Wer, wenn nicht jetzt? |
Luftbrücke Jetzt. Mietbremse Jetzt. Klimaschutz Jetzt. Bus und Bahn kostenlos - jetzt! Und Das alles jetzt erst recht, denn es ist Wahlkampf und der Augenblick entscheidet. Wann also, wenn nicht jetzt? Laschet punkte jetzt als "Teamplayer" (Tagesschau), Olaf Scholz sorgt jetzt dafür, dass die Digitalisierung klappt. Saskia Esken, eine spröde Büroklammer der Politik, ist jetzt zu allem bereit, so es denn nur den ersehnten Ministerposten bringt. Friedrich Merz, ein Mann von Vorgestern, ist jetzt im "Zukunftsteam" (Bild). Und die FDP hat sich jetzt noch nicht entschieden, ob sie die Republik wirklich vor Rot-Rot-Grün retten wird. Oder doch lieber darauf spekuliert, dass jetzt alles noch viel schlimmer werden muss, damit es eines Tages besser werden kann.
Die Parole der großen Paniker
Mit dem "Jetzt" auf ihren Plakaten, in ihren Büttenreden, Talkshowauftritten und Interviews formulieren Politikerinnen und Politiker eine Dringlichkeit, die Nachfragen zuverlässig ausbremst. Wie all die großen Paniker der Geschichte benutzen sie die Countdown-Strategie: Die Zeit, sie läuft immer unbarmherzig ab. Die Zukunft, sie muss gleicht, sofort, eben jetzt gerettet werden, soll es sie überhaupt noch geben können. Nichts weniger als der Braunkohleausstieg Ende der Woche, die Verwandlung des ganzes Landes in ein Paradies, in dem vor jedem Haus zu jeder Zeit ein Bus hält, und ein entschlossener Umbau der viertgrößten Industrienation zu einem Büllerbü, das sich von Bioraps und sauberer Luft ernährt noch ehe der Morgen graut, ist Versprechen und Ziel.
Dabei kommt den Versprechern eine Besonderheit der menschlichen Sprache entgegen, die keine klare Definition von "Jetzt" kennt. Im Alltag meint das Wort irgendetwas zwischen Gegenwart unmittelbarer Gegenwart und direkt bevorstehender Zukunft, das Adverb beschreibt nach wissenschaftlicher Definition "eine zeitliche Spanne mit einem im jetzigen Augenblick liegendem Zielzeitpunkt". "Ich gehe jetzt", bedeutet danach, dass der Ankündiger einen Moment später nicht mehr da sein wird. "Ich rauche jetzt " heißt, dass die Zigarette glimmt oder zumindest gerade angezündet wird. "Ich wasche mir jetzt die Hände" sagt jemand auf dem Weg zum Wasserhahn oder mit nassen Händen.
Die politische Vokabel Jetzt
Allerdings unterscheidet sich der politische Gebrauch der Vokabel davon so grundsätzlich wie Joe Bidens Versprechen, ein Ende des amerikanischen Einreisebannes für Europäer sehr schnell zu prüfen, von einem Ende des amerikanischen Einreisebannes für Europäer. Das politische "Jetzt" der Baerbock, Laschet, Wissler, Esken, Scholz und Co. ist kein "Jetzt" im Sinne des Augenblicks, sondern die imaginäre Umschreibung für ein zeitlich völlig unbestimmtes Irgendwann, das durchaus auch ein Nirgendwann sein kann.
Jetzt hat im politischen Raum eine irritierende, aber zugleich auch imponierende Dimensionslosigkeit. Auf Plakate gedruckt, in Talkshows verklappt oder in Interviews apodiktisch in den Raum gestellt, bezeichnet "Jetzt" nicht nur einfach ein nicht ganz genau bestimmtes Zeitintervall zwischen vergangener Zeit und unmittelbar eintretender Zukunft, sondern vielmehr etwas Metaphysisches jenseits der Gegenwart, in der alle Ereignisse stattfinden. Eben noch jetzt als Augenblick, gewinnt das Wort in Sätzen wie "Wir müssen jetzt handeln" oder "Wir müssen jetzt aussteigen" eine Bedeutung weit über Tag, Woche oder Jahr hinaus.
Das ewige Spiel mit der Zukunft
Es ist ein transzendentes Wort, das ganz einem wolkigen Wannauchimmer verpflichtet ist. Jeder weiß, dass ein Braunkohleausstieg so wenig wie eine Elektrifizierung der Eisenbahn oder das Ende des Verbrenners "jetzt" zu haben ist, jeder weiß auch, dass jeder das weiß. Ein "Klimaschutz jetzt" oder das linke Versprechen von Bussen und Bahnen, die nicht nur überall und jederzeit und kostenlos fahren, sondern das "jetzt" sofort tun, sind Märchen, geboren aus der Hybris politischer Allmachtsträume und zur Welt gebracht mit der Hebamme "Jetzt", die eben nicht das Jetzt meint, das der Mensch aus seinem Alltag kennt, sondern dessen politische Propagandaausformung, nach der unter "jetzt" alles zählt, was nicht gleich passiert.
Wer jetzt auszusteigen verspricht, hat das überhaupt nicht vor. Wer ankündigt, jetzt zu handeln, wird die nächsten Monate wie immer gar nichts tun oder doch zumindest gar nichts erreichen. Jetzt in politischen Propagandaschlachten ist schließlich immer morgen, es ist dann, wenn es ist. Aber keinesfalls jetzt.
4 Kommentare:
Also die mit der Luftbrücke wähle ich definitiv nicht. Ich dachte, dass man 'jetzt' auf Lastenfahrräder umstellen sollte.
Frau Hirsch aus Freiburg ruft beim "deutschlandfunk" an .
sie hat da mal die Polizei gerufen ; Grund : ein Campingbusfahrer steht in ihrem Naturschutzgebiet wo sie doch so gerne achtsam ökologistisch die Rehe angucken tut .
aber grundsätzlich gilt : "WIR haben PLATZ"
also : die politisch nicht organisierten Unterschichten haben Platz.
anakademisierte Hausfrauen mit Tagesfreizeit rufen gerne mal die Polizei wenn "ihr" Verfügungsraum von Pinnebergern besetzt wird ( ausgerechnet Pinneberger - vermutlich hamburger Ökolehrer ).
zwischen swingerclub und sm Treff kümmert sich das Stasipersonal um die bösen Camper . und ja : wir haben Platz .
( "es ist eben einfach too much" meint die Anruferin ) .
wir leben im Land der Arschlöcher .
was Bernd aber nicht stört -
>> Paedokratie 8. September 2021 at 11:57
So so…Amos Hochstein…
Ich brauche den Namen gar nicht zu googeln…hab es doch getan. War nicht überrascht.
Es sind immer die Gleichen. <<
PIPI-Strang "Spezialkontrolle" - Merkelwürdigerweise keine entsprechende Replik bisher.
Cobardes. O ignorantes.
"jetzt" wirkt modern.
Dinge passieren jetzt , Sofortness - überall . Nicht auf den latte mackiato warten sondern sofort genießen . jetzt Genießerpunkte sammeln und achtsam in die Punktesammelapp reinsammeln.
jetzt den Weltuntergang verhindern - mir der Weltuntergangverhinderungsäpp .jetzt kommt die Friederike , hat jetzt aber keine Zeit weil sie sich doch jetzt bei den Freidaykindern engagiert .
jetzt beim "deutschlandfunk"
jetzt . das Analysetool. was ist Hassmail . was nicht . Hassmailbeobachter sind Akademiker mit Niwo. Mit der ki arbeiten - jetzt mit der ki arbeiten und böse Hassmails entdecken .HassentscheiderInnen filtern jetzt den Hass ausm netz . In echt . In Echtzeit - jetzt .
"Hassbewältigungsstrategien" die heute , also : jetzt den Hass filtern ; "was auch noch ganz wichtig ist ....Flut von Hass und Hetze kann die Diskussionskultur vergiften" immer wieder neue Aufgaben für die linksliberale Elite .
und die Sprache - eine achtsam-emphatische lala-Lenersprache . Irgendwie voll lieb ,achtsames Liebsprech ,konfliktfrei , jetzt die konfliktfreie Liebsprechdialektik erlernen .
ich bin Lener, deine Sprachäpp , jetzt können wir über dein Problem sprechen .
aus :"wie uns die Achtsamkeits-ki zu besseren Menschen macht " 333 S. persi dünndruck. Kleinschriftverlag Bremmsgau im Hochtaunus .19.99
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