Der alte Osten, er steckt hier in der DNA, die in DDR-Schulen als DNS gelehrt wurde. |
Geht es nach den deutschen Medien, die ihren Erziehungsauftrag durchweg aus den durchdemokratisierten Regionen des alten Westens wahrnehmen, geht es bei diesen Wahlen um eine Richtungsentscheidung. Will der vor 30 Jahren durch die beherzte Hilfe der alten Bundesländer vom Joch des Kommunismus befreite Osten anerkannt werden als Landstrich, der allmählich lernt, wie man sich als guter Demokrat zu verhalten hat? Was man sagt, denkt und wählt? Wie man richtig zu empfinden hat? Oder will er bockbeinig darauf beharren, dass das allein seine Sache sei? Und sein gutes Recht sogar, „teilweise in einer Form diktatursozialisiert" zu sein, dass er "auch nach dreißig Jahren nicht in der Demokratie angekommen“ sein müsse. Soweit das bedeute, wählen zu sollen, was er nicht wolle.
Bockbeinige Diktaturkinder
Das muss er aber, denn aus dem politischen Berlin und den beobachtenden Sendeanstalten gesehen, handelt es sich bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt keineswegs um den Versuch, festzulegen, wie ein deutsches Bundesland in den kommenden vier Jahren regiert werden soll. Nachhaltig oder doch mit Autoverkehr? Ohne Kohle oder ohne Geld? Oder mit neuen Windrädern, noch höher und effizienter für die Investoren?
Das sind nicht die Fragen, die der endlose Zug an Politikprominenz zu beantworten suchte, der in den beiden letzten Wochen vor dem gefürchteten Tag X trommelnd und schellenschlagend durch die Landschaft reiste, um Fabrikanlagen zu eröffnen, wackere Wissenschaftler beim Forschen zu beobachten und sich im Lokalfunk zwischendurch optimistisch zu zeigen, wie toll die Landschaften an der sprichwörtlichen Straße der Gewalt nun doch schon blühen, sobald das Wetter besser wird. Sie sind auch nicht Interessenschwerpunkt der Karawane von Berichterstattern, die wie immer einmal in vier Jahren schwefelschnuppernd und nach Opfern suchend durch die Furche kriechen, um den Verletzungen von Land und Leuten nachzuspüren. Auf Safari in Salzwedel. Schau dir nur diese Neger locals an! Kochtopfszenen aus Memleben. Wie im Kongo!
Die Nachbeben sind das Wichtigste
Nein, Wahlen im Osten sind wichtig vor allem für den Westen. Man sieht dann, wie viel Nachholbedarf die armen Ossis immer noch haben. Wie wichtig es ist, die Erziehung nicht schleifen zu lassen. Sie abzuholen und mitzunehmen, auf das sie keinen Schaden anrichten mit ihren eigensinnigen Sprüngen auf den Bockbeinen der Diktatur. Denn es sind die gefürchteten "Nachbeben in der Bundespolitik" (SZ), die die Aufmerksamkeit der politischen Klasse und ihrer schreibenden und filmenden Wegbegleiter auf das Land der Roten Laterne richten. Was wichtig ist an Sachsen-Anhalt? "Die CDU braucht am Sonntag einen deutlichen Erfolg, um Schaden für Kanzlerkandidat Laschet abzuwenden", hat die Süddeutsche Zeitung festgelegt.
Ja, die "Wahl in Sachsen-Anhalt wird zum Pulsmesser für Deutschland " (NZZ) und es ist an dem 67-jährigen Landesvater Reiner Haseloff, nach einem Jahrzehnt im Amt zuletzt der Verzweiflung nahe, als Einmann-Armee im Rentenalter die Demokratie retten. Bedrängt nicht nur von einer demokratisch legitimierten Partei, die zu wählen nach einer Analyse des CDU-Ostbeauftragten Marco Wanderwitz einem Verrat an der Demokratie gleichkommt. Sondern auch von einer Phalanx an Spitzenkandidatinnen der teils koalitionären, teils randständigen Parteien, die ein Sound eint, der zwischen aufgeregter Hektik und stupender Demagogie changiert.
Weiter so irgendwohin
Sicher ist, dass Haseloff weiterregieren können wird. Reicht es nicht mit zwei Koalitionspartnern wie bisher, wird sich ein Dritter finden. Je bunter, desto moderner. In jedem Fall ein Sieg für die Zivilgesellschaft. Das vor einem Jahr kurzzeitig in eine faschistische Diktatur zurückgefallene Thüringen steht zudem für die praktikable Möglichkeit, alternativ in einer informellen Koalition mit allen Parteien außer den Schwefelbrüdern zu regieren. Im Grunde genommen ein Modell für immer, denn das ist am sichersten. Haseloffs nächste fünf Jahre in der Magdeburger Staatskanzlei sind also genau so sicher wie die ersten vier seines Parteichefs Armin Laschet im Kanzleramt - schafft der große Versöhner es, allen alles zu versprechen, ohne konkret zu werden, sind ihm 30 Prozent sicher. Zum Mitregieren findet sich dann schon jemand. Das Magdeburger Modell.
Wenn das Jammertal also wieder mal abstimmt, geht es vor allem um die Frage, ob sich die Anstrengungen des besseren Deutschland im Westen gelohnt haben, die Schwestern und Brüder nach dem eigenen Bilde zu formen. Steht das "Bollwerk der Mitte", als dass die CDU sich im Wahlkarneval verkleidet hat? Welches sind diese "jungen Ideen", die die SPD gegenüber "alten Rezepten" (SPD) künftig bevorzugen will? Was genau bedeutet das Wort "Stabilitätsanker", das sich die Grüne auf den letzten Metern noch von der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) haben liefern lassen? Die Linkspartei, bis heute rechtsidentisch mit der alten SED, gesellschaftlich aber seit Jahren im Abklingbecken endgelagert, verspricht, dass die sicherste Stimme gegen ein Viertes oder gar Fünftes Reich auch diesmal wieder ein Kreuz für die Linke sei.
Um 18 Uhr fällt der Hammer, ab 18 Uhr eins melden sich alle Sieger, nacheinander, einer zufriedener als der andere. Sachsen-Anhalt zur besten Sendezeit, auf allen Kanälen, Chefsache! Es hagelt Fingerzeige, Warnzeichen, Wählerwanderungen und wichtige Balkendiagramme. Zwei Tage Nachwehen. Dann zurück zum Hauptprogramm.
1 Kommentar:
>> Der alte Osten, er steckt hier in der DNA, die in DDR-Schulen als DNS gelehrt wurde.
Acid ist doch nicht nur Droge, sondern manchmal auch Säure, Buttersäure, Salzsäure oder Corona.
Kommentar veröffentlichen