Mittwoch, 13. Oktober 2021

Ein traditionelles deutsches Gericht: Unabhängigkeit

Unabhängigkeit ist ein traditionelles badisches Gericht, das in Berlin allerdings nur kalt serviert wird.

Man kennt sich, man mag sich, man ist sich beruflich immer wieder begegnet, hat sich beschnuppert, Vertrauen zueinander gewonnen und schließlich beschlossen, dass man besser zusammenarbeiten kann, wenn man sich die gemeinsame Arbeit teilt. In einem Land, in dem einer Umfrage zufolge rund 100 Prozent der Bürgerinnen und Bürger keinerlei Vorstellung haben, durch welch ein kompliziertes Verfahren des Setzens, Losens und Durchwinkens durch die führenden Parteien des demokratischen Blocks die Richterinnen und Richter des höchsten Gerichts in ihre Ämter geraten, gestaltet sich die praktische Umsetzung der Verwandlung eines treuen CDU-Parteisoldaten in einen unabhängigen höchsten Richter zum Glück recht unkompliziert.  

Bundesweite Transportketten

Die Partei der Kanzlerin schlägt ihn vor, nach ausgiebigen geheimen Beratungen im Hinterzimmer, weil die Partei der Kanzlerin damit gerade dran ist. Die anderen Parteien, die abwechselnd anschließend wieder dran sein werden, stimmen zu, weil ihre Vorschläge ja auch wieder auf die Zustimmung der Kanzlerinnenpartei angewiesen sein werden. Wer mitmachen will im Ernennungskartell, muss mitmachen, ist dann aber auch für immer dabei wie derzeit CDU, CSU, FDP, Grüne und SPD. Nach 16 Jahren Merkel im Kanzleramt sind alle deutschen Verfassungsrichter handverlesen, keiner unter ihnen, den oder die die Frau im Kanzleramt nicht abgenickt hat. 

Ganz anders als in Polen, wo das höchste Gericht von der Regierung besetzt wird und nach Informationen des sozialdemokratischen Pressedienstes RND vom Rechtspopulisten Jarosław Kaczyński direkte Anweisungen empfängt, wie Urteile wann auszufallen haben, ist Karlsruhe trotz einer gewissen früheren Verbundenheit einzelner Kammerchefs in die Bundesländer und nach Berlin in seinen Entscheidungen völlig frei. Wenn die Beurteilung der Grundrechtsmäßigkeit der Corona-Maßnahmen eben acht, 16 oder 44 Monate langes Nachdenken erfordert, dann ist das so. Niemand würde deshalb unterstellen, dass jemand aus Berlin in Karlsruhe angerufen hat, um zu bitten oder gar anzuweisen, mit einem verfrühten Urteil nicht Wasser auf die Mühlen der Leugner, Zweifler und Kritiker zu gießen. 

Unabhängigkeit in Grundrechtsträgerkreisen

Niemand muss das, denn Unabhängigkeit versichert man sich in deutschen Grundrechtsträgerkreisen eher gemütlich im persönlichen Gespräch, etwa bei einem Abendessen im Kanzleramt, bei dem die Justizministerin als Verteidigerin in eigener Sache schon einmal darauf plädieren darf, alles richtig gemacht zu haben mit den rechtswidrigen Maßnahmen, Lockdowns, Verboten und Auflagen. Aufmerksam lauschen die höchsten Richter des Landes, unerbittlich in ihrer Unabhängigkeit, die sie nicht zuletzt damals bewiesen, als als sie kurzerhand Teile des neuen Hufbeschlagsgesetzes für verfassungswidrig erklärten. 

Nein, diese Frauen und Männer sind mit einer Suppe, einem Drei-Gänge-Menü und einem Aperitif kein bisschen auf Regierungslinie umzustimmen wie ihre polnischen Kolleginnen und Kollegen. 

Austausch der Verfassungsorgane

Die, so berichtet es der in Berlin zuweilen spöttisch "Reichsnachrichtendienst" genannte RND, hätte der dortige Staatschef Kaczyński ganz einfach veranlassen können, kein EU-widriges Urteil oder ein anderes oder es später zu sprechen. Aber er habe nicht gewollt!  In Deutschland ist es andersherum: Angela Merkel würde auf den letzten Metern ihrer historisch einmaligen Kanzlerschaft schon gern, dass ihr das Bundesverfassungsgericht nicht schon wieder den einen oder anderen Verfassungsbruch bescheinigt. Aber sie konnte eben nur den für die Entscheidung über den dafür zuständigen Richter treffen, ihn mit dem Präsidentenamt ausstatten, ihn zum Essen einladen und ein bisschen über die Sache plaudern.

Alles andere würde doch selbst den gewieftesten Faktenfuchs überfordern. So üblich es ist, dass Richter und Beklagte sich vor jedem Urteilsspruch zum Abendessen treffen, ohne dass der Kläger eingeladen ist, so "normal und sinnvoll" BR) ist der "Austausch zwischen Verfassungsorganen", deren "zeitlose Aufgabe" (Harbarth), die Verfassung zu schützen, nur gemeinsam gelingen kann. Eine Institution wie das BverfG, die nach eigenem Bekunden "höchstes Ansehen" (Harbarth) genießt, ist womöglich nicht mehr neutral, steht aber mit seinen wegweisenden Entscheidungen auf der richtigen Seite der Geschichte.

Wenn also die Justizministerin in kleinem Kreise  eine "vorsichtige Erläuterung politischer Rationalitäten und Entscheidungsverfahren" etwa zur Bundesnotbremse vornimmt, "ohne daraus in irgendeiner Form etwas vom Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf konkrete Urteile zu erwarten", dann ist das gänzlich unproblematisch, so lange sie gleichzeitig mehrfach betont, dass die Bundesregierung keineswegs direkte Hilfe vom BverfG erwarte. Deutsche Medien haben hier schnell Einigkeit hergestellt: Nun, da die EU die Bundesregierung verklagt, damit die ein Urteil des Verfassungsgerichtes für ungültig erkläre und zurücknehme, braucht Deutschland nicht polnische Verhältnisse, sondern Solidarität zwischen allen, die es gut meinen. 

Vielleicht könnten Merkel, von der Leyen und Harbarth einfach mal zusammen essen gehen, in aller Unabhängigkeit.

 


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

der (((deutschlandfunk))) erklärt weshalb die "Energiewende" alternativlos ist .

der brd -Staat verabschiedet sich aus der Industriepolitik , der Mischel schaut zu

Die Anmerkung hat gesagt…

https://www.rubikon.news/artikel/das-gelegenheitsfenster

Auch wenn der Corona-Putsch geschickt arrangiert war, können wir die Krise nutzen, um die Lügen der Eliten aufzudecken und das Ruder herumzureißen.

von Ernst Wolff
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Auweia. Sitzen wir etwa im selben Boot?

Jodel hat gesagt…

Man vergesse auch nicht all die weiteren herrlichen, fast demokratisch legitimierten und absolut unabhängigen Institutionen, Vorgänge und Bestimmungen die es in unserem schönen Land gibt.

Ministerpräsidentenkonferenz, Kultusministerkonferenz, Fernsehräte, Fraktionszwang, Koalitionsvertrag, Kohleausstiegskommission, Ethikkommission, Rückgängigmachung der Wahl eines Ministerpräsidenten, Aussetzung der Grundrechte wegen Corona und Klima usw. usf. Mein absoluter Liebling ist die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarf der Rundfunkanstalten. Da trieft die Unabhängigkeit aus jeder Pore. Auch die super transparente Wahl zum Bundespräsidenten. Ein urdemokratisches Schmankerl aus Deutschland. Und erst die, für einige Ewiggestrige etwas überraschende, Wahl Frau von der Leyens zur Kommissionspräsidentin der EU. Da wird das Volk noch mitgenommen und steht nicht staunend daneben. Oder anders herum, ich vertue mich da manchmal. Das Hinterzimmer ist ein Meister aus Deutschland und keinen juckt es.

Niemals nicht wird dies so thematisiert, dass dies evtl. ein klitzekleines Problem darstellen könnte, bezüglich Demokratie, Gewaltenteilung oder wer hier eigentlich der Souverän ist. Alle diese Rädchen drehen sich doch nur zu unser aller Wohl. Und sie drehen sich immer schneller.

Das heute alles entscheidende Kriterium ist nicht mehr, was jemand tut, sondern wer etwas tut. Die einen machen immer alles supi-dupi richtig, die anderen reiten immer alles in die Grütze. Wenn Polen eine sozialistische Regierung hätte, würden die Änderungen am Verfassungsgericht und dessen Entscheidungen beklatscht und bejubelt werden. Aber diese verstockten Ostblockler leisten sich einfach ungefragt eine rechte Regierung. Diese muss per se immer alles komplett falsch machen und entscheiden. Ich würde nicht das Geheul hören wollen, wenn die AfD Herrn Harbarth in sein Amt befördert hätte und diesen dann vor einer wichtigen Entscheidung zu Wein und Häppchen ins Kanzleramt gebeten hätte.

Hoffen wir also, dass der noch verstockte Teil der Welt endlich zur Besinnung kommt und auch beschließt das nur an unserem Wesen alles genesen kann. Wir sind doch nicht umsonst alleiniges Vorbild für den Umgang mit allen nur erdenklichen Problemen die da kreuchen und fleuchen. Es wird Zeit das dies endlich auch mal umgesetzt wird.