Sprache wandelt sich, vor allem in den Medien: Kunstbegriffe wie "Bürger:innen" und Codes wie "N-Wort" setzen sich unaufhaltsam durch.
Auf einmal sind sie überall, die Produkte einer Code-Industrie, deren gesellschaftsverändernde Kraft ansetzt, wo der Mensch Gedanken mit seiner Umwelt zu teilen versucht. Was vor nicht ganz einem Jahrzehnt selbst in aufgeweckten Hauptstadtkreisen als durchgeknallter Trend galt, firmiert mittlerweile unter dem Begriff "Ethik unserer Sprache", wie es die Frankfurt:innen Rundschau nennt. |
Ein Thema, das auch im Wahlkampf bewegt wie kaum ein anderes, zumindest in den Großraumredaktionen der Leitmedien und den Schneideräumen der Gemeinsinnsender. Unlösbare Konflikte sind hier zu bewältigen, denn immerzu stellt die Geschichte widersprüchliche Aufgaben: Wenn Martin Luther King in einer Rede gesagt hat, "nut one hundred years later the Negro still is not free", dann übersetzte man das jahrzehntelang als "aber einhundert Jahre später ist der Neger immer noch nicht frei" ins Deutsche. Was nun nicht mehr geht, denn nach allen Informationen, die öffentlich zur Verfügung stehen, ist Kings Wortwahl eine "Reproduktion rassistischer Sprache" (Taz), die "Betroffene retraumatisiert und herabwürdigt".
Luther Kings Verfehlungen
Um das zu verhindern, ist Luther Kings "Negro" zum "N-Wort" geworden, einer codierten Umschreibung des tatsächlich Gesagten, zu der sich eine ganze Reihe weiterer geheimer Vokal-Ballettfiguren gesellen. Es gibt das "M-Wort" und das "S-Wort", das "R-Wort", das "Z-Wort" und das "P-Wort" und allen ist gemein, dass niemand sie aussprechen soll, diese Voldemorts der zwischenmenschlichen Kommunikation, die drohen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu zerstören.
Dagegen hat es Regeln in der regelbasierten Freiheit der Mediendemokratie, in der selbstverständlich alles gedacht, gesagt und auch geschrieben werden darf, was strafbar ist. Nur gehört es sich eben nicht, "sich für den
rationalen Diskurs über eine diverse Gesellschaft disqualifizieren" (FR),
indem man darauf beharrt, Worte benutzen zu dürfen, nur weil deren Gebrauch nach keinem Paragrafen der Strafprozessordnung verboten ist. den "Rassismus der Alltagssprache" treibt das urbane Bionadebürgertum sich selbst mit Hilfe einer Kunstsprache aus Bindestrichworten aus, wobei der Terminus "Rassismus" selbst in einem Bindestrichwort wurzelt, das eigentlich "nur noch bei Haustieren" (Deutsche Welle) angewendet werden sollte.
Konsens im Schanzenviertel
Aber nicht alles geht gleich, geht heute und hier, und jahrhundertelang gebrauchte Begriffe sind selbst dann schwer "auszumerzen" (Franz Müntefering), wenn in Berlin Mitte, in Leipzig-Connewitz und im Hamburger Schanzenviertel längst Konsens darüber besteht, dass diese Buchstabenkombinationen dazu dienen "offenen und latenten
Rassismus mit angeblichen natürlichen Gegebenheiten zu begründen und
damit eine moralische Rechtfertigung zu schaffen".
Neue Umschreibungen für alte Hetzbegriffe sind noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen, doch das "N-Wort" ist ja auch noch keine zehn Jahre alt. Damals entwarf es die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) im Rahmen eines internationalen Ideenwettbewerbs der Uno zum künftigen Umgang mit "unakzeptablen" Bezeichnungen, der anknüpfte an Bemühungen in den USA, aus Luther Kings falschem N-Wort-Gebrauch zu lernen. 1976 war die 1926 begründete "N-Wort-History-Week" dort in "S-Wort-Hiytory-Week" umbenannt worden, 1985 schließlich verwendete ein Richter am höchsten Gericht der USA den Term ein letztes Mal.
N vorn, Iger hinten
Seitdem ist das ursprünglich vom lateinischen N-Wort mit N vorn und -iger hinten als N vorn und -egro hinten ins Spanische und Portugiesische eingesickerte amerikanische N-Wort mit der ursprünglichen Bedeutung "schwarz" ersetzt worden durch das Wort "black", das im Deutschen ebenfalls "schwarz" heißt, hierzulande aber nach den Coderegeln der korrekten Rücksichtnahme groß geschrieben werden muss. Schwarze Menschen sind nicht nur am Satzanfang darauf angewiesen, mit einem großen "S" Respekt erwiesen zu bekommen, sondern auch mitten im Satz.
Eine schlichte Geste der Höflichkeit wie früher der Knicks bei Hofe, die zwar alle Regeln der deutschen Rechtschreibung ignoriert, aber jahrhundertelange Verfolgung keineswegs gutmachen kann. Dazu braucht es mehr und deutlichere Zeichen, denn solange M-Wort und N-Wort in Deutschland noch "in bestimmten Kontexten verwendet werden" (jetzt.de) darf, ist die gesamtgesellschaftlich angestrebte "Nicht-Verwendung" (FR) infragegestellt.
Die Schwierigkeit beim konkreten Kampf gegen das N-Wort liegt in dessen Unaussprechlichkeit, die es verbietet, überhaupt zu sagen, was es ist, gegen das so leidenschaftlich gestritten wird. So gilt der Kampf gegen Luther Kings ins deutsche übersetzte Bezeichnung offiziell stets dem Verbot von dessen codierter Umschreibung "N-Wort": Dieses, auch "N*Wort" geschrieben, gilt als "immer abwertend und rassistisch", einer Petition zufolge verbinden "Schwarze
Menschen den Begriff mit viel Leid, Diskriminierung, Gewalt,
Ungleichheit".
Die Stadt Köln, beladen mit einer Geschichte über jahrhunderte institutionalisierten R-Wortissmus im am Rhein so beliebten Karneval, hat als erste weltweit bereits im vergangenen Jahr Konsequenzen gezogen. Der Rat der Stadt entschied, "dass die
Verwendung des N*Wortes rassistisch ist" und
deshalb "jegliche Verwendung des N*Wortes in der Stadt Köln" vermieden werden muss. Das notwendige "kritischen
Entlarven des N-Worts" (Stephan Hebel) ist damit an sein natürliches Ende gelangt.
6 Kommentare:
Man fragt sich, wieso noch keiner der hochstudierten, weitgereisten Kosmopoliten darüber gestolpert ist, dass es bei Haustieren in der Anglophonie noch nie 'Rassen' (race) gab.
Die Beschränkung des Wortes 'Rasse' auf Tiere ist provinziell und, ja natürlich, rassistisch und entlarvend. Der Deutsche kann von der Rasse einfach nicht lassen. Nazi!!
Rassen nennt man 'breed', also Zucht im Sinne von Zuchtlinie. Die revolutionäre Chance, die Rasse im Deutschen endgültig zu begraben, wird nicht gesehen.
Im Englischen freilich hat man 'race' noch als Rennen an der Backe. Da ist wohl noch etwas mehr Spachinnovation nötig.
@ Anonym: Aufrichtigen Dank für dieses, man wird alt wie eine Kuh, und lernt immer noch dazu.
Kennt jemand olle Dikigoros? Er schrub, als Polyglott² - Lateinisch "niger" wäre mit sehr kurzem "i" ausgesprochen worden, also - räusper ...
Würde zu auch Piper (Pfeffer, mitnichten Pfeifer) passen, also "pipper".
Noch einen zu Dikigoros, bei allen Meinungsverschiedenheiten. Er erwähnte, daß 1948, bei einem der Nachfolgeprozesse zum Nürnberger ~, von den edlen und selbstlosen amerikanischen Befreiern höchstamtlich festgestellt wurde: Daß der Lebensborn eine stinknormale weltliche karitative Einrichtung gewesen war, mitnichten eine Arierzuchtanstalt, auch, daß die n i c h t im Osten systematisch blonde Kinder geklaut haben. (((Atze Brauner))) sah das ein paar Jahre später zwar anders, oder gab solches vor ...
Schon putzig, wie sich die auf Pipi zerlegen wegen Hamburch.
Wat geit meck dann an.
Wat geit meck dat an. Scheixx Autokorrektur. Künstliche Nichtintelligenz.
Piper (Pfeffer, mitnichten Pfeifer)
"Mors" bedeutet ja auch auf Latein etwas ganz anderes denn auf Plattdeutsch ...
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