Es muss nicht immer eine ganze Pizza sein, schon gar nicht mit Belag. |
Erst wurde Erdgas teuer, dann Öl, dann Benzin, jetzt schießen die Düngemittelpreise in die Höhe und danach drohen Lebensmittel knapp zu werden. Die Ukraine und Russland gehören bei wichtigen Grundnahrungsmitteln zu den größten Exportländern der Welt, das eine Land fällt wegen der Kriegsschäden als Lieferant aus, Russland dagegen wird wegen der Sanktionen nicht liefern können. Doch die Krise birgt auch Chancen für Deutschland, einen Wohlstandsstaat, in dem zwei Drittel (67%) der Männer und die Hälfte (53%) der Frauen als übergewichtig gelten. Ein Viertel aller Erwachsenen sind sogar schwer adipös, das heißt ihr body mass index liegt bei über 30.
Gewicht als Gesundheitsgefahr
Gesundheitspolitisch eine Dauergefahr, versorgungstechnisch ein Alptraum, sicherheitspolitisch ein Spaltpilz. Allein um ihr Übergewicht zu halten, benötigen 23 Prozent der Männer und 24 Prozent der Frauen in Deutschland mehr Nahrung als zur Lebenserhaltung notwendig wäre. Praktisch können sie nichts dafür, denn der Anteil des stoffwechselinaktiven Gewebes ist bei ihnen einfach höher als bei Normalgewichtigen. Dadurch schmecken ihnen große Mengen an Speisen länger besser und sie brauchen immer mehr davon. Volkswirtschaftlich gesehen aber wird dieser Mehrbedarf in Zeiten leerer Speisekammern ein Problem: Woher nehmen und nicht stehlen? Wie die zusätzlichen Belastungen für ohnehin strapazierte Lieferketten und das globale Klima schultern?
Zuletzt protestierten Bauern in Mecklenburg-Vorpommern schon mit ihren Traktoren in gegen eine neue Landesdüngeverordnung, die den Einsatz von künstlichen Wuchshilfen weiter einschränkt. Nur mit solchen Düngeverboten aber wird sich das Nahrungsangebot kaum ausreichend auszuweiten lassen, um bei höheren Anforderungen an die Selbstversorgung des Landes alle Wünsche zu erfüllen. Während die Bundesregierung die durch den russischen Angriff auf die Ukraine ausgelöste Verknappung bislang nicht zum Anlass nimmt, ein großes Diätsparprogramm aufzulegen, hat das Klimawatch-Institut (CLW) im sächsischen Grimma, das bereits früh erste Energiespartips gab, einen ersten Ratgeber zum Essensausstieg vorgelegt.
Abhängig von Sonnenblumenöl
Bei den Vorschlägen, die das CLW gesammelt hat, gehe es keineswegs um Zwang oder Pflichtmaßnahmen, sagt Institutssprecher Herbert Haase, "sondern darum, wie Deutschland die Abhängigkeit von Sonnenblumenöl und Weizen aus Russland und der Ukraine verringern und zugleich globale Klimakosten senken kann". Konkret gehe es dabei um eine Senkung des Grundumsatzes durch eine Absenkung der Essgeschwindigkeit. "Wird die um zehn Prozent verringert, steigt dass Sättigungsgefühl bei gleicher Nahrungsmenge um fünf Prozent." Würden alle Privathaushalte sowie Gastronomie- und Gewerbebetriebe dabei mitmachen, könnten damit nach Berechnungen des CLW 7,3 Prozent der importierten Nahrungsmittel eingespart werden.
Sparsamer essen heiße aber auch, die Menge der dem Körper zugeführten Speisen insgesamt zu senken. Gerade beim Kochen werde viel Energie verschwendet, etwa "wenn wir Nudeln kochen, obwohl kalte Eierteigwaren denselben Kaloriengehalt haben wie gekochte". Da Hartweizennudel ungekocht automatisch länger gekaut werden, spare das Kochen nicht nur Energie, sondern auch Speisemengen. "Würde hier 30 Prozent länger gekaut, spart Deutschland allein bei Nudeln bis zu 20 Prozent der Gesamtmenge."
"Wir essen zu viel"
Rein rechnerisch entlaste das, das Grundproblem werde so aber nicht gelöst. "Wir essen zu viel", sagt Haase, und meint damit vor allem die Gruppe von Mitbürgern, die ohne Rücksicht auf andere mehr für sich nehmen als jedem Einwohner bei gleicher Zuteilung zustehen würde. Hier erwägt das CLW ein Esslimit: Das sei "eine schnelle Maßnahme, die Nahrungsmittelimporte senke, ohne dass jemand zu wenig zum überleben hätte". Gesundheitspolitisch zudem mit heilsamen Nebenwirkungen: Sänke der Verbrauch an hochveredelten Speisen um etwa 34,6 Prozent, würden Bluthochdruck, Herzkrankheiten und gewichtsbedingte Bewegungsarmut automatisch in etwa demselben Maß zurückgehen.
Neben einem Esslimit käme aber auch dem freiwilligen Verzicht eine maßgebliche Rolle zu. Schokolade, ortsfremde Früchte wie Orangen und Bananen, aber auch Bonbons, Süßspeisen und Lakritz seien zur Lebenserhaltung nicht nötig und in der derzeitigen Gesamtsituation auch "obszön zu genießen". Hier hätte ein problemlos möglicher Verzicht einen durchschlagenden Effekt auf den Verbrauch. Würde in Deutschland nur so viel Schokolade gegessen wie in Portugal, wären 80 Prozent aller Schokoimporte überflüssig.
Verzicht auf obszönen Genuss
Ein Beibehalten von Homeoffice und die Schließung aller Kantinen brächte weitere 13 Prozent Ersparnis, ein solidarischer Verzicht auf vorerst jeden zweiten Genuss-Snack (Nüsse, Bier, Wein) weitere 12,4 Prozent. Hilfreich könnten bei der Durchsetzung auch weiter stark erhöhte Preise für Benzin, Gas, Öl und Diesel sein: Nach Beobachtungen des Bundesfinanzministers geben Bürgerinnen und Bürger ihr gesamtes Geld jeweils nur einmal aus, so dass bereits an der Tankstelle abgeschöpfte Beträge später nicht für andere Anschaffungen ausgegeben werden können.
Verweisend auf Erfahrungen aus der Vergangenheit verweist die Klimawatch-Studie auch auf einen Eintopftag pro Woche und generell fleischfreie Sonntage. Größere Effekte seien hier eher mittelfristig zu erwarten, doch ein schnellerer Essensausstieg hätte auch kurzfristig Effekte. Mit dem Abschied von hohen Nährstoffeinträgen auf den Äckern wären die reichen Ernten der Vergangenheit weitgehend Geschichte, die geringeren Produktionsmengen würde aber bei freiwilligem Verzicht auf übergroße Portionen ausreichen, die Ernährung vieler Menschen autochthon zu gewährleisten. Sogar ein gewisses Bevölkerungswachstum bliebe denkbar, ohne dass der Selbstversorgungsgrad unter 100 Prozent absinken müsste.
Abhängig von Ammoniak
Deutschland, das bisher hauptsächlich von russischen Ammoniak-Importen abhängig war, würde die Chance des von Russland verhängten Ausfuhrverbotes nutzen, um auf natürlich Gründüngung als Ersatz umzusteigen - etwa durch den Anbau von Hülsenfrüchten aus der Familie der Schmetterlingsblütler, die mit Hilfe von Knöllchenbakterien Stickstoff aus der Luft aufnehmen, über die Wurzel im Boden binden und ihn pflanzenverfügbar machen, ohne dass Putin davon profitiert.
Die Lupine zum Beispiel kann mit ihren meterlangen Pfahlwurzeln Nährstoffe und Wasser aus tiefsten Bodenschichten ziehen, sie beansprucht ein Fünftel der Fläche, die eine Kuh samt Futter einnimmt, und sie hat einen neutralen, nur leicht nussigen Geschmack, der außerdem appetitzügelnd wirkt.
1 Kommentar:
Geht auch Russischbrot als Ersatzhandlung?
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