Mittwoch, 16. Juni 2021

Fluide Tageswahrheit: Nichts scheint, wie es ist

Nach der Erfindung einer Wahrheit faktenfuchst der Faktenfuchs inzwischen das Gegenteil.

Traurig, aber wahr: Noch Anfang Mai schreckten Corona-Leugner vor gar nichts zurück, um die notwendigen Maßnahmen der Bundes- und Landesregierungen in Abrede zu stellen. Selbst die amtlichen Angaben über die Auslastung der Intensivbetten diente diesen skrupellosen Menschen dazu, "Krankenhäuser zu diskreditieren", wie der Bayrische Rundfunk in einem mutigen Faktencheck aufdeckte. Weniger Intensivbetten, höhere Auslastung, mehr Geld vom Staat. Corona-Leugner warfen Krankenhäusern einen "Abrechnungsskandal" vor. Milliarden seien verpulvert worden, um Geld zu machen. Zynisch beriefen sich die Klageführenden dabei auf offizielle Statistiken des Intensivbetten-Registers, die vermeintlich zu belegen schienen, dass die Zahl der vorhandenen Betten sich im Gleichklang mit der Erreichbarkeit möglicher Zuschusszahlungen bewegte.

Anfang Mai noch "einfach falsch"

Was so offensichtlich schien, war aber Anfang Mai noch "einfach falsch" (BR). Der Faktenfuchs des Gemeinsinnsenders, eine Art öffentlich-rechtlicher Volksverpetzer, ging das "Dauerbrenner-Thema" sachlich an: Die fragwürdigen Figuren, die die angeblichen Skandal gezielt skandalisierten, seien fragwürdige Figuren aus der Leugner-Szen, die Fakten "auf irreführende Art interpretieren". 

Schon dass eine "gelbe Linie" (BR) in "Diagrammen" als Beweis für die These herangezogen werde, dass  Krankenhäuser ihre Intensivbettenbelegung der jeweils geltenden Passage im  Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) angepasst hätten, zeigt, wes' Geistes Kind die Kritiker sind: Zwar hätten Krankenhäuser tatsächlich Ausgleichszahlungen bekommen. Doch hätten sie keineswegs ein "Recht" darauf gehabt, sondern nur die Möglichkeit, durch die Behörden für dieses Recht auf Ausgleichszahlungen bestimmt zu werden.

Die Behauptung, Krankenhäuser hätten sich durch die besonders großzügige staatliche Unterstützung bereichern wollten, war damit als Corona-Märchen enttarnt worden. Kein Abkassieren, kein Profitieren. Kein "Abrechnungsskandal", Stand Mai. 

Die Tageswahrheit aber ist in Pandemiezeiten fluid, sie kann nicht nur, sondern sie wird sich immer wieder ändern, je nachdem, welche Botschaft unter die Leute zu bringen ist. Waren es anfangs die Masken jeder Art, die nichts nützten gegen Viren, die so klein sind, dass sie durch jedes Symbolgewebe schlüpfen, verwandelte sich bald jeder Mundlappen zu einem zuverlässigen Virenschutz.

Nachdem China die Produktion medizinischer Masken hochgefahren hatte, galt das allerdings nicht mehr für die Volksschutzmasken, die den Deutschen eine Rückkehr der Textilindustrie ins eigene Land beschert hatten. Sie galten nun als gefährlich, sicher waren nur noch industriell gefertigte Profi-Lappen. Ausgenommen, sie trugen kein EU-Prüfsiegel.

Gemolkene Muttereuter

Restle war dran, aber dann doch nicht.
Auch das Märchen von den Intensivbetten, die gemolken wurden wie Muttereuter, durchlebte so eine wundersame Wandlung. Der Bundesrechnungshof, bisher jeder Leugungsschwurbelei unverdächtig, äußerte bereits im Januar die Vermutung, dass Krankenhäuser zum Teil weniger intensivmedizinische Behandlungsplätze gemeldet hätten, als tatsächlich vorhanden waren, um dadurch den "für die Gewährung von Ausgleichszahlungen erforderlichen Anteil freier betreibbarer intensivmedizinischer Behandlungsplätze von unter 25 Prozent zu erreichen." Karl Lauterbach, Deutschlands Pandemiegesicht, hilet nun nicht mehr hinterm Berg mit Wissen, über das er natürlich längst verfügte: Die "Art der Abrechnung" sei "eine Einladung zum Betrug" gewesen, kritisierte er, lieber spät als nie. Georg Restle, unerschrockener ARD-Journalist, war auch dran. Bekam die heiße Geschichte von den Leugnern, die richtig lagen, und den Faktenfüchsen, die sich vergaloppiert hatten, dann aber leider nicht ganz rund.

Dass die "Zahlungen des Bunds nicht überwiegend der Aufrechterhaltung freier Kapazitäten für Covid-19-Patienten" dienten, sondern einem "überdimensionierten Krankenhaussektor" half, das Fehlen der zu Normalzeiten normalen "viele unnötigen Krankenhausaufenthalte" auszugleichen, ist der Teil der neuen Wahrheit, der die Kritik als "Aluhut-Theorie" (Tagesspiegel) überlebt hat. Dass die beständige Drohung, jeden Moment könnten die Intensivbetten ausgehen, spätestens im Herbst zur Grundlage der gesamten Pandemiestrategie der Bundesregierung und der Länder wurde, bleibt weiter unerwähnt, eine Entschuldigung ist unnötig.

Berichtigt wird gebührenpflichtig

Berichtigt wird gebührenpflichtig, aber partiell und schmallippig: Der Faktenfuchs-Beitrag "Intensivbetten: Wie Corona-Leugner Krankenhäuser diskreditieren" stelle "den Wissens- und Recherchestand vom 7. Mai 2021 dar" heißt es beim Bayrischen Rundfunk. Die aktuelle Wahrheit fasse ein neuerer Beitrag zusammen.

Der "Faktenfuchs", Leitspruch "Ihr Vertrauen ist uns wichtig",  ist mit dieser Methode unaufhaltsam erfolgreich: Fuchste er eben noch den falschen Fakt der fiesen Leugnerlüge, fuchst er nun eben faktisch die Lüge, dass es sich bei der Lüge momentan doch um keine gehandelt habe. Neuerdings mehrsprachig: Die wechselnden Tageswahrheiten des BR24-Faktenerfinder-Teams gibt es jetzt nicht mehr nur auf Deutsch, sondern übersetzt auch "auf Englisch, Rumänisch, Italienisch, Türkisch, Arabisch und Bosnisch/Serbisch/Kroatisch".


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Corona hat zur Erkrankung eines kleinen Teils der Bevölkerung und zur Gesundung der Krankenhäuser geführt.
Unser örtliches Krankenhäuschen konnte trotz steigendem Personalbestand und sinkenden
Patientenzahlen seit Menschengedenken den ersten Jahresabschluss mit Gewinn vorzeigen.
Ein Schelm wer böses dabei denkt.

Zum Glück für alle wurde im Gesundheitssektor so gut gewirtschaftet, das niemandem etwas weg genommen werden musste. Dieses Schema sollte man über alle Wirtschaftssektoren ausdehnen. Die Landschaften würden landauf landab aber so was von blühen.

Anonym hat gesagt…

Das Hemd ist mir näher als der Rock. Und gegen einen Berg Mist kann man nicht anstinken. Lucri bonus odor est ex re qualibet.

Halbgott in Weiß