Wer mit Zahlen, Grafiken oder Statistiken lügen will, hat einige grundsätzliche Regeln zu beachten, um nicht sofort aufzufliegen. Einerseits ist es möglich, Zahlen ohne jeden Bezug zu präsentieren. Statt Werte aufwendig in einen Kontext zu stellen und sie damit einzuordnen, bevorzugen es Kenner, sie einfach mit dem Zusatz "weniger als" oder "mehr als" zu versehen. Bei Grafiken lassen sich zeichnerisch Wertungen setzen, die mit den abgebildeten Werten nichts zu tun haben. Und bei Statistiken hat es sich eingebürgert, den sogenannten Torero-Effekt zu nutzen: rechts winkt ein rotes Tuch, auf das alle schauen. Links wird gelogen, ohne dass es jemandem auffällt.
Lügen von links
Das Portal Statista, neben der Danachrichtenagentur DPA eine der
Hauptquellen der von deutschen Medien weitergegebenen Informationen, hat
es zu bewundernswerter Meisterschaft bei der Manipulation mit Daten
gebracht, die eine
unsinnige Interpretation nahelegen, weil sie auf einem Fehlschluss beruhen. Wer hier lange hinschaut, wird zweifellos glauben, was im vorgemacht wird.
Im klassischen Demagogiefach "Lügen mit der Wahrheit" gilt es als recht einfache Übung, einen "Torero" zu bauen, wie Medienstatistiker und -grafiker den Vorgang nennen, bei dem mit vermeintlichen Fakten absurde Beweise geführt werden. Beispielhaft zeigt sich das aktuell in der Statista-Grafik "Netto-Zuwachs der Kohlekraft verringert sich", die den in Deutschland gewünschten weltweiten Kohleausstieg nach deutschem Vorbild in Zahlen nicht findet. Und ihn deshalb mit einer Muleta, also einem sinnbildlichen roten Torero-Tuch, von diesem Umstand ablenkt.
Meister des Lügenfaches
Statista-Autor Matthias Janson zeigt sich als Meister seines Faches, wenn er ausführt, dass "weltweit immer noch neue Kohlekraftwerke gebaut" würden, "doch es werden auch Kraftwerke vom Netz genommen". Wichtig ist hier die Reihenfolge: Dass der Bau von Kohlekraftwerken am Anfang steht, die Stilllegung anderer aber darauf folgt, hinterlässt den Eindruck, dass die Anzahl betriebener Kohlekraftwerke weltweit sinke. Diesen Schluss legt auch die Formulierung vom "sinkenden globale Netto-Zuwachs an Kohlekraft in den letzten Jahren" nahe.
Eine Methode, die wirkt. PPQ.li hat 22 Testleserinnen und Testleser gebeten, ihren Eindruck zu schildern. 17 waren nach Studium der Grafik (oben) der Ansicht, dass Kohlekraftwerke weltweit ein Auslaufmodell seien. Dazu trügen insbesondere Stilllegungen in den USA und China bei, auch habe China ja laut Statista verkündet, dass es "keine neuen Kohlekraftwerke im Ausland mehr bauen wolle" und das sei ein "wichtiger Baustein hin zu einer kohlefreien Energieerzeugung in China".
Vergleiche Unvergleichbares
Dass der Bau von Kohlekraftwerken im Ausland und die kohlefreie Energieerzeugung im Inland zwangsläufig nur recht wenig miteinander zu tun haben können, ist ein weiterer, gut versteckter Torero, dessen Muleta der nachgeschobene Satz ist: "In Deutschland werden seit vielen Jahren keine neuen Kohlekraftwerke mehr gebaut." Aber hier geht es um den Eindruck, mit dem Statista-Eigentümer Ströer Media einer mehr als gefühlten staatsbürgerlichen Verantwortung nachkommt. Mit der Bundesregierung teilt sich der Werbevermarkten das Eigentum an Deutschlands erfolgreichstem Nachrichtenportal T-Online, mit der Hamburger Wochenzeitschrift Die Zeit teilt man sogenannten content erzieherischer Art. Gemeinsam haben alle den Wunsch, die Wirklichkeit durch Darstellung gefügig zu machen.
Deutschland vor, China hinterher, ein unbezahlbarer Eindruck. Deutschland trägt mit einem Anteil von unter einem Prozent an der weltweiten Kohleproduktion bei, China fördert mehr als die Hälfte der globalen Kohle.Wenn China also Deutschlands Beispiel folgt, dann wird alles gut. Wäre da nicht der störende Fakt, dass die Gesamtzahl der weltweit betriebenen Kohlekraftwerke nach wie vor wächst - deshalb ja die Formulierung, dass "der Netto.-Zuwachs abnehme". Das ist faktisch richtig, meint aber nur, dass die zunehmende Zunahme abnimmt, sich also das Tempo des Neubaus von Kraftwerken nicht mehr erhöht.
Von Abnahme keine Rede. Auch 2020 wurde ein Drittel mehr neue Kohlekraftwerke in Betrieb genommen als alte Anlagen abgeschaltet wurden.
5 Kommentare:
Da geht es auch im Text drunter und drüber.
Zuletzt hat China verkündet, keine neuen Kohlekraftwerke im Ausland mehr bauen zu wollen. Dies wurde einem Medienbericht zufolge als wichtiger Baustein hin zu einer kohlefreien Energieerzeugung in China gewertet.
Wenn im Ausland keine Kohlekraftwerke gebaut werden, wird dadurch die Energieerzeugung in China nicht kohlefrei.
Im Gegenteil. Der 'Medienbericht':
In China selbst, dem mit Abstand weltgrößten Kohlenutzer, sind aktuell 88 Gigawatt Kraftwerkskapazität im Bau und weitere 158 Gigawatt geplant.
Dem Chinesen unterstellt man gern allerlei Verschwörungen, weil man ihn global-strategisch für nicht so unbedarft hält wie unsere Anführer.
Vielleicht wollen die Chinesen einfach die teurer werdenden Brennstoffe lieber selbst verbrennen statt internationalen Konkurrenten die Öfen dafür zu bauen.
Chinas Zentralregierung hat die wichtigsten staatlichen Energieunternehmen des Landes - von Kohle über Strom und Öl angewiesen, um jeden Preis die Versorgung für diesen Winter zu sichern.
https://www.institutional-money.com/news/maerkte/headline/china-weist-energiekonzerne-an-versorgung-um-jeden-preis-zu-sichern-210201/
die wahrheit ist die magd der botschaft. aber ehrlich: die stelle mit dem ausland fand ich auch sehr apart
OT Lachen mit Fefe
Fefe über die Impfung von 5-11 jährigen:
Von den gebildeten Antikörpern her wirkt die Impfung vergleichbar wie bei Erwachsenen, auch gegen Delta.
Sind also (bestenfalls) nutzlose Antikörper das Impfziel?
Der Danisch ist klüger, der hält sich bei dem Thema raus.
aenderung 28. Oktober 2021 at 10:04
manchmal denke ich. besonders bei den deutschen, das leben ist die Krankheit vor dem tot.
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Faßt mit kund'ger Hand im Nacken / Paul und Peter bei den Jacken / und verklopft sie so vereint / bis es ihm genügend scheint.
Das ist aber doch schon hohe Schule. Normal ist (kommt in jeder Projektbesprechung vor): "Wo steht ihr?" mit der Antwort "Es geht gut voran." Oder wie der Mathematiker sagen würde: Die Frage nach dem Funktionswert wird mit der erste Ableitung beantwortet. Hier wird die Frage nach der ersten Ableitung mit dem Verlauf der zweiten Ableitung beantwortet. Das ist echter Fortschritt.
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