Donnerstag, 27. Januar 2022

Er weiß nicht, was er sagt: Onkel Joe im Faktencheck

Langsam stellt sich medialer Konsens ein: Ja, die Russen werden einen Krieg vom Zaun brechen. Fast herrscht schon Vorfreude in den Redaktionen, denn Corona ist auserzählt.

Es tritt keine Ruhe ein an der Medienfront,an der um die Deutungshoheit über Lage im nahen Osten gekämpft wird. Vor Ort passiert nichts, seit zwei Monaten stehen westlichen Berichten zufolge "rund 100.000 Soldaten" in "Grenznähe". Seit den ersten Nachrichten aber hat sich die Tonart deutlich verändert, in der Russland angegriffen wird. Das ist nun nicht mehr Militärmacht, die eigene Truppen auf eigenem Territorium versammeln darf, wo immer sie will. Sondern Aggressor, Erpresser, ein demnächst Einmarschierender, weltkriegssüchtig und lebensmüde aus enttäuschter Liebe zu seiner Vergangenheit als gewaltiges Imperium.

Weltkriegssüchtig und lebensmüde

Eine Übung, bei der das Publikum der sprachlichen Verschärfung wie in Zeitlupe zuschauen kann. Der ukrainische Botschafter ist jeden Tag im Fernsehen. Die Lage in der Ukraine bleibt immer "angespannt", ehe sie sich erneut "verschärft", ohne dass irgendetwas geschehen ist. Außer, dass ein deutscher Vizeadmiral seinen Job verliert, weil er bei einem Auslandseinsatz ungeschickt angedeutet hat, dass das ganze Theater um den bevorstehenden Einmarsch der Russen auch nicht mehr als Theater ist. Dann ziehen die ersten Staaten diplomatisches Personal aus Kiew ab. Andere folgen, als seien Panzerketten und das Geschützfeuer von Kiew aus schon zu hören. Die Nato verstärkte ihre Truppenpräsenz. Und Schweden lässt Panzer abschreckend über die Insel Gotland rollen.

Der amerikanische Präsident, dem bei Betrachtung der Gesamtsituation sicher nachgesagt werden darf, dass ihm das Säbelrasseln in Übersee angesichts seiner innenpolitischen Erfolglosigkeit und seiner desaströsen Beliebtheitswerte-Mitgliedsländer nicht allzu unrecht kommt, hat nun auch mitgespielt. Nur Stunden nach einem denkwürdigen Auftritt, bei dem der abgebrühte Demokrat einen Journalisten nicht etwa als "Scheißkerl" (Die Zeit), sondern als "stupid son of a bitch", also als "dämlichen Hurensohn" bezeichnet hatte, legte der 79-jährige Führer der freien Welt mit einer bizarren Warnung aus seiner märchenhaften Innenwelt nach.

Die größte Invasion seit dem Zweiten Weltkrieg

Ein russischer Angriff auf Ukraine könnte "größte Invasion seit dem Zweiten Weltkrieg" werden, sprach er Befürchtungen aus, die fast schon hoffnungsvoll klangen. Biden begründete seine Warnung mit der "massiven Truppenpräsenz in der Nähe der Grenze", allen Nachrichten zufolge ein "Aufmarsch", der seit November "rund 100.000" Mann unter Waffen an "fünf Standorten nahe der Grenze zur Ukraine" (Tagesspiegel). Grenznähe heißt hier 50, 100 und sogar 150 Kilometer von der Grenze entfernt, nicht wie die Formulierung suggeriert, in Sichtweite.

Aber wenn den Fahne weht, ist der Verstand gerade auch bei den Medien in der Trompete. Bei Joe Biden augenscheinlich sowieso, denn der Mann, der im März 2003 im Senat dafür stimmte, in den  Irak einzumarschieren, um Saddam Hussein zu stürzen, hat den damaligen Waffengang heute komplett vergessen. Der Faktencheck zeigt: Um die von Biden vorhergesagte "größte Invasion seit dem Zweiten Weltkrieg" über die Bühne zu bringen, müsste Wladimir Putin aus seinen "rund 100.000 Soldaten nahe der Grenze" mindestens dreimal so viele machen, denn unter dem Kommando des damaligen US-Präsidenten George W. Bush waren 2003 mehr als 300.000 Männer am Irak-Feldzug beteiligt gewesen.

Der größte Quatsch seit dem Hurensohn

Weiß Biden es nicht besser? Oder weiß er es nicht mehr? Oder ist es egal, weil immer stimmt, was der US-Präsident sagt? Weil als Wahrheit vertrieben wird, was immer aus dem Weißen Haus an Unsinn quackert? Wäre Bidens Vorgänger Donald Trump noch im Amt, hätten ihm die deutschen Medien seinen irren Invasionsvergleich zweifellos im Chor um die Ohren gehauen. Faktenchecker und Faktenfüchse wären noch in der Nacht aus ihren Stellungen zum Sturm auf die Falschnachricht angetreten, zweifellos hätte sich da und dort sogar ein gutes Wort für Putin eingeschlichen, umhäkelt mit dem Aufruf an die damalige Kanzlerin, dem Demiurgen aus Amerika mit einer gemeinsamen EU-Position in den Arm zu fallen.

Bei Biden aber nichts davon. Dieselben Medien, die Bidens "dämlicher Hurensohn" sanft als "dummer Scheißkerl" übersetzen, um den Führer der freien Welt ein bisschen vor sich selbst zu schützen, lassen die "größte Invasion" als nächsten Versuch gelten, Endzeitstimmung heraufzubeschwören. Es sei "zunächst nicht klar" gewesen, "ob sich Biden mit seiner Aussage spezifisch auf Europa bezog, denn beim US-geführten Einmarsch im Irak waren 2003 deutlich mehr Soldaten zum Einsatz gekommen" heißt es denkbar dürr und rücksichtsvoll in der Meldung der Nachrichtenagentur DPA, die deutschlandweit gleichlautend für Wehrhaftigkeit und das Rechnen mit dem Allerschlimmsten trommelt. 

Ein "zunächst" für immer

Beim "zunächst" bleibt es dann natürlich für immer:  Niemand fragt nach, nicht mal daheim. Niemand hat Zweifel daran, dass ein Mann, der sich womöglich keine 20 Jahre zurückerinnern kann, der Richtige ist, die Demokratien der Welt in den Dritten Weltkrieg zu führen. Fast schnuppert es schon ein wenig nach Vorfreude in den Redaktionen, in denen der übliche mediale Konsens sich auch diesmal wie von selbst hergestelt hat: Corona ist auserzählt. Die Sache mit der Geldentwertung, den Schulden bis zum Himmel und der Klimarettung viel zu widersprüchlich und kompliziert für überschaubare Kommentare mit klar ausgezeichneten Guten und Bösen. Also ja, die Russen werden einen Krieg vom Zaun brechen. Das wird richtig fürchterlich.


7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

die Selbstgeißelungsdomina ist gut vorbereitet - es ist ja doch feel mär Schuld als gedacht .

"Dudenfeindlichkeit ist auch immer ein Angriff auf die Sprache - ist diese erst einmal im Schlamm des Relativismus steckengeblieben kann man beschuldigen ,anschwärzen und denunzieren - Dinge behaupten und politisch korrekte Geschichtskosmetik betreiben " .

Bernd gedenkt heute den deutschen Soldaten die Europa gegen den Bolschewismus verteidigt haben .

Anonym hat gesagt…

'Reuters konnte die Authentizität der [Satelliten-]Bilder zunächst nicht unabhängig verifizieren.'

Veröffentlichen kann man sie erstmal, und kein Faktenchecker in Sicht, der dumme Fragen stellt.

Sauer hat gesagt…

Der alte Joe weiß natürlich um die Verschlagenheit des Russen: Je weiter entfernt von der Grenze der seine Streitmacht zusammenzieht, desto finstereres hat er vor. Joe weiß nämlich, daß bei einem Weitspringen nicht der gewinnt, der aus dem Stand springt, sondern der der einen langen Anlauf nimmt. Joe hat nur in einem unrecht: Es wird nicht die größte, aber die schnellste Invasion werden. Gut, daß Ukrainer nun stabile, frischlackierte Helme aus Deutschland haben, an denen sich der Russe die Zähne ausschlagen wird, egal wie schnell er kommt.

Anonym hat gesagt…

Merz und seine cdu Kreaturen kriechen den yankees ganz tief in den Allerwertesten .

Bläckrock eben

Anonym hat gesagt…

das was die Systemlinge im Bunzeltagg abliefern grenzt an Verarsche

Jodel hat gesagt…

Vielleicht hat der gute Joe auch nicht die Antwort auf einen russischen Angriff gemeint, sondern die Invasion der Russen selbst. Wenn die auch die 100.000 Mann, die schon das sein sollen, nochmal schlanke 200.000 Soldaten draufpackt, dann passt das. Das da noch gar kein Faktenchecker draufgekommen ist?

Nur am Rande, die Verlegung von schwedischen Panzern nach Gotland finde ich militärisch einfach super. So muss man das machen. Hochmobile Fahrzeuge auf einer kleinen Insel zusammenpferchen. Wenn die Russen jetzt von St. Petersburg aus nach Stockholm und von Kaliningrad nach Malmö übersetzen, haben sie schon zwei von nur drei Bevölkerungszentren im Sack. Wenn die Schweden dann ihr Kernland verteidigen wollen, müssen sie eine hochriskante amphibische Anlandung an der eigenen Küste auf die Beine stellen und das noch unter der wohlwollenden Begleitung der russischen Flotte. Einfach Brillant.
Wenn man nur eine Sekunde glauben würde, Putin würde wirklich das eigene Land angreifen, haben sie ihm mit dieser hirnrissigen Aktion den roten Teppich ausgerollt. Leichter kann man es einem Aggressor nicht machen. Macht hoch die Tür, die Tor macht weit. Seit der Schlacht von Zama sollte man eigentlich mitgekriegt haben, das Truppen in der Ferne, so siegreich sie auch sein mögen, keinen Pfifferling wert sind, wenn der Feind an die eigene Haustür klopft.

Jetzt wird es dringend Zeit das wir unsere Hand voll noch fahrender Panzer nach Fehmarn verlegen. Wenn der Russe dann zum Atlantik durchbricht, gehen die wenigstens nicht kaputt. Wenn die Russen dann im Ärmelkanal baden, können wir die Landung in der Normandie an der Ostseeküste nachstellen. Mit so einem genialen Schachzug rechnen die nie. Das wird mindestens so erfolgreich wie der Angriff der Armee Wenck.

Gernot hat gesagt…

Biden darf das, er ist ja Demokrat und nicht Nazi.