Autocorso, Hupkonzerte, spontane Bäder in öffentlichen Brunnen, Küsse für Wildfremde vor lauter Glück, obwohl die aktuellen Distanzregeln es eigentlich verbieten. Doch als tief in dieser Berliner Nacht, am dunklen Morgen eines historisch bedeutsamen Datums, die ersten Nachrichten aus dem Konrad-Adenauer-Haus dringen, in dem der allmächtige CDU-Vorstand als Katastrophenstab in Permanenz tagt, machen sich Erleichterung und Freude großer Teile der Bevölkerung auf nicht ganz legale Weise Luft.
Jetzt, wo sich zu verdichten schien, dass es der kleine Armin Laschet aus dem Rheinland, der ewig unterschätzte Notnagel mit dem Charisma eines Hausschuhs und der Redeweise eines Roboters, gegen alle Unkenrufe seiner zahlreichen Feinde geschafft hat, seinen fränkischen Widersacher Markus Söder aus dem Feld schlagen zu lassen, dämmert ein neuer Tag für Deutschland, ein neuer Tag für EUropa, ja, für die Welt herauf.
Es ist nur Platz 1 der CDU-Liste zur Bundestagswahl, aber er bedeutet so viel. Obwohl der Status des "Kanzlerkandidaten" ein bloß virtueller ist, ebenso fest rechtlich bindend wie der des sogenannten EU-Spitzenkandidaten bei der regelmäßigen EU-Abstimmung, gilt Laschets Sieg im einzigen CDU-Gremium, in dem er gewisse Chancen hatte, eine Mehrheit zu bekommen, als wegweisend. Mit der Zustimmung von 31 der 40 Vorstandsmitglieder im Rücken kann der Taktiker aus Aachen, einst selbst erster Integrationsminister der Welt, nun seine wahre Stärke ausspielen: Warten, Geduldigsein, den rechten Moment abpassen, um von der Schwäche seiner Kontrahenten zu profitieren.
Die Geduld eines Treibjägers
Es ist dies, was Armin Laschet schon immer am besten konnte: Warten, bis die Konkurrenz vor Schwäche das Spielfeld verlässt. Unterschätzt und übersehen, scheiterte er einst bereits im ersten Anlauf beim Versuch, Chef der CDU in seinem Heimatland Nordrhein-Westfalen zu werden. Es siegte damals Norbert Röttgen, ein quicker wirkender, egozentrischer, lauter und einige Jahre jüngerer Günstling der Kanzlerin. Laschet, der in einem Politthriller allenfalls aus treuer Sekretär des Präsidenten besetzt werden würde, war Ende 40 und scheinbar schon am Ende seines Lateins. Doch ausgerechnet seine Rolle als Reserveheld verhalf ihm verspätet doch noch in den Sattel: Röttgen verlor erst die Landtagswahl 2012. Dann die Gunst der Kanzlerin. Und schließlich seinen Posten als Landesvorsitzender.
Wie Kai aus der Kiste erschien der geschlagene, gedemütigte und schon fest vergessene Armin Laschet wieder auf der Bühne: Als Teil einer „Doppelspitze“ mit CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann scheute er nicht davor zurück, für die ersehnte Aussicht auf die ganze Macht erstmal im Knien zu regieren. Schließlich erlöste ihn seine Schutzpatronin Angela Merkel und holte Laumann als „Patientenbeauftragte“ der Bundesregierung nach Berlin.
Er kann im Knien regieren
Laschet, vom Typus her ein stets lauwarm und betrübt wirkender Charakter wie der frühere SPD-Gottkanzler Martin Schulz, war angelangt, wo er immer hingewollt hatte: Im Wartezimmer zur großen Macht, wo Gelegenheit Ministerpräsidenten macht. 2017 hatte die sozialdemokratische Regierung von Ministerpräsidenten Hannelore Kraft abgewirtschaftet. Nicht einmal mehr der Erfolgsslogan "SPD ist Currywurst" half. Laschet führte seine CDU zum zweitschlechtesten Ergebnis aller Zeiten. Doch die malade deutsche Sozialdemokratie war noch schlechter, denn sie holte weniger Stimmen als bei allen anderen Landtagswahlen zuvor.
Ein Triumph Marke Laschet. Fast Schlechtester sein, Beliebtheitswerte wie Strandurlaub in Wanne-Eickel und am Ende doch der Platz in der Staatskanzlei. So ist der Plan auch für die Bundestagswahl. Mögen doch den Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Annalena Baerbock die Herzen aller Medienarbeiter zufliegen. Mögen doch die Umfragen den bayrischen Konkurrenten weit vorn sehen in der Beliebtheit bei der Parteibasis und den Wählern. Und mögen auch besorgte Stimmen warnen, dass ein Kandidat Laschet als Alternative zu einer Kandidatin Baerbock im ganzen Osten wirken wird wie das Angebot, sich für Pest oder Cholera zu entscheiden.
Die Lage ist besser als die Zahlen
Armin Laschet weiß es besser. Ohne Spitzenkandidaten, mit dem Desaster der Impfkampagne, der Belastung durch die Korruptionsaffären und der selbst von den Bundesfördermedien kaum noch geleugnenden chaotischen Pandemiepolitik der Großen Koalition im Rücken sind immer noch um die 28 Prozent der Deutschen überzeugt, dass die Union das Land am besten zu führen weiß. Selbst mit ihm als Spitzenkandidaten wären es wohl nur zwei, drei Prozent weniger - und immer noch knapp mehr als die Grünen derzeit abbekommen würden.
Es wird aber nicht jetzt gewählt, sondern am Ende eines langen Impfsommers, wenn selbst Deutschland den größten Teil aller Menschen immunisiert haben wird, die den Bundespiks gern haben würden. Die dritte Welle, im Moment schon kaum mächtig genug, noch einmal ein neues Infektionsschutzgesetz gegen die Grundrechte in Stellung zu bringen, wird dann eine langsam verblassende Erinnerung sein, überstrahlt von ersten, ungeheuer erleichternden Urlaubserinnerungen, Begegnungen im Biergarten und dem freudigen Gefühl, das ganz normale Leben kehre langsam zurück.
Geheimwaffe Wohlgefühl
Laschet wird sich von dieser Welle des Wohlgefühls ins Ziel tragen lassen. Holt er vom Minuswert aller Umfragen mit Hilfe des neuen Bundeserleichterungsgefühls im Spätsommer zwei, drei oder gar fünf Prozent auf, landet die Union im September bei knapp über 30 Prozent der Stimmen. Die Grünen mögen dann 22 holen oder 24 oder 27 oder selbst 29 - es ist egal. Den Kanzler stellt die stärkste Partei und das wird Laschets Plänen zufolge eben doch wieder die Union sein. Schwarz-Grün, das erste Mal, und selbst Annalena Baerbock wird froh sein, nicht die Regierungschefin werden zu müssen, die als "grüne Zauberin" (FAZ) wirklich einen Neuanfang samt Neuaufbau und Neustart in einem Land realisieren muss, das nach anderthalb Jahrzehnten Angela Merkel nur noch von der Ilussion lebt, wichtig, bedeutsam und erfolgreich zu sein.
Nun, Armin Laschet wird das auch nicht vollbringen. Doch von ihm erwartet es auch niemand.
4 Kommentare:
Von Angela zu Annalena – das Wort Trümmerfrauen wird neu erfunden. Von der Abrissbirne aus der Uckermark zum Forstmulcher mit Koboldantrieb.
Zukünftige erste Strophe der DDR 2.0:
Abgewrackt zu Ruinen
von der Zukunft abgewandt,
lass uns gut von dir verdienen,
länger hier Lebende, einig Genderland.
Weitere Not gilt es zu erzwingen,
und wir zwingen sie auf euch vereint,
denn es wird uns gelingen,
dass die Sonne schön wie nie
für euch nicht mehr scheint.
Wenn Laschet Pech hat, endet die Bundestagswahl wie die letzte Europawahl (was wird da eigentlich wirklich gewählt?) und Macron und Merkel einigen sich auf UvdL als neue Bundeskanzlerin.
Primzahl des Tages : 131
Dr.Primzahl Institut , Wolfen
Laschet mag nicht der Kandidat der Herzen sein. Seine Nominierung lässt mich auch schauern, statt in Verzückung zu geraten. Ist das wirklich der Beste, den die CDU noch zu bieten hat?
Alle Argumente die man gegen ihn ins Feld führen kann, treffen absolut zu. Da gibt es nichts zu deuteln.
Aber glauben Sie mir, jeder, wirklich jeder, ist besser für unser Land als Söder. Abgesehen vielleicht von Frau Baerbock, aber das möge der liebe Gott verhüten.
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