "Gesundheitsunion" mehr, kein Wort über den "Green Deal" und das "Fit for 55"-Programm der EU. Selbst Impfziele, essenrettende Verkehrsblockierer, verschärfte Lieferkettengesetze und Rechtsstaatstreit mit Ungarn und Polen haben Sendepause und die Klage der Bundesregierung gegen die kernkraftfreundliche EU-Taxonomie wird nun nie mehr über die gründliche "rechtliche Prüfung" hinauskommen.

Die guten alten Katastrophen

Die guten alten Katastrophen der Friedenszeit, übersichtliche Ankündigungsereignisse, die mit Geldpaketen, immer mal wieder nachgeschärften Zielen und Dauerbeschuss aus Worthülsengeschützen einer Lösung in einer fernen Zukunft zugeführt werden sollten, sie haben Platz machen müssen für die Grausamkeit eines Krieges vor der Haustür, vor dessen Fürchterlichkeit alles verblasst, was sich bis dahin rituell an Schrecken an die Wand gemalt wurde. 

Es sind Opfer zu beklagen: Karl Lauterbach, der in den zurückliegenden zwei Jahren omnipräsente SPD-Pandemiepolitiker, war Mitte Februar zum letzten Mal in eine Talkshow geladen. Greta Thunberg, das schwedische Weltklimagewissen, ist seit einem Monat von der Bildfläche verschwunden. Luisa Neubauer, die deutsche Führerin des Klimawiderstandes, reklamiert sichtlich verzweifelt, das Schlachten im Osten sei "auch meine Krise". Die Bewegung schickt ein trotziges Trotzalledemundalledem hinter: "Wir müssen jetzt raus aus fossilen Energien! Wir brauchen keine Kohle, kein Gas, keine Atomkraft mehr. Nur Erneuerbare Energien sichern langfristig Versorgungssicherheit und Frieden in Europa. Die Energiewende wird und muss jetzt schnell gehen!" 

Realität auf Maximalabstand

Der Krieg als Treibsatz für die eigenen Ziele, die Realität auf Maximalabstand. Doch alles, was eben noch so wichtig war, alles, was auf einmal noch so richtig war, von der Wissenschaft bestätigt und mit Hilfe des Energieausstieges, eines "Essenretten-Gesetzes" und des "Klimaschutzes als Querschnittsaufgabe" (Koalitionsvertrag) zu bekämpfen, hat für den Augenblick jede Relevanz verloren. Zauberland ist abgebrannt und brennt noch lichterloh, die Mieter von Wolkenkuckucksheim schauen aus dem Fenster wie Rehe ins Scheinwerferlicht.Wie nun weiter? Was nun tun? Es wird Jahre brauchen, diesen Realitätschock zu verdauen. Wenn denn überhaupt noch die Zeit dazu bleibt.


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Man sollte Putin einen Orden dafür umhängen, dass er Luxuskrisen der Mittelstandschnallen und Lauterbachs Wellen auf ihre reale Größe geschrumpft hat.

Jodel hat gesagt…

Für alle die an eine große Zeitenwende glauben, darf ich hier schon einmal vorab Entwarnung geben. Momentan herrscht noch eine Schockstarre bei allen unseren Weltrettern. Aber das wird sich geben. Zum einen wird dieser Krieg nicht ewig dauern. Auch danach wird das Klima, alle Menschen und die ganze Welt von Deutschland aus gerettet werden müssen. Eine Weile lang können wir uns das schon noch leisten. Zum anderen laufen die ganzen schön beschriebenen Vorgänge ja unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle der Medien und der Bevölkerung ungemindert weiter. Da ist von "wir haben verstanden" und "Ruder herumreißen" überhaupt nicht die Rede. Unsere Medien haben derzeit einfach das Hauptthema gewechselt. Das wird auch wieder passieren, wenn niemand mehr etwas über die Ukraine hören kann.

Das Lieferkettengesetz wurde nicht aufgehoben, die Energiewende nicht gewendet, die Gleichstellungsbeauftragten nicht gefeuert, die 100 Milliarden nicht für für die Bundeswehr ausgegeben, die Gendersternchen sind nicht aus der Sprache verschwunden und den NGOs nicht der Geldhahn zugedreht. Das alles steht momentan nicht im Focus, ist aber Gewehr bei Fuß um umgehend zurückkehren zu können. Glaubt hier wirklich jemand, das nicht sofort Klagen der üblichen Umweltkonsorten eingehen würden, wenn sich die Regierung wirklich zum Bau eines LNG-Terminals aufraffen würde. Das Geheule möchte ich hören, wenn wirklich, Gott steh uns bei, die restlichen AKWs noch ein paar Jährchen länger laufen dürften.

Das sich alle Aktivisten und NGOs inzwischen für alle möglichen Krisen und Probleme zuständig sehen, ist doch auch nichts neues. Nischenplayer waren doch von gestern. Wer heute als respektable Organisation oder Vollzeitaktivistin vorn mit dabei sein will und Aufmerksamkeit, sowie staatliche Kohle abgreifen will, muss alles abdecken. Da kann man nicht wählerisch sein und sich auf Umwelt oder Klima versteifen.

In ein paar Monaten wird also alles in großen Teilen wieder so sein wie vorher. In der Ukraine wird wieder eine angespannte Ruhe herrschen mit ein paar neuen Grenzen. Ob Putin oder Selenski noch dabei sein werden, ist nicht sicher. Aber ist das wirklich wichtig? In Deutschland werden Hunderttausend Ukrainer mehr wohnhaft sein. Die Energiepreise werden nicht mehr ganz so hoch sein, aber immer noch immens. Der deutsche Michel wird sich auch daran gewöhnen und halt nur noch alle zwei Jahre in den Urlaub fahren. Im Herbst wird die neue Corona-Supermutante in die Talkshows einziehen und den vierten Piecks nach sich ziehen müssen. Die Maske wird sowieso nie weg gewesen sein.
Und so weiter und so fort. Die derzeit überall groß beschriebene Zeitenwende wird nur ein kleiner Schlenker auf unserer Schussfahrt sein und nicht mehr.

Solange wir nicht die Karre wirklich komplett an die Wand gefahren haben und unsere schönes Kartenhaus zusammengebrochen ist, werden wir weitermachen wie bisher. Eine Wende dürfte inzwischen ausgeschlossen sein. Den finalen Big Bang sehre ich zum Glück momentan aber noch nicht. Bis dahin haben wir wohl noch ein Weilchen.

Anonym hat gesagt…

@ Jodel

... und wenn der deutsche Selbstbeweihräucherungskarren dann wirklich zertrümmert im Kleinhirnschlamm fest steckt, wird man ratzfatz vernunftbegabte Kritiker zu Sündenböcken erklären und die Hexenjagd starten, um diese teuflische Klugheits-Bedrohung zu vernichten und das allein selig machende Simpelparadies zu errichten.

Die kollektive Brot-und-Spiele-Primitivität klappt seit 2000 Jahren schließlich bestens. Da ist wie zuvor also keinerlei Evolution zu erwarten, denn der Nacktaffe war, ist und bleibt ein kinderleicht manipulierbares Herdentrieb-Nutzvieh der Eliten.

Untertäniger Jochochse und devote Melkkuh und besoffen riesig Spaß dabei.

Ich denke, der Durchschnittsmensch wird mental total überbewertet.

Wie mündig ist ein Bürger, den man per Volksverhetzungsparagrafen schützen zu müssen meint? Der Gesetzgeber behandelt ihn einerseits als geistig gefestigt genug für demokratische Wahlentscheidungen und zugleich wie ein verführbares weil naives Kleinkind.

Was isser denn nun, der Doidschmichel?

Herr seiner Sinne oder nur Spielball seiner Gelüste?

Anonym hat gesagt…

@Anonym

Ich erwarte auch keine Evolution. Der Mensch ist nun einmal wie er ist. Da lässt sich in menschlich überschaubaren Zeiträumen gar nichts machen. Es gibt immer Vortänzer und die breite Masse, die in Ruhe gelassen werden will. Es können nicht alle Häuptlinge sein. Ist das wirklich so schlimm?

Es gibt derzeit Länder in denen man als Jochochse so komfortabel wie noch nie in der Daseinsspanne des Homo Sapiens leben kann. Ich wäre absolut damit zufrieden, wenn die Qualität und die Menge der daran Teilhabenden weiter wachsen würde.
Leider kommt diesem Wachstum, wie die Geschichte beweist, immer zwangsläufig die Dekadenz dazwischen. Momentan geht der Esel wieder einmal aufs Eis und setzt damit alles bisher erreichte aufs Spiel. Es bringt sicher jeden rational denkenden und unwoken Menschen fast um den Verstand, wenn er zufälligerweise nicht den Aufstieg erlebt sondern den Abstieg erdulden muss. Diesen könnte man jeden Tag aufhalten, wenn die Masse es nur wollte. Hat sie aber noch nie. Damit muss man sich irgendwann abfinden. Zynismus bewirkt hier wahre Wunder. Wenn man sich dauernd über die "Köterrasse" aufregt, kriegt man doch nur einen Herzinfarkt.

Selbstverständlich werden Sündenböcke gesucht und gefunden werden. Nur werden von den Klugen und Leistungsbereiten nicht mehr so viele hier sein, wenn der wirtschaftliche Big Bang, den ich leider über kurz oder lang befürchte, eintritt. Auch werden diese Könner fehlen, den Karren dann wieder aus dem Dreck zu ziehen. Das ist ja das extra tragische an unserem aktuellen Niedergang. Das kommt bei Nationen immer wieder vor. Nur haben wir derzeit und auch in absehbarer Zukunft kein passendes Personal mehr, das einen Wiederaufstieg schaffen könnte. Zumal auch Allah dann ein deutlich größeres Wörtchen mitreden wird.

Wir werden uns daher wohl oder übel auf eine lange Periode der Stagnation auf einem niedrigen Niveau siehe ungefähr der Türkei abfinden müssen.

Um noch auf ihre Frage zu antworten. Der Doitschmichel ist wie alle anderen Menschen auch, ein Spielball seiner Gelüste. Das mit dem Herr seiner Sinne halte ich für eine Fiktion.
Jedes Hirn denkt, wie es denkt. Da gibt es keinen Entscheidungsspielraum.