Montag, 7. Februar 2022

Multilinguale Hasswortliste: Sicherer Meinungskorridor für die EU

Offene Drohungen, Beteuerungen, zu hassen "wie noch nie" - in Kürze will die EU wirksame Maßnahmen vorstellen, um solche brutalen und beängstigenden Meinungsverstöße zu unterbinden.

Bisher hatten es die Täter leicht: Wer in Deutschland Hass, Hetze und Zweifel verbreiten wollte, der schrieb auf Finnisch, der nutzte griechische Buchstaben oder das serbische Alphabet. Und schon standen die Meinungsfreiheitsschutzabteilungen beim Bundesblogampelamt (BBAA) im mecklenburgischen Warin, aber auch die seit ihrer Wirkbetriebsaufnahme in den Kampf gegen illegale Ansichten involvierte Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) auf verlorenem Posten. Die Hetzer lachten sich eins, die deutschen Staatsanwälte, die französischen Sondergerichte für Meinungsverbrechen und die EU-Aufsichtsbehörden für zulässige Gedanken drehten Däumchen und schauten in die Röhre.

Im Schutz der Diversität

Ein untragbarer Zustand, auch weil die Feinde der Gemeinschaft deren sprachliche Diversität brutal ausnutzten, um die zuständigen Behörden Mal um Mal vorzuführen. Ein Zustand, der sich ohne die Einführung einer gemeinsamen Sprache für alle Europäer zu verstetigen. Noch aber ist eine europäische Lösung zur Einigung auf eine künftig gemeinsam zu sprechende Sprache nicht in Sicht, obwohl führende deutsche Politiker bereits haben erkennen lassen, dass sie im Zweifel bereit wären, für eine europäische Lösung das Deutsche preiszugeben.

Bis dahin aber braucht es Zwischenlösungen, wie die EU-Justizminister jetzt eine angeschoben haben. Danach sollen Hass und Hetze in Kürze EU-weit strafbar werden - angeschoben von einer Initiative der EU-Kommission, die alle Mitgliedsstaaten aufgefordert hatte, bei Meinungsfreiheitsverletzungen in den Mitgliedsstaaten nicht mehr wegzuschauen, sondern mit harten Strafe zu reagieren.

Hass als Straftat

Die EU-Justizminister gaben dem Plan nun ihren Segen und vereinbarten, das gemeinsame Ziel anzuvisieren, sogenannte "einschlägige Hasskommentare" in die Liste der Straftaten aufzunehmen, die auf europäischer Ebene definiert, festgelegt und grenzübergreifend verfolgt werden können. Dazu wird der neue Straftatbestand "Hassverbrechen" als sogenanntes "Eurocrime" nach Artikel 83 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eingeführt. Eurocrimes müssen von allen Mitgliedsstaaten mit Mindeststrafen geahndet werden, um Nachahmer abzuschrecken und das Ausweichen notorischer Täter in befreundete Nachbarstaaten  zu verhindern.

Unklarheiten gibt es nach der offiziellen Einigung derzeit noch darüber, wie genau entsprechende Hass-Delikte, Hetzeinträge und Schmähkritikvorwürfe gegen Regierungen von Einzelstaaten oder aber sogar die EU-Regierung in Brüssel  genau definiert werden sollen. Deutschland hatte in den zurückliegenden 15 Jahren mit einem nationalen Alleingang versucht, über insgesamt 16 Verschärfungen der Meinungsfreiheitsschutzvorschriften gegen sogenannte "Äußerer" von "verbaler Gewalt" (Heiko Maas) vorzugehen, die "aggressive Beleidigungen" (Lambrecht) ins Netz stellen oder "verbale Gewalt" ausüben. 

Auf der amtlichen Hasswortliste


Dazu wurde unter anderem eine multilinguale amtlichen Hasswortliste (MAHWL) erstellt, auf der derzeit neben dem "N-Wort" auch "Hurensohn", "Fick deine Mutter“, "ACAP", "Drecksau", "Schwanzlutscher", "Pisser", "krasse Vergewaltiger", "Wichser", "Blödmann", "Partyjugend", "Sozialdemokrat" und "ihr seid alle Scheiße" sowie der der Begriff "Clown" stehen, wenn er auf einen Polizeibeamten gemünzt ist. Zahlreiche Täter hatten sich die öffentliche Verfügbarkeit der MAHWL jedoch zunutze gemacht, um ihre Hassbotschaften am Rande der Legalität entlangzuschreiben: So wurde statt von "Wichsern" von "Wichsenden" gesprochen, man bedrohte Polizisten mit dem Code "ACAT" und griff zu Gewaltankündigungen, die vermeintlich völlig harmlos klangen.

Natürlich ist die Meinungsfreiheit ein sehr hohes Gut", hieß es dazu am Rande der Justizministerkonferenz, "aber gerade in der aktuellen Situation, wo es eine starke Polarisierung der Gesellschaft gibt, kann Hass im Netz bewirken, dass Menschen ihre Meinung nicht mehr äußern." Um das zu verhindern, seien die Mitgliedstaaten gefordert, einen sicheren Meinungskorridor zu definieren, außerhalb dessen es auch Internet keine Straffreiheit gebe. Wissenschaftliche Studien hätten gezeigt, dass Hassreden im Netz zu realer Hasskriminalität und Übergriffen führten, weil enthemmte Bezichtigungen mit Begriffen wie "Steigbügelhalter", "Rädelsführer", "Rattenfänger" der "Nazi" zu einer permanenten Eskalation der Gefühlslage führen. 

Im sicheren Meinungskorridor

Bundesjustizminister Marco Buschmann hat den EU-Plan zur Definition sicherer Meinungskorridore im Netz begrüßt. Online-Hass sei ein gezielter Einschüchterungsversuch, sagte der FDP-Politiker. Damit verstoße der Äußerer von Online-Hass gegen die Prinzipien der offenen Gesellschaft, die vorsehen, dass jeder grundsätzlich angstfrei seine Meinung sagen könne, solange er sich an die staatlichen Vorgaben bei der Wortwahl halte. Alles andere aber seien Straftaten, gegen die Polizei und Justiz  mit Schwerpunktstaatsanwaltschaften wie in Nordrhein-Westfalen oder Hessen oder "durch die Einrichtung von Sonderdezernaten gegen Hatespeech wie in Bayern" (Buschmann) strikt vorgehen müssten.

Wenn EU-Parlament und der Europäische Rat im Rahmen des Vorhabens der Kommission verbildliche Richtlinien über Mindestvorschriften für entsprechende Straftaten, Wortlisten zu verbotenen Begriffen in allen 27 Mitgliedssprachen und einen allgemeingültigen Strafkatalog für Hetze, Hass und Zweifel  festlegen, ergäbe sich für Deutschland zwar kein gesetzgeberischer Anpassungsbedarf, weil die aktuell geltenden Strafvorschriften gegen Hetze und Hasskriminalität als so vorbildlich gelten, dass sich selbst Despotien wie die Türkei daran orientieren. Aber mit "einer einheitlichen europäischen Lösung" für die Echtzeitaufsicth über alle sozialen Netzwerke, wie sie mit dem Digital Services Act (DSA) geschaffen werden soll, werde es möglich sein, mutmaßlichen Meinungsverbrecher "noch konsequenter und wirksamer zu begegnen. 

 Beweise aus der Cloud

Wichtiger Bestandteil der Verfolgungsstrategie ist die EU-Vorgabe, in der geplanten Richtlinie zu elektronischen Beweismitteln in Strafsachen (E-Evidence) eine Zugriffspflicht für Strafverfolger auf alle Daten in Cloud-Speichern festzuschreiben. Meinungsverstoßer müssten dann damit rechnen, Polizei, Staatsanwaltschaft und Schnellgerichten selbst die Belege für begangene Untaten zu liefern, weil das Internet nichts vergisst.


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…


Ein Staat, der Brötchenklau- oder Schwarzfahromas einknastet, Importschläger aber mit Bewährung verhätschelt, ein solcher Staat kann mich nicht mehr vom Recht überzeugen, der kann mich nur noch mit brutaler Gesetzesgewalt zwingen.

Werden alle exotischen Schwerkriminellen demnächst begnadigt und entlassen, um freie Zellen für Pöbler oder Häzer zu bekommen, wie es hier genannt wird?

Enger gespannte Maulkörbe könnten den zurecht aufgestauten Hass gegen die Verantwortlichen der Dauergängelung übrigens eher in den Aktionismus treiben denn verhindern. Oder will man mehr grobe Straßengewalt, um die Zwangsjacken danach noch straffer ziehen zu können?

Da reicht dann schnell ein Kratzer am hochglanzpolierten Auto-Fetisch, um den bislang trägen Michel dafür die Todesstrafe fordern zu lassen.

Schöne neue Welt. 1984 in 2022.

Freut euch drauf, denn bald gibt es im Bioladen das Soylent Green sicher auch in den Moderfarben blutrot und eitergelb.

Hmm ... lecker, der für die saubere Gemeinsamkeit pünktlich zur Essenszeit plötzlich gestorbene Opa.

Anonym hat gesagt…

https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/103019_Massnahmenpaket_Hasskriminalitaet.pdf?__blob=publicationFile&v=1

Funktionale Analphabeten am Werk.
Das ist sicher der entscheidende Abschnitt:
Für eine wehrhafte Demokratie und eine starke Zivil- und Bürgergesellschaft bedarf es
einer finanziellen Verstetigung der Förderung auf hohem Niveau.

Carl Gustaf hat gesagt…

Es gibt den, nicht strafbaren, gesunden Hass. Und es gibt den, strafbaren, krankhaften Hass. Hatte Nancy Faeser doch alles schon erklärt. Die Feststellung, was unter gesunden Hass und was unter krankhaften Hass fällt, obliegt dann dem Bundeshassbeauftragten, den Olaf Scholz frühestens erst nach seinem Selbstfindungstrip in die USA wird bestellen können.

Jodel hat gesagt…

Ich bin schon auf die finnische Liste gespannt. Ich mag den Sound dieser Sprache einfach.
Endlich kann ich dann richtig finnisch fluchen. Danke EU, ihr macht uns das Leben jeden Tag leichter. Tomppeli sind schließlich immer die anderen.