Sonntag, 23. Mai 2021

Immunitätsnachweis: Deutschlands Suche nach dem G-Punkt

Gern würde auch Sandra Hartmann (Symbolfoto) sich mal wieder hübsch machen und rausgehen - aber die Regeln für Genesene sind noch immer nicht klar.

I
m Januar erkrankt, im Mai dann die Erleichterung für alle, die es überstanden haben. Lockerungen gelten nun nicht mehr nur für Getestete und Geimpfte, sondern auch für Menschen wie Jens Spahn, Greta Thunberg, Günter Jauch, Jutta Ditfurth und Johannes B. Kerner, die an Covid erkrankt waren und Corona überlebt haben. Gerade in den abgeschirmten Backstagebereichen des Showbusiness und den gates comunities der Schönen und Reichen hatte die Seuche zu Beginn heftig gewütet. Kurz nach dem Startschuss zur Influencerolympiade waren Hollywood-Aktricen und deutsche Volksschauspieler, Tenöre und Torhüter, Tänzer und Ansager reihenweise infiziert worden, das Showgeschäft wurde schlimmer  getroffen als die Slums von Lahore und die hot spots von Köln-Chorweiler. 

Schlimmer als in Chorweiler

Staunend betrachtete damals auch Familie Hartmann aus Thüringen die Leiden der Stars und das Ehepaar fragte sich besorgt, wie es dem neuartigen Lungenvirus ausgerechnet den abgeschottet vom normalen Leben in Villen und Vororten lebenden Besserverdienenden gelingen konnte, sich dermaßen schnell und gründlich auszubreiten. Neun Monate später dann traf es die Hartmanns selbst, sie 38, er 46, beide wurden im November 2020 vom Virus erwischt.  

Nicht asymptomatisch, aber auch nicht sehr schlimm, wie Hartmann sagt. In jener späten Phase der Pandemie, Welle 3 war amtlich ausgerufen, Welle 2 aber noch unterwegs, galt alles Warten dem Starten des Impfturbos in den Impfzentren. Ältere erinnern sich, man diskutierte über das komplette Versagen der EU bei der Impfstoffbestellung, schaute täglich neidisch nach Israel und vor den Fernsehgerichten unter Vorsitz von Karl Lauterbach standen wahlweise der Gesundheitsminister, die Impfstoffhersteller und eine nicht näher bezeichnete EU.

Händewaschen ohne Gesang

Vielleicht sei man damals deshalb leichtfertig geworden, glaubt Herr Hartmann heute manchmal. Man habe auf den Piks gewartet und die Hände womöglich nicht mehr so gründlich gewaschen, wie das von der EU angewiesen worden sei. Er selbst beispielsweise, gibt der gelernte Ingenieur zu, habe das vorgeschriebene Lied zum Händeschrubben "eigentlich nie" gesungen. "Das war natürlich ein bisschen leichtfertig", räumt er ein. 

Dass er und seine Frau sich damals nach den ersten Symptomen beim Gesundheitsamt gemeldet und von seiner Vermutung berichtet, erzählt Roger Hartmann, sei dessenungeachtet Ehrensache gewesen. Von dort sei die Anweisung gekommen, sich in Quarantäne zu begeben. Das habe man auch gemacht und dann beklemmende Tage im eigenen Haus erlebt. "Jeder von uns beiden erwartet ja, dass es jeden Moment ganz viel schlechter wird."

Das Glück des Genesens

Glück im Unglück: Es wurde nicht. Nach dem Ende der vorgeschriebenen 14 Tage war das Kapitel Corona im Haushalt Hartmann beendet. "Abschließend getestet wurde damals noch nicht, wir durften nach den 14 Tagen einfach wieder arbeiten gehen", berichtet Sandra Hartmann. Als es nun hieß, es werde für alle mit G gelockert, egal, ob Geimpfte, Getestete oder Genesene, schnupperten Hartmanns Frühlingsluft. Endlich wieder raus, endlich keine Ausgangssperre mehr, auch mal wegfahren, locker im Umgang werden wie früher!

Wir haben uns sehr gefreut, denn wir hatten große Hoffnungen, dass wir darunterzählen." Zumindest bis zum Termin auf dem Gesundheitsamt, das die Hartmanns kontaktierten, um einen Bescheid über ihre überstandene Covid-Erkrankung zu bekommen. Denn das stellte sich als unmöglich heraus. Erstmal wurde die Unterlagen der beiden Ex-Patienten nicht gefunden. Dann nur die von Herrn Hartmann. Schließlich auch die seiner Frau. "Aber unsere Bitte, uns nun eine Bestätigung auszustellen, dass wir Genesene sind, wurde abgelehnt."

Bescheinigung wird nicht erteilt

Aus übergeordneten Gründen des Staatswohls und der Seucheneindämmung, wie eine Gesundheitsbeamtin mitteilte. Es sei noch nicht klar, welche Vorgaben es für eine amtliche Bestätigung einer Genesung gebe. Man warte noch darauf, welche Anweisungen Landes- und Bundesregierung für die Ausstellung entsprechender Dokumente erteilen, in welcher Form sie ausgestellt werden, mit welcher Gültigkeitsdauer und von welchem Amt genau. 

Wir waren ein wenig entsetzt und auch ein bisschen beunruhigt, dass man sich darüber jetzt erst Gedanken macht", schildert Roger Hartmann seine Gefühle beim Verlassen des Bürgeramtes. Er selbst habe auf einer großen Nachrichtenseite im Internet schließlich schon im Mai 2020 von Plänen gelesen, einen Immunitätsnachweis unter Wahrung aller Persönlichkeitsrechte einzuführen. "Hat denn da seitdem niemand darüber nachgedacht?"

Es wird beharrlich nachgedacht

Nachgedacht vielleicht, aber zu einem Schluss ist im politischen Berlin noch niemand gekommen. Auch zwei Wochen nach dem ersten Besuch der Hartmanns im Gesundheitsamt fehlt dem genesenen Paar ein Papier, das sie als genesen ausweist. Roger Hartmann hat mittlerweile darum gebeten, ihm doch wenigstens die behördliche Anweisung zur Quarantäne zu kopieren und herauszugeben, damit seine Frau und er wenigstens etwas in der Hand hätten, um sich als ehemalige Corona-Patienten und Pandemie-Überlebende ausweisen zu können. 

Doch das wurde abgelehnt, weil es uns auch nichts nützen würde, sagten sie im Amt." Da weder er noch seine Frau nach ihrer Infektion bei einem Arzt gewesen waren, "die Beschwerden waren nicht so und wir wollte ja auch niemanden anstecken", haben beide nicht einmal einen Krankenschein, der eine überstandene Infektion wenigstens mittelbar belegen würde. "Das lief damals nur übers Telefon, unser Arzt sagte, wenn es nicht schlimmer wird, bleiben Sie zu Hause." 

Die neuen Freiheiten, die die Bundesregierung nun als Belohnung für alle versprochen hat, die diszipliniert bei der Pandemieeindämmung mitgemacht haben, empfinden die Hartmanns "ein bisschen wie einen Hohn", wie Sandra Hartmann sagt. Man könne doch mit dem nächsten Biergartenbesuch nicht warten, bis die EU irgendwann einmal eine gemeinsame Lösung für einen EU-weiten Immunitätsnachweis auf Android- und Apple-Handys bringe, die nach wenigen Tagen sicherlich mit dem ersten ernsten Datenleck Schlagzeilen machen werde. "Wir wollen nur eine Bescheinigung über unsere überstandene Infektion", fordert Roger Hartmann, "und wir glauben, das steht uns nach Monaten, in denen wir stillgehalten und keine Sonderrechte reklamiert haben, nun auch wirklich zu."


3 Kommentare:

Navinavy hat gesagt…

Ohne eine amtliche Bescheinigung, dass man/frau/es sich per Impfung gentechnisch hat verändern lassen, wird es außer für Immigranten zukünftig keine Mobilität mehr geben.

Egal, das obrigkeitshörige deutsche Nutzvieh will es ja unbedingt so, um schon morgen genau da weiter zu konsumieren, wo es bis vor Corona-Lockdown den Planeten verdreckt und vergiftet hat. Was bisher über den Warenversand ohne echten Shoppingrausch zu kompensieren versucht wurde, kann demnächst, inshallah, dann auch wieder leibhaftig im Geschäftsgewühl am Ramschtisch genossen werden.

Jubel, Trubel, Heiterkeit, denn von den nächsten Lockdowns zum Schutz des Klimas ahnen diese Haben-wollen-Trottel noch nichts. Darum rasch noch mal kräftig auf die Kacke hauen, bevor's energiesparend richtig dunkel wird im bunt erleuchteten Doitselan.

Und fachmännische G-Punkt-Pfadfinder werden ja auch reichlich importiert, damit unsere Reflutschi-Wällkamm-Blonduschis nicht länger oversexed underfucked frustriert sein müssen.

Es wird also wunderprächtig werden. Fred Feuerstein in seinem Tretmobil führt schon mal die politisch korrekte Innovation unserer zukünftigen Mobilität vor. Lass strampeln, Kumpel. Jappadappaduh!

Anonym hat gesagt…

Ja warum sich nicht.

Jodel hat gesagt…

In 14 Tagen gibt es sicher eine Lösung für das Problem der Hartmanns. Ganz sicher, versprochen und großes Ehrenwort. So läuft es immer.