Sonntag, 7. März 2021

Im Inzidenztheater: Wie bekommt man die Deutschen dazu, sich nicht impfen zu lassen?

Um Impfverweigerer zu überzeugen, braucht es maßgeschneiderte Strategien.

E
s ist alles nur Theorie und fester Glaube, aber in der Praxis noch nicht nachgewiesen. Dennoch herrscht vielerorts Skepsis angesichts der kostenlosen Corona-Impfungen, mit denen auch Deutschland bald in großem Maßstab starten will. Wirkt das wirklich? Was verschwiegen sie uns diesmal? Kann ich noch schwanger werden nach dem Pieks? Oder werde ich gar zwangsschwanger, obwohl ich mich selbst schon ein Leben lang als Mann verstehe?  

Die Angst ist groß, obwohl die inzwischen dank der klugen Fremdteststrategie der Bundesregierung weitgehend durchgeimpften angloamerikanischen Partnerstaaten nicht von großen Sterbe- oder auch nur Schwangerschaftswellen berichten. Virologionsmathematisch ist die Frage eindeutig zu beantworten, sogar wenn mehrere Virologen nachrechnen: Von 2,5 Millionen mit Covid-19 infizierten Deutschen starben 72.000. Von inzwischen ebenso vielen Geimpfen womöglich zehn, dreißig oder auch 150, je nachdem, wen man fragt. 

Kein Ende in Sicht

Ob Impfung oder nicht, scheint arithmetisch gesehen keine Frage. Und angenommen, die für die Bundesregierung im Augenblick äußerst unangenehme Frage danach, ob Impfungen auch verhindern, dass sich das Virus weiterverbreitet, könnte mit Ja beantwortet werden, wäre ein Ende des Ausnahmezustandes in Sicht. Ließen sich die Bürgerinnen, Bürger und sonstigen Bürgerseienden denn tatsächlich impfen, wenn es denn - eines Tages - auch in Deutschland möglich ist.

Da aber hapert es. Rechtsimpfnationalisten, Virusleugner und Öffnungspropagandisten haben es über Monate hinweg geschafft, das größte Impfprogramm der deutschen Geschichte an mehreren Fronten anzugreifen: Erst verhinderten AfD und Co. ausreichende Bestellungen, dann boykottierten sie die Verteilung und die Terminvergabe. Und schließlich weckten sie gezielt Zweifel an der Wirksamkeit der Vakzine, sogar an der des russischen Impfstoffes Sputnik, der in der EU überhaupt nicht zugelassen ist.

Wie aber sollen Ansteckungen verhindert werden, ohne dass etwa 70 Prozent der Menschen sich impfen lassen, um die notwendige Herdenimmunität herzustellen? Wie kann die weitere Mutantisierung des Virus verhindert werden, wenn es weiterhin zu einer subkutanen Ausbreitung kommt? Wie sollen Corona-Kabinett, Bundesgesundheitsminister und die scheidende Kanzlerin auch das noch schaffen? Und eine Impfbereitschaft herstellen, ohne Zwangsimpfungen durchführen lassen zu müssen?

Das Problem ist kein Neues, Politiker wieder Sachse Michael Kretschmer haben die Zwangsvakzinierung ins Spiel gebracht, andere, wie etwa der Bundesgesundheisminister, setzen auf Einsicht und Freiwilligkeit. Auch bei anderen Infektionskrankheiten von Masern bis hin zu Polio steht man immer wieder vor Aufgabe, einen gewissen Prozentteil der Bevölkerung durchimpfen zu müssen, um einen Gruppenschutz herzustellen. Hier gelang es schließlich zum Teil mit einer Impfpflicht, die Krankheiten zu besiegen. PPQ.li hat mit dem Medizinpsychologen Henning Heisterland gesprochen, der in seiner Praxis im sächsischen Bautzen seit vielen Jahren Impfunwillige betreut. Wie lassen sich Menschen wider besseren Wissens überzeugen, doch einen Pieks machen zu lassen? Woher kommt die Angst vor dem Fremdstoff im Blut?  lassen. Und wie rational handelt, wer das kleine Risiko gegen das größere eintauscht, um sich vor einer vermuteten Gefahr zu schützen? Heisterland, selbst bisher ungeimpft, gibt Auskunft.

PPQ.li: Herr Heisterland, sagen Sie uns, was sind die Gründe, warum sich Menschen nicht impfen lassen wollen? 

Heisterland: Sie haben Zweifel, Zweifel daran, dass das gut ist, so kann man das schlicht zusammenfassen. Mancher vertraut auf seinen Körper, mancher kennt jemanden, der es schon hatte, wie man dann sagt, und es war gar nicht so schlimm. Gerade aus dem Bereich der Naturkostler, der Teetrinker und Plastikablehner kommt Widerstand. An meine Haut lasse ich nur Wasser und CD, Sie erinnern sich vielleicht. Da glauben viele an solche Sprüche wie a apple a day keeps the doctor away. 

PPQ.li: Was sind das für Menschen, von der Soziologie her? 

Heisterland: Gebildete Leute, durchweg. Die haben sich in der Vergangenheit, also als Kinder, alles reinjagen lassen, was damals als unerlässlich galt, also Wundstarrkrampf, Pocken etc. Und danach sind sie vor jedem Asienurlaub im Gesundheitsamt gewesen und haben sich geholt, was empfohlen wurde. Gelbfieber, Malaria, alles kein Problem. Niemand in diesen Kreisen hat jemals gefragt, was da gespritzt wird, ob mRNA oder abgeschwächter Erreger, das ist den Menschen komplett egal, ebenso der Preis. Ein Student, oder auch eine Studentin, zahlt ja vor dem Austauschjahr in Kenia locker 500 Euro für die wichtigsten Impfungen, und da überweist der Vati aus dem Bionadeadelbeamtentum prompt. 

PPQ.li: das erklärt aber doch alles gerade nicht, weshalb sich dieselben Menschen jetzt so schwer tun? 

Heisterland: Das hat mit dem Misstrauen zu tun, das das bisherige Regierungshandeln erregt hat. Selbst die Menschen, die anfangs überzeugt waren, Teil einer kollektiven Anstrengung zu sein,die dem Überleben der Menschheit galt, sitzen heute bei mir in der Praxis und sagen: Herr Doktor, also wenn das die Pandemie war, die immer in Filmen und Büchern vorhergesagt wurde, dann bin ich froh, dass sie so verlaufen ist. Es klingt zynisch, aber psychologisch ist das nachvollziehbar. Ebenso wie der Umstand, dass man als verständiger Mensch nach all den Lügen, offenkundigen Unwahrheiten und dreisten fake news, die von den politisch Verantwortlichen verbreitet worden sind, nach einem Jahr geduldigen Zuhörens natürlich weiß, dass nichts davon wahr sein muss, dass aber vieles davon sicherlich nicht wahr sein wird. 

 PPQ.li: Sie beschreiben eine Delegitimierung , die das stattgefunden hat und sich nun verhängnisvoll auswirkt? 

 Heisterland: Ja. Wer anfangs noch glaubt, darauf vertrauen zu können, dass dieses Corona-Kabinett, die Kanzlerin und der Gesundheitsminister, aber auch die Ministerpräsidenten und Verwaltungen bis hin zur EU ihre Arbeit tun, konnte sich sich in den vergangenen Monaten ja überzeugen, dass das nicht der Fall ist. Dort wurde dilettiert, gestolpert, man hat sich selbst überholt und zurückgelassen. Wären nicht die Medien, so sagen mir viele Patienten, immer noch so ausnehmend solidarisch und freundlich mit dem, was einer meiner Patienten mal ein ,absurdes Inzidenztheater' genannt hat, dann wäre das ganze Kartenhaus schon unter seinen eigenen Last zusammengebrochen. 

 PPQ.li: Als einziger Ausweg aus dieser Pandemie ist nun aber die Impfung von möglichst vielen Menschen in kurzer Zeit ausgerufen worden. Auch die klappt aber nun nicht? Woran liegt das? 

Heisterland: Sicherlich nicht am Impfwillen, das weiß ich aus der Praxis. Selbst in meiner Klientel der gegen Atomkraft, Plastiktüten und Wegwerfbecher gleichermaßen skeptischen Doppelverdienerhaushalte ist eine deutliche Mehrheit immer noch zur Impfung bereit. Wie groß die ist, wird man wissen, wenn es konkret wird, aber das wissen will aber gerade nicht jeder. Psychologisch ist es nämlich so, dass der imaginäre individuelle Impfverweigerer in einer Situation, in der der Staat selbst als größter Impfverweigerer auftritt, weil es es Millionen unmöglich macht, vakziniert zu werden, das beste Alibi bietet. Der unbekannte Verweigerer steht am Pranger, er ist der, an dessen Widerstand alle Öffnungsbestrebungen scheitern - nicht die EU, nicht die Bundesregierung, nicht die Länderchefs, nicht der Gesundheitsminister.  

PPQ.li: Das dürfte vielen auch zupass kommen? 

Heisterland: Ich habe schon gesagt, gäbe es nicht wirklich von irrationalen Ängsten getriebene Menschen, die nicht immunisiert werden möchten, weil Dreck den Magen reinigt, wie man früher gesagt hat, dann hätte man sie aus medienpsychologischer Sicht erfinden müssen. Sie liefern im Moment die perfekte Entschuldigung für den fortgesetzen Ausnahmezustand ohne absehbares Ende. Spricht man heute schon kein Wort über die 2,5 Millionen von Corona-Genesenen, bei denen es ja keinerlei Grund gäbe, ihnen die normalen Bürgerrechte weiter vorzuenthalten, so stehen die vermeintlichen Impfverweigerer als die da, an denen die Rückkehr zur Normalität scheitert, obwohl die armen Menschen, die ja oft in Betreuung bei mir und meinen Kollegpauseinnen sind, bisher gar keine Chance haben, etwas zu verweigern, weil ihnen das mystische "Impfangebot", von dem immer die Rede ist, gar nicht gemacht wurde.


4 Kommentare:

Volker hat gesagt…

Weil hier der Name Kretschmer fiel ...

Ich weiß nicht, ob wir das schon hatten. Der sog. "Kretschmer" hatte im Mai 2020 rausgehauen, dass es keine Impfpflicht geben wird. Niemand wird gegen seinen Willen geimpft. Wer was anderes sagt, der tut absurde und bösartige Behauptungen machen, denen müssen wir gemeinsam entgegentreten.

Heuer bringt er selbst die Impfpflicht ins Spiel. Zunächst noch mit der Phrase "die Impfpflicht nicht völlig auszuschließen".

Bleibt die Frage, wie das kommt.
Entweder Kretschmer ist senil. Oder er ist ein Lügner.
Oder beides.

Arminius hat gesagt…

Die Möglichkeit, daß er ein Lügner ist, schließe ich definitiv aus. Sonst hätte unser aller Mutti nie zugelassen, daß er gewählt würde. Und wenn doch, hätte sie diesen Fehler umgehend rückgängiggemacht.

Anonym hat gesagt…

demnächst wird die spd abgeschaltet

Anonym hat gesagt…

demnächst wird die spd abgeschaltet ---

Mein linkes Ei dawider gewettet ganz gewiß nicht. Wie einer der Pipifaxe aber schrieb, sinngemäß: Die geistige Stumpfheit der sogenannten Stammwähler ist nicht zu unterschätzen.
Es gibt nicht nur welche, die an den Weihnachtsmann und an die die Demokratie glauben, es gibt sogar welche, als da die "AfD" für eine echte Opposition halten.