Oben unterm Dach hat Heidi Häßeler die Pandemie bis heute überlebt. |
Sechs Monate hat Heidi Häßeler hier zugebracht, sechs Monate in den den drei kleinen Zimmern oben in ihrem Haus in Badenstedt, einem kleinen Ort in der Nähe von Wumpe an der Grölle im Münsterland. Nein, unruhig sei sie nie geworden, sagt die 57-Jährige, es habe immer etwas zu tun gegeben, Essen kochen in der kleinen Küche, Handarbeiten, Fernsehen von "Hier nach vier" bis "Dabei bis zwei".
Viel Nachrichten habe sie geschaut, immer interessiert an der Entwicklung an der Seuchenfront. "Die Pandemie war es ja schließlich, die uns gezwungen hat, daheim zu bleiben." Frische Luft ist Häßeler nachts schnappen gegangen, wenn die Straßen leer sind, weil niemand hinaus darf. "Das war zwar am Ende verboten, aber hier in unserem kleinen Dorf kontrolliert das niemand", war sie sich sicher. Das habe sich auch herumgesprochen. Manchmal habe sie dann Nachbarn draußen getroffen, nur von fern mit Abstand und einem zaghaften Handwinken gegrüßt.
Gewöhnung an die Ausnahme
Nach Monat drei, erinnert sich Heidi Häßeler, sei ihr das Leben in der Isolation schon vollkommen normal vorgekommen. "Ich hatte mich dran gewöhnt", sagt sie. Die Kinder, die auswärts wohnen, hätten ihr Netflix installiert und so konnte sie Filme schauen, von denen sie bis dahin nicht einmal gewusst habe, dass es sie gibt.
Jeder zweite Blick aber sei auf die Daten gegangen, die Werte, die über Wohl und Wehe des Landes bestimmten: R-Wert, Inzidenz, Neuinfektionen, Sieben-Tage-Vergleich. Anfangs, berichtet Heidi Häßeler, habe sie noch genau gewusst, warum der R-Wert immer unter 1 bleiben und die Inzidenz keinesfalls über 50 steigen durfte. "Aber je mehr Wellen kamen, desto mehr hat man das so ein bisschen auch vergessen."
Vergessen der eigenen Werte
Nicht nur ihr allein sei das so gegangen. Regelmäßig habe sie "wegen der Kommunikation" mit den Kindern in der Stadt telefoniert, auch mit zwei, drei Nachbarn und Jugendfreunden und ehemaligen Arbeitskollegen aus dem Dorfkrug im Nachbarort bestand Kontakt. "Etwa ab März haben wir dann alle nicht mehr gewusst, wieso jetzt nicht mehr 50, sondern 100 und dann 165 und dann auch 200." In Badenstedt, einer der kleinsten Gemeinden im Landkreis Gödenburg, zu dem Wumpe gehört, habe die Inzidenz zwischendrin sogar einmal bei erschreckenden 1000 gelegen, nachdem ein Einwohner, bei dem es sich wohl,um den früheren Fleischer gehandelt habe, ein positives PCR-Testergebnis bekommen hatte."Da habe ich schon schreckliche Angst bekommen", sagt Heidi Häßeler und sie glaubt, dass es auch den anderen 98 Einwohner im Ort so gegangen sei müsse.
In einem Eintrag in ihrem Corona-Tagebuch, das Häßeler sich gleich beim Ausbruch der pandemischen Lage von nationaler Bedeutung zu führen entschlossen hatte, weil "die Enkel eines Tages mal wissen sollen, wie es uns ergangen ist", fand sie später einmal zufällig einen Eintrag, der die 50 mit den Nachverfolgungsfähigkeiten der Gesundheitsämter erklärte. Bis 50 Infizierte auf 100.000 Einwohner könnten von den Ämter durchleuchtet, Virenwege zurückverfolgt und Ansteckungscluster so ausgemacht und isoliert werden. Als der Wert auf 100 gestellt wurde, sei davon nicht mehr die Rede gewesen. "Auch bei der 165 und bei der 200 nicht."
Stallpflicht nach Anne Will
Die Zahl war nun nur noch eine Zahl, die für sich selbst stand, und die Stallpflicht begründete, die die Bundesregierung hatte verhängen müssen, weil die Intensivstationen nach der "Anne Will"-Sendung Angela Merkels Ende März überzulaufen drohten. Dass es nicht dazu kommen musste, verdankt sich aus Sicht von Heidi Häßeler den klugen Warnungen von Politikern wie Karl Lauterbach, Jens Spahn, Christian Drosten und Sandra Maischberger, aber auch kritischen Fernsehsendungen wie der "Tagesschau", "Tagesthemen" und "Moma". Sie habe sich von dort immer gut informiert gefühlt über den Impfturbo, der seit Ende Dezember für "weiter steigende" Impfzahlen sorge, gesteht Häßeler, die selbst noch kein Impfangebot bekommen hat. "Aber ich rechne bis zum Ende des Sommers damit", sagt sie bescheiden.
Überhaupt ist die kleine Frau mit dem großen Herzen eines der Pandemieopfer, die nicht klagen, keine Benachteiligung reklamieren und nicht einen Opferstatus für sich suchen, um von zusätzlichen Hilfszahlungen zu profitieren. Heidi Häßeler, die seit dem Wellenbrecher-Lockwon von Anfang Dezember so viel für die Gesellschaft und den Gesundheitsschutz aller geopfert hat, drängt nicht auf Öffnungen. Sie schimpft auch nicht darüber, dass die Begründungen für Lockdowns und Öffnungsdiskussionsorgien, für Ausgangssperren und die Erlaubnis, mobile Eiswagen in 50 Metern Abstand von Eisessern zu betreiben, so schnell wechseln, dass selbst der aufmerksamste Zuschauer kaum mehr mitkommt. Die gelernte Verkäuferin sieht nach derzeitigem Wissensstand noch keinen Anlass zur Corona-Entwarnung für den Sommer.
Kann Toni Kroos mit dem Training starten?
Aber das sei kein Beinbruch, sagt sie. Jetzt komme erst mal die Fußball-EM, das fülle auch wieder Zeit. Heidi Häßeler bangt vor allem mit Toni Kroos, der droht, durch eine Corona-Infektion den Trainingsstart der Nationalmannschaft zu verpassen. Danach komme dann Olympia in Japan, hier hat die immer schon sportinteressierte leidenschaftliche Minigolferin sich bis heute schon viele Qualifikationswettbewerbe angeschaut, die die besten deutschen Athleten in den vergangenen Pandemiemonaten an exotische Orte in aller Welt geführt habe, wo es stets um wichtige Punkte, Zehntelsekundenbruchteile und die Untermauerung des Sportförderstatus ging, damit die deutschen Farben in Nippon stolz vertreten werden können.
Heidi Häßeler schaut entspannt auf die kommenden Monate. Sie glaubt an den Impfturbound sie erwartet Rückenwind für die kluge und konsequente Seuchenpolitik der Bundesregierung und der - inzwischen weitgehend entmachteten - egozentrischen Regionalfürsten. "Wenn wir das große Sterben bis zur Bundestagswahl überleben", ist ihre Überzeugung, "dann werden sich dann auch sehr viele Menschen dankbar dafür zeigen, dass wir auf diese Pandemie so gut vorbereitet waren und so viele so richtige Entscheidungen getroffen worden sind."
8 Kommentare:
Jaja, die lieben netten bedachten Hässelers in diesem besten aller Schlands.
Trotz Hinterwäldlergemüt immer am Puls des angeordneten Zeitgeistes und im sicheren Schoß der felsenfesten Obrigkeitsgläubigkeit, das die vertrauensselig kuschenden Ahnen vererbt haben.
Hauptsache, Fußball oder andere moderne Gladiatorenkämpfe in der Glotzarena, dann kann der pandemisch isolierte Zelleninsasse sich trotz behördlicher Zwangsjacke grenzenlos pudelwohl fühlen. Halluzinierte Freiheit in einem trostlosen Oberstübchen dort, wo die Welt trotz diverser Katastrophen noch irgendwie infantil in Ordnung ist.
Wie schön muss es erst wieder werden, wenn sich alle erneut zusammenrotten können, um ihrem Lieblingshobby, dem nimmersatten Shopping zu frönen, für dessen Verpackungs-Müllgebirge sich dann niemand verantwortlich fühlt und dafür Pubertierende fürs noch nie da gewesenen Dauerfrühlingsklima auf Demos schickt, wo sie gegen den Dreck kämpfen sollen, an dem ihre eigenen konsumsüchtigen Eltern sie ersticken lassen.
Wenn schon wie üblich wortreich ausgeschmückt fabuliert, dann sollte ppq die rührselige Story auch konsequent zu Ende führen und nicht mittendrin aufhören. Der ganz normale Irrsinn geht nämlich munter weiter und wird schlimmere Folgen haben als etwas reduzierten Kauf- und Genussrausch, ohne den das Scheinheilssystem nicht mehr zu funktionieren scheint.
Gleich einem Kettenbrief braucht es als Mitspieler immer mehr Käufer von immer mehr unnützem Tand, damit die Rechnung noch aufgeht. Kann und wird sie allerdings nie, wie die berühmte Geschichte mit den sich pro Feld verdoppelnden Reiskörnern auf einem Schachbrett beweist, die ein Dienstleister sich als "bescheidene" Bezahlung erbat. Große hämische Freude, bei dem Trottel so billig davon zu kommen, bis klar wurde, das die gesamte Ernte des Reiches das kleine Bett so nicht hätte füllen können. Dann staut der Laie und der Fachmann wundert sich.
Den meisten Leuten fehlen solche Dimensionen in ihrem Denken und neigen darum dazu, derart größer denkende Menschen zu diskreditieren, weil sie sich denen unterlegen fühlen. Sowas äußert sich dann oft auch in Beleidigung und Zensur. Eine primitive Rache jener arroganten Kleingeister, die sich für intellektuelle Überflieger halten, weil sie sich das in ihrem Augiasstall mit Dachschaden emsig gegenseitig bescheinigen.
Was aber kümmert es die Eiche, wenn sie ein oder mehrere hysterische Pinscher anpissen?
Wenn bald wieder Weihnachten ist, wünsch ich mir das Gemüt vom Blogleiter.
es ist reine empathie. er tut mir so undenlich leid, fehlt ihm doch offenbar jemand, dem er all das erzählen kann. das leid muss aber heraus, es dränget von innen wie ein vulkan. die galdiatoren, die glotzarena, der hass auf wortreiche texte und kapitalistische kettenbriefe.
eines tages geben wir die gesammelten werke als ppq-edition heraus, das ist fest geplant. gespräche mit tschibo über einen platz in deren "kritischer reihe" laufen
Lieber ppq, Sie erfüllen eine wichtige sozialhygienische Funktion, und Sie wissen das.
nur deshalb machen wir das doch.
Dieser Text war fast genau so schön, wie der von dem Opa aus der Lausitz, der vorm Impfzentrum gezeltet hat.
danke, sie hat das verdient
kann jemand den oirosong-Contest religionsphilosophisch einordnen ?
Muss Deutschland verlieren damit die hochbegabten Mitmenschen leben können ?
warum wird der Mitbürger mit der pinkfarbenen Jacke im Netz so gehasst ? Nur weil er gegen den Hass ansingt ?
sind unsere oiro-nachbarn Nadsis weil sie keine Friedensmusik mögen ?
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