Eine gänzlich unerwartete Rückkehr: #allesdichtmachen brachte das Comeback des "Kulturschaffenden". |
Auf einmal war er wieder da, der "Kulturschaffende", dieses gedankenschwere Wesen, das über tiefe Einsicht verfügt, aber auch über eine laute Stimme. Wenn der Kulturschaffende, gelegentlich auch "Kunst- und Kulturschaffender" genannt, auf der Bühne erscheint, wird es still im Saal und alles lauscht begierig, was sie und er aus dem Elfenbeinturm an Botschaften mitgebracht haben. Seine große Zeit hatte der 𝔎𝔲ltur𝔰𝔠𝔥𝔞𝔣𝔣𝔢𝔫𝔡𝔢 in den dunklen Tagen des Dritten Reiches, als ein Kollektiv aus solchen ein von Joseph Goebbels formuliertes Manifest unterzeichnete, um Hitler zum Reichskanzler zu machen.
Ein Wort der beiden Diktaturen
Als der es nicht mehr war, benutzte ihn die Nachfolgediktatur mit großer Selbstverständlichkeit und "jenseits aller krittelnden Vernünftelei" weiter. Doch nach deren Ende fiel das Wort in ein tiefes Loch (Grafik oben). Vergiftet und verdorben, verbrannt und verpönt war der "Kulturschaffende" nur noch ein Echo aus schlimmen Zeiten, in den "Arbeiter der Hand" und "Arbeiter der Stirn" vom "Geist der Volksgemeinschaft" oder aber von dem der Weltrevolution durchpulst im Namen der Sache künstlerten.
Damit hätte die Geschichte eines Wortes enden können, dessen Fehlen gar nicht weiter auffiel. Zwar tauchte es gelegentlich wieder auf wie Nessi aus dem Teich, etwa als „Kulturschaffende“ (DPA) von Günter Wallraff bis Hugo Egon Balder vor Jahren, in Zeiten flacher hoher Wellen, empört den Rücktritt von Horst Seehofers wegen irgendetwas forderten, das heute niemand mehr erinnert.
Doch vom „Aufruf der Kulturschaffenden“ im „Völkischen Beobachter“ anno 1934 führte kein Weg zum "Tatort", in die Volksbühne, das moderne Rammstein-Konzert oder zum didaktischen Straßentheater. Kunstschaffende hatten sich, unabhängig von der Ästethik ihrer Werke, in Künstlerinnen und Künstler verwandelt, die keine Führer gelobten, sondern wie Böll und BAP, Grönemyer, Lindenberg, Degenhardt und andere einen Teil ihrer Kunst darin sahen, visionär vorauszuschauen und den Möchtigen verbal auf die Fin ger zu hauen.
Aus dem Wörterbuch des Unmenschen
Der "Kunstschaffende" fand sich nur noch in Süskinds „Wörterbuch des Unmenschen“ und im „Neuen Deutschland“, das nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns zufrieden über eine „Überwältigende Zustimmung der Kulturschaffenden der DDR zu Politik von Partei und Regierung“ berichten konnte. Der Begriff war kontaminiert, denn er stand für eine ölige Anbiederung an Unrechtsregime.
Inhaltlich drückte er zudem ja nichts aus, was nicht ein Wort wie "Künstler" besser sagen kann. Sprachsystematisch schließlich gibt es das Wort so wenig wie den Brotschaffenden, den Häuserschaffenden oder den Bierschaffenden, deren Fehlen nie und nirgendwo Mangel auslöst, so lange Bäcker, Bauarbeiter und Brauer zur Stelle sind.
Aus der Asche der Scham
Unerwartet aber erstand nun plötzlich doch neu, aus der Asche der Scham, aus dem Vergessen, aus dem Drang einer neuen Generation von Textschaffenden, mit einem praktischen Kunstgriff um den selbstauferlegten Gender-Stern aller „Künstler*innen“ herumzulavieren, wenn „Künstlerinnen und Künstler“ nicht in die Überschrift rechts neben der Hüfte der Tagesschausprecher passt.
Hier hilft der im Dritten Reich erschaffene Kunstschaffende im Handumdrehen: Er enthält alle denkbaren identitätspolitischen Schattierungen, ohne in sich den Zwang zu tragen, ihn auf eine weibliche Form wie "Kunstschaffendinnen" erweitern zu müssen. Die historische Belastung steht dahinter zurück, erst recht in einer Riege von Nachrichtenschaffenden, die Sprache für ein Mittel zur Belehrung mit dem Ziel der Erziehung hält.
3 Kommentare:
Kulturisten könnte man doch auch sagen, wo Liefers & Co. nach den erklärenden Worten in Tages- und Spiegel nackt dastehen.
"Nackende Kulturschaffnerinnende", das trifft es doch am Besten, denke ich.
Zum Fakt, dass ein Schauspieler automatisch ein Kulturschaffender ist, weil z.B. ein Tatort inzwischen zur neuen deutschen Kultur gezählt wird, gab es noch keine zielführende Debatte.
Außerdem widersprechen sich die Wahrheitsmedien bezüglich Liefers' weiterer Karriere.
Der soll nämlich just einen neuen lukrativen GEZ-Anatomie-Vertrag unterschrieben haben, obwohl man ihn wegen "allesdichtmachen" doch vor die zukünftig geschlossene Tür setzen und aus dem erlauchten Besserverdienerkreise der politisch korrekten gutmenschlichen Illusionsblasenschwächegilde ausschließen wollte.
Naja, wenigstens wurden wir über Hü und Hott kostenpflichtig informiert.
Muddi, Tagesschau beginnt, und dann kommt Tatort. Bring mir also schnell nochen Bier, aber zackig.
Das öffentlich rechtliche Zwangsgebühr-Glotzen kann also munter weiter gehen.
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