Sonntag, 30. Januar 2022

Besetzungscouch: Ein sozialdemokratischer Doppelschlag

Andrea Nahles und Yasmin Fahimi: Zwei schon gescheiterte SPD-Politikerinnen sind wieder da
Zwei Rückkehrerinnen konnten bei der Neuordnung der Republik für zwei kleidsame Posten gewonnen werden.

Zwei Frauen, zwei schnell Gescheiterte, aus hohen Ämtern abgetaucht in die Unsichtbarkeit eines Privatlebens, das so nie geplant gewesen war. Und auf einmal erstehen sie auf wie Phoenixinnen aus der Asche, bereit zum Sprung von der Hinterbank zurück ins pralle politische Leben einer Republik, die, so würde es Andrea Nahles formulieren,  wäre sie SPD-Vorsitzende geblieben und nun Kanzlerin, "vor großen Herausforderungen steht".

Neue Visitenkartenposten

Ist es nicht ein Wunder? Kaum war Armin Laschet, der gescheiterte CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat der Union, mit einem Visitenkarten-Posten bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates davon abgehalten worden, hinter den Kulissen querzuschießen in der nun allergrößten Oppositionspartei, ergaben sich auch für ehemals führendste Sozialdemokratinnen blitzblanke neue Karrierechancen. 

Andrea Nahles, die das Amt als SPD-Chefin erst im Sommer vor zweieinhalb Jahren verloren, seitdem aber mit dem Posten der Präsidentin der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation (BAnstPT)  bereits adäquaten Versorgungsersatz gefunden hatte, wird nun Chefin der weltläufigen Bundesagentur für Arbeit. Ihre ehemalige Kollegin Yasmin Fahimi hingegen, kurzzeitig Generalsekretärin der früheren Arbeiterpartei (Willy Brandt), schlüpft nun in die Rolle der Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Neuland zu beackern

Es wird für die beiden ehemaligen Spitzengenossen Neuland werden, das da zu beackern ist. Weder Nahles noch Fahimi hatten bisher im Leben irgendetwas mit Arbeit im herkömmlichen Sinne zu tun. Fahimi, studierte Chemie und war zwei Jahre lang wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Stiftung Arbeit und Umwelt der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Nahles studierte Germanistik und Politik und jobbte nebenher für einen Bundestagsabgeordneten.

Näher dran ans Arbeitsleben der Normalbevölkerung kamen beiden Frauen nie, denn wenig später schon gerieten Nahles und Fahimi in Kontakt mit den Talentehäschern der SPD. Die betrieb unter Bundeskanzler Gerd Schröder tief unten im Keller des Willy-Brandt-Hauses in Berlin ihr sogenanntes "Labour", ein Geheimlabor, in dem zielgerichtet Führungspersonal aufgezogen, ausgebildet und fit für den Umgang mit der Macht gemacht wird. 

Über einen geheimen Tunnel mit dem Strand des Landwehrkanales verbunden, versperrt eine Stahltür mit Warnaufschrift normalen Parteimitgliedern den Zugang zu einem versteckten Nebengang: Das ist der Ort, an dem sie alle herangezogen, ausbildet und fit für jede Art von Macht gemacht wurden, die Nahles, Fahimi, Barley, Lambrecht, Bas, Özoğuz, Faeser, Schulze und Geywitz.

Beispielhafte Funktionärinnenkarrieren

Von Ausnahmen abgesehen, die von den Ausbildern allerdings durchaus geduldet werden, sieht eine Funktionärskarriere zwingend vor, dass ein Studium des rechts, der Germanistik oder der Politikwissenschaften wenigstens zu beginnen ist. Ins echte Leben hineingeschnuppert wird dann während der Ausbildung als Helfer im Ostbüro eines bewährten Bundestagsabgeordneten der Partei. Händische Arbeit soll dagegen möglichst vermieden werden, ebenso übertriebenen enger Kontakt zu Kreisen aus Straßenbauarbeiterinnen, Stahlkocherinnen, Feuerwehrleutinnen oder anderen Gewerken, in denen mit viel Muskelaufwand Geld verdient werden muss.

Distanz halten, gerade zu den Bevölkerungsgruppen, die der Betreuung und Bevormundung bedürfen, sich nicht gemein machen mit dem gemeinen Volk, dem man später ja doch immer wieder mal etwas zumuten muss, um Seuchen zu besiegen, das Klima zu retten oder den Russen in die Schranken zu weisen. Das ist ein wichtiges Grundanliegen der Nachwuchsakademie der SPD, deren beste Talente aus den Jahrgängen 65 bis 75 eben im Begriff sind, der neuen Normalität nach den bleiernen Merkel-Jahren ihren Stempel aufzudrücken. 

Vorstand und Beistand

Mit Yasmin Fahimi, deren Ehemann ebenfalls engagierter Gewerkschaftschef ist, und Andrea Nahles, die einen Teil der gesetzlichen Vorschriften für die ehemalige Bundesanstalt für Arbeit noch selbst geschrieben hat, zieht ein neuer Wind ein im Zusammenspiel von Staat und Arbeiterorganisationen. Behinderte der Staat Aufbau und Selbstorganisation der Werktätigen einst bedenkenlos im Dienst des Kapitals, steht er heute nicht nur an ihrer Seite der Genossen Gewerkschaftler, sondern ihnen sogar vor und - dafür ist Andrea Nahles zuständig - bei.

In der Assiette der SPD-Nachwuchsakademie gegart, haben alle diese Funktionärsfrauen kein Privatleben, keine dunkle Seite, keine zweifelhaften Vorlieben, keine umweltschädlichen Angewohnheiten. Sie sind voller Moral, aufopfernd um "mehr Solidarität in der Gesellschaft", umfassende und wahrheitsgetreue Information, für Meinungsvielfalt und Meinungsstreit, Toleranz unter Andersdenkenden und ehrliches Ringen um gemeinsame Lösungen sorgen, vor einem Mangel daran warnen und gelernt haben, sich in den Endmoränen der Parteibürokratie immer wieder neu zu erfinden: Mal als Ministerin für dieses, mal als Amtschef dort, als Generalsekretär oder Vorständlerin und bei Twitter.



2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Es war doch Frau Nahles, die als Arbeitsministerin befohlen hat jeden Kleinstbetrag bei Harz 4 Empfängern rigoros einzutreiben. Da wurden dann 68 Millonen Euro ausgegeben um unter 30 Millonen einzutreiben. So jedenfalls meine Erinnerung. Da ging es meistens um 2 - Stellige Eurobeträge.

Jodel hat gesagt…

Mit so ganz richtiger Arbeit werden es die beiden Grazien auch weiterhin zum Glück nicht zu tun bekommen. Dankenswerterweise konnten für die beiden enorm gut bezahlte Pöstchen gefunden werden, die sich nicht gerade durch Stress oder enormen Arbeitsaufwand auszeichnen.

Die Eine muss ab sofort 12x im Jahr ein Kärtchen vorlesen, dass ihr ein untergebener Lakai reicht, um die Nation über die gerade aktuelle Anzahl der nicht Werktätigen zu informieren.
Den Rest der Zeit kann man damit verbringen, sich selbst wichtig zu finden.

Die Andere muss alle zwei, drei Jahre "Streik, Ausbeutung, faire Teilhabe am Gewinn aber nicht am Risiko, Arbeitsplatzgarantie und weniger Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich" in die hingehaltenen Mikrophone plärren. Dann wird nach ein paar Warnstreiks ein Vertrag mit 3,5 % Lohnerhöhung unterschrieben und die mehrjährige Ruhephase, in der im großen und ganzen nichts zu tun ist, setzt wieder ein.

Diese feinen Posten haben sich diese beiden Grazien nach ihrer selbstlosen Malocherei im politischen Betrieb mehr als verdient. Bravo, endlich wurden einmal die Richtigen bedacht.