Tagesschau: Spannende Märchen über Russland und China

Sie hat mit Herz und Hand und harten Worten gegen den Brexit gekämpft, schon lange ehe er Wirklichkeit wurde.Sie hat ihn für unmöglich erklärt, für ein Hirngespinst, das alle ihre Bekannten ablehnen. Als er dann wahr war, war Boris Johnson schuld, ein Mann, den sie nicht leiden kann, was in Zeiten des Gesichtzeigens kein Hinderungsgrund für einen deutschen Spitzenjournalist:Innen ist, ihn zum dauernden Gegenstand der eigenen Meinungsbeiträge zu machen.  

In vorderster Front für die Wiedervereinigung

Annette Dittert jedenfalls, für ihre - damals noch des Lobes volle - Berichterstattung über Polen mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt, streitet als Großbritannien-Korrespondentin der Tagesschau an vorderster Front für die Wiedervereinigung Europas: Auch wenn sie in London steht und Himmelsrichtung Festland schaut, ihre Klassenposition ist unverrückbar festgemauert: Downing Street treibt wieder quer, das Königreich wird untergehen, alle, die für den Brexit waren, werden das noch bitter bereuen und Brüssel dann anflehen, warme Decken, Kekse und Gitarren über den Hungergebieten abzuwerfen.

Dittert, 2006 mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet, hat Corona im hotspot London knapp überlebt, den Briten aber nie verziehen, dass sie dem alten Europa die kalte Schulter zugewandt haben. Allerdings ist das Verhältnis der herausragendsten Journalismuspreisträger des Gemeinsinnfunks zur Wahrheit stets ein taktisches: Wird ein Russland-Beitrag gebraucht, in dem es um das allmähliche Aussterben des Landes durch Putins verbrecherische Corona-Politik geht, stehen Menschen mit Masken, leere Straßen und verzweifelte Ärzte im Mittelpunkt. 

Unmittelbar im Anschluss gilt es, die Gefühle zu wechseln: In Uganda, einem durch schwere Versäumnisse des Westen bisher weitgehend ungeimpfter Armutlandstrich in Afrika, ist endlich das mobile multimediale Musiklabor aus Regenburg eingetroffen, das endlich dafür sorgt, dass die Hungernden und Armen einmal eine Tuba und ein Saxophon kennenlernen und abwechselnd in selbe Mundstück blasen können. Stauend sieht der Zuschauer ein Wimmelbild aus Einheimischen. Ohne Maske. Ohne Abstand. Ohne Kommentar. Corona ist in Afrika besiegt. Durch Tanz und Musik.

Die 2G-regel des Gemeinsinnfunks

Die goldene 2G-Regel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sie wirkt hier unübersehbar. Berichtet wird, was gerade gebraucht wird. Bei Annette Dittert ist es in diesen Tagen der Klimakonferenz im "schottischen Glasgow" vor allem irgendein Grund, warum es wieder nicht klappen wird mit dem weltweiten CO2-Ausstieg ab Anfang Dezember. 

Und siehe da, wo ein Wille ist, findet sich auch ein Schuldiger: "Die verschärfende, sich offen verschärfende Spannung zwischen Russland und China" sei es, die die Aussicht "auf echten Fortschritt" beider zweiwöchigen Großkonferenz im nach Unabhängigkeit strebenden britischen Norden verhinderte, hat Dittert den Zuschauerinnen und Zuschauern der "Tagesschau" gerade mitgeteilt, exklusiv, denn von solchen Spannungen war bisher nirgendwo die Rede.

Erfundene Spannung 

Sondern im Gegenteil: Russen und Chinesen rückten demonstrativ näher zusammen, sie suchten den Schulterschluss gegen den Westen, erklärten sich zu "strategischen Freunden" (Deutschlandfunk) und machten gemeinsam Front auch gegen den Klimakampf der fortschrittlichen Nationen, indem Wladimir Putin und Xi Jinping dem Gipfel in Glasgow demonstrativ fernblieben.

Ein Fake, wie Annette Dittert jetzt aufgedeckt hat. Die "verschärfende, sich offen verschärfende Spannung zwischen Russland und China" ist von London aus mit Händen zu greifen, auch wenn sich die gesamte Weltpresse derzeit noch weigert, die Lage realistisch einzuschätzen und über diese Sollbruchstelle im Weltklimagefüge angemessen zu berichten.  Annette Dittert kennt solche Rücksichten nicht, sie legt den Finger in die Wunde, die zwischen Xi und Putin klafft und die treue Zuschauergemeinde der bedeutendsten Nachrichtensendung Deutschlands nimmt es wie Manna vom Himmel.

Nun sind sie eben da, die Spannungen

Mehr als tausend Kommentare hat die "Tagesschau"-Sendung bislang gesammelt. Beunruhigte und unzufriedene sind darunter, weil es mit dem Klima zu schnell und mit dem Energieausstieg zu langsam geht, es äußern sich belustigte Zuschauer und es werden Begehrlichkeiten deutlich, was ein "Hard-Rock-Cafe Tschernobyl"-T-Shirt anbelangt, das ein Wegbegleiter von Greta Thunberg auf dem gemeinsamen Segeltörn von Stockholm mit nach Glasgow gebracht hat.

Die Nachricht über die "verschärfende, sich offen verschärfende Spannung zwischen Russland und China" aber, die am Grab aller Klimabemühungen der zivilisierten Welt stehen wird, sorgt für keinerlei Aufsehen, nicht beim Publikum und auch nicht bei der Faktenchecker-Division der "Tagesschau", einem bekanntermaßen besonders kampfstarken Eliteverband, dem es unter Führung des Faktencheck-Erfinders Patrick Gensing sogar schon gelungen ist, Witze als gar nicht wahr zu enttarnen.