Kontaktloser Urlaub und zusätzliche Ruhetage sollen die dritte Welle "kürzer beenden" (Söder). |
Zum ersten Jahrgedächtnis des ersten landesweiten lockdowns der deutschen Geschichte werden die Bilder routiniert geliefert, die Kommentare klingen lange eingeübt. Man wisse nichts, sehe aber vor dem inneren Auge, dass es drüben im Kanzleramt in der Videokonferenz heiß hergehe, sagen die Brennpunkt-Moderatoren. Zusammenraufen müssten sich nun alle nur noch. Über Schatten springen. Impfen, testen, Abstand halten.
Die Kanzlerin dringe auf eine finale Kraftanstrengung vor den letzten zehn, 20 schweren Seuchenmonaten. Am 137. Tag des legendär "erfolgreichen" (ZDF) Wellenbrecher-Lockdowns steht wieder alles auf dem Spiel, das kein Spiel mehr ist, sondern bitterer Ernst, "verwegener Plan" (Welt), "schwere Geburt" (Söder), "Verhinderungsgipfel" (FAZ) und "dickes Ei" (SZ).
Stunden hektischer Pausen
Eine letzte große Schlacht zwischen des Kräften der Dunkelheit und denen des Lichts. Die Frauen und Männer aus dem auffällig wenig verseuchten Nordens sind angereist, ausgerüstet mit neuen Propagandapatronen aus der Bundesworthülsenfabrik. "Kontaktloser Urlaub" und lockere Verschärfungen hin zu mehr Mallorca in Mecklenburg soll es geben. Im Süden aber, wo Deutschland an Ausländer grenzt, die auch Europäer sind und Teil der Wertegemeinschaft, aber dennoch hochgefährlich, ist die Sorge groß vor einem weiteren Seuchenschub.
Die Fortschritte, die deutsche Krisen in den vergangenen Jahren gemacht haben, sind allenthalben unübersehbar. Ging es in "Stunden hektischer Krisendiplomatie" noch vor zehn Jahren nur um die Rettung Europas, um den Euro und die Lebensgrundlagen eines ganzen Kontinents, um den Zusammenbruch jeder Ordnung, den Verlust aller Ersparnisse, ist es heute eine Testpflicht an ungeraden Tagen, mit der Bund und Länder eine Überlastung des Gesundheitswesens im April verhindern wollen. Sieben Stunden pausierte die Runde, ehe sie den Gründonnerstag zum neuen bundesweiten Corona-Ruhetag erklärte.
Bahnhofsschließfächer bleiben geschlossen
Kein Lebensmittelverkauf an diesem Tag, außer an Tankstellen, das soll die dritte Welle brechen. Der Nahverkehr bleibt wohl auf, gemietete Schließfächer an den Bahnhöfen aber geschlossen. "Wir haben die Wahl, die dritte Welle kürzer zu beenden", sprach CSU-Chef Markus Söder. Die scheidende Kanzlerin an seiner Seite bat die Bürger dringend, „alle Kontakte auf das absolut notwendige Minimum zu beschränken und insbesondere Zusammenkünfte in Innenräumen zu vermeiden“.
Sofern keine abweichenden Regelungen beschlossen worden sind, gelten die bisherigen Vorgaben weiter. Ob das konkret der Fall ist, wollen Bund und Länder in den kommenden Stunden und Tagen anhand der Sitzungsprotokolle des Corona-Kabinettes herausfinden. Vorerst sind die Länder angehalten, aber nicht verpflichtet, die bundesweiten Neuerungen bis zum 29. März in ihre neuen Eindämmungsverordnungen übernehmen. Sie gelten bis zum 18. April, können aber aufgrund eines Bundestagsbeschlusses, der der Exekutive dazu bis zum Sommer freie Hand gibt, bei Bedarf weiter verlängert werden.
Die einzelnen Punkte des neuen Corona-Planes im Überblick:
NOTBREMSE: Bund und Länder hatten bei ihrer letzten virtuellen Zusammenkunft eine Notbremse beschlossen, mit der ein atmender Automatismus eingeführt worden war, um voluntaristische Einzelfallentscheidungen in Ländern überflüssig zu machen, die gemeinsam vereinbarte Höchstwerte bei Neuinfektionen überschreiten. An diese Regelung hatten sich nur wenige Bundesländer gehalten, so dass jetzt vereinbart wurde, dass die Notbremse nun aber wirklich vielleicht konsequent anzuwenden ist. Sie soll greifen, wenn die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner in einem Land oder einer Region an drei aufeinanderfolgenden Tagen über 100 Neuinfektionen liegt. Außer, es handelt sich ausschließlich um Wochentage. Dann gelten ab dem zweiten darauffolgenden Werktag wieder die Beschränkungen, die bei der Verschärfung des Wellenbrecher-Lockdowns im November vereinbart wurden.
INZIDENZ: Die Kernkennziffer des deutschen Corona-Wunders vom vergangenen Jahr soll derzeit die 100 sein. Ehemals mit 50 festgeschrieben, weil mehr Fälle durch die Gesundheitsämter nicht rückverfolgt werden können, ist die 100 nun endgültig die neue 50, die zwischenzeitlich ins Spiel gebrachte 35 hingegen ist raus. In Landkreisen, in denen die 7-Tage-Inzidenz über etwas liegt, greifen härtere Maßnahmen: So können das beliebte Terminshopping verboten und die Einkaufswagenpflicht im Supermarkt für einen gemeinsamen Hausstand auf zwei Wagen erhöht werden. Auch eine Pflicht zum Tragen besser schützender Masken im Auto für Mitfahrer oder eine Maskenpflicht bei privaten Sex-Treffen kann durch die Behörden angewiesen werden.
EINKAUF: Um die Supermärkte, die bisher von allen Corona-Verboten ausgenommen waren, diesmal stärker in den Mittelpunkt einer ähnlich kontroversen Debatte zu rücken, wie sie zuletzt um Massentests und das Vorziehen bestimmter Gruppe beim Impfen gelungen war, wird der Gründonnerstag vor Osten zum Bundessupermarktschließtag. Das Corona-Kabinett verspricht sich dadurch einen verstärkten Einkaufsandrang am Ostersamstag, dem einzigen Tag zwischen Mittwoch vor und Dienstag nach Ostern, an dem Lebensmittel gekauft werden sollen können. Hier ergebe sich, so hieß es am Rande der nächtlichen Verhandlungen, auch eine Möglichkeit, alle Freunde und Verwandten auf einmal zu treffen, ohne gegen die Regeln zu verstoßen.
KONTAKTE: Offiziell ist das maximal fünf Personen aus zwei Haushalten erlaubt, Kinder bis 14 zählen extra, Paare gelten unabhängig vom Geschlecht, von der Anzahl, vom Alter und vom Wohnort generell als ein Hausstand. Die ersehnten Erleichterungen für die Osterzeit wird es nicht geben, stattdessen greift ein generelles Verbot von Ansammlungen im öffentlichen Raum. Der Begriff "Ansammlungen" soll dabei in den kommenden Wochen durch die Gerichte definiert werden.
GOTTESDIENSTE: Die Außen- wie die Innengastronomie bleibt geschlossen, über Ostern wird zudem geschlossen, was derzeit noch offen hat. Nur der Lebensmitteleinzelhandel darf am Karsamstag eine Notversorgung einrichten, mit Abstand und Maske und nur dort, wo die als Virenschleudern geltenden Einkaufswagen regelmäßig desinfiziert werden. Auf Gebete als Hilfe im Kampf gegen die Pandemie vertraut das Corona-Kabinett nicht - alle Gemeinschaften von Abergläubigen sind aufgefordert, allenfalls virtuelle Gottesdienste durchzuführen.
HAUSÄRZTE: Vom Eingreifen der 50.000 deutschen Hausärzte in die größte Impfkampagne der deutschen Geschichte ist im aktuellen Notfallpapier nicht mehr die Rede, dafür aber sieht der Fahrplan vor, dass das Robert Koch-Institut bis zur nächsten Krisensitzung am 12. April ermitteln soll, wann womöglich Geimpfte „mit so hinreichender Sicherheit nicht infektiös sind, dass eine Einbeziehung in Testkonzepte möglicherweise obsolet wird“. Diese Frage gilt als zentral für die Ausstellung der geplanten EU-Impfpässe, die niemanden benachteiligen sollen.
TESTS: Hier geht es jetzt ganz schnell voran. Schon "so bald wie möglich" sollen Beschäftigte in Schulen und Kitas sowie Schülerinnen und Schüler zwei Mal pro Woche getestet werden, möglichst an verschiedenen Tagen. Verantwortlich sind hier die Arbeitgeber, Schulträger und Fluggesellschaften. Eine allgemeine Quarantänepflicht nach der Rückkehr auch Hochinzidenzgebieten etwa in Gymnasien oder Kindergärten ("Kita") ist noch nicht vorgesehen. Statt einer Pflicht setzen Bund und Länder weiter auf eine verpflichtende Selbstverpflichtung. Wenn das weiterhin nicht klappt, will die Bundesregierung im nächsten Anlauf schärfere Arbeitsschutzvorschriften prüfen.
MODELLPROJEKTE: In „zeitlich befristeten Modellprojekten“, die nicht länger laufen sollen als bis zum Auslaufen der Verbrennerzulassungsgenehmigung im Jahr 2030 dürfen die Länder, in deren Zuständigkeit das ohnehin liegt, ausprobieren, wie sich Bereiche des öffentlichen Lebens „mit strengen Schutzmaßnahmen und einem Testkonzept“ öffnen lassen. Zwei Testkonzepte sind jedoch verboten. Die angestrebten kontaktlosen Urlaubsreisen sollen dazu etwa virtuell stattfinden, entsprechende Konzepte für "digitale Traumreisen" liegen bereits vor. Um die Durchsetzung und Akzeptanz zu erhöhen, ist für Urlauber hier auch die allgemeine Testpflicht nach Rückkehr ausgesetzt, auch eine Quarantäne muss nicht angetreten werden.
FINANZHILFEN: Der Bund hat gut gewirtschaftet, die Bundestagswahl steht vor der Tür. Für Unternehmen, die besonders schwer und lange unter Schließungen leiden, will die Bundesregierung nach und nach weitere Hilfen entwickeln und später auch auszahlen. Bis zum Wahltag im September soll allen Betroffenen eine Rettungsangebot gemacht werden. Wer das bezahlen wird, ist auch schon klar: Der Steuerzahler jedenfalls nicht. Vermutlich läuft es auf den Finanzminister hinaus.
REISEN: Bund und Länder appellieren „eindringlich“, auf nicht zwingend notwendige Reisen im In- und Ausland zu verzichten, um die Bitte zu untermauern, wird für Rückkehrer aus ausländischen Gebieten mit niedrigen Infektionszahlen eine Quarantänepflicht eingeführt. Diese Neuregelung soll besonders Mallorca-Urlauber abschrecken, ohne dass Reisen von Amts wegen verboten werden müssen.
7 Kommentare:
Ich weiss nicht, was im Moment schneller mutiert, das Virus oder die Lockdownbestimmungen.
Nach dem beinahe gewonnenen Wellenbrecherblitzkrieg geht es jetzt um den Endsieg!
'Verwegener Plan' klingt, als würde man bei Axel Springer wieder heim ins Medienreich wollen.
Man muss schon sehr tief in Merkels Arm stecken, um das für einen 'Plan' zu halten von einer, die seit einem Jahr keinen Plan hat.
Man ist aber in schlechter Gesellschaft unter seinesgleichen, die ganze Riege der mächtigen Ministerpräsident¡nnen kann nicht ohne das OK aus dem Kanzler¡innenbunker. Keiner hat den Ar$ch in der Hose, die Plunze mit ihrem willkürlichen Schwachsinn wegtreten zu lassen und in eigener Verantwortungen zu entscheiden. Immerhin könnte man ja irgendwann mal wieder koalieren wollen oder verdankt ihr seinen Job (Bodo).
Jetzt versteh ich das endlich mal. Danke für die klaren Worte!
Wohl OT:
>> Ben Shalom 23. März 2021 at 17:09
Das Wahlverhalten wird eher durch den politischen Kurs der AfD bestimmt werden, und zwar das Wahlverhalten der großen Gruppe der Nichtwähler. ... Die AfD kann die gar nicht entscheidend gewinnen, die werden immer das Original wählen, siehe vergangenes Wochenende.
Den größten Stimmenverlust hatte die AfD an die Nichtwähler ... <<
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In der Tat, traun fürwahr. "Gewählt" hatte ich sie, wenn auch ohne great expectations.
Aber mit "unserer gemeinsamen Verantwortung" - erst Kalbitz, dann Gauland, haben sie bei mir, mit Verlaub, verkackt: Kollektivschuld am Gesäß. (Im übrigen bin ich der Meinung, daß Niklas Frank einen an der Waffel hat.)
Ist doch super, wie unsere vom Wähler just erneut auf dem Thron bestätigten Regierungen dafür sorgen, dass ausländische Freizeitbetriebe an deutschen Urlaubern wieder verdienen können, während unsere wegen extremer Coronagefahr weiter unbestimmt dicht bleiben müssen. Wie kann ein einziges dubioses Weib so verdammt viel Macht besitzen und ausüben?
Egal, so lange der Blödpiefke in devotem Untertanengehorsam jeden Befehl der Obrigkeit ohne Murren schluckt, verdient er sein angekettetes Jochochsendasein, denn malochen darf er trotz Infektionsgefahr ja weiter.
Die Hütehunde, die die Schafe sich zum Schutz gegen Wölfe anschafften, mutierten inzwischen selber zu blutrünstigen Raubtieren. Doch die Deppenschafe wollen das in ihrer unendlichen Wiederkäuerdummheit partout nicht kapieren.
Glücklich sind jene, die einen eigenen kleinen Garten besitzen, wo ihnen beim unmaskierten Lustwandeln derzeit noch keine uniformierte Demokraturbüttelmarionette reinquatscht.
Mal sehen, wie das mit den Lockerungen ab 14.04 zum Ramadanbeginn aussieht, denn unsere goldwerten Rechtgläubigen werden sich ihre wichtigen Glaubenspflichten sicher nicht so einfach verbieten lassen wie unsere Zukreuzekriech-Christen. Vermutlich werden plötzlich Sondergenehmigungen vom Multikultihimmel purzeln wie einst göttliche Mannakekse. Diesmal jedoch von der Piefkekaiserin gebacken, um unschöne Bilder zu vermeiden.
"Bleibe daheim und nähre dich redlich", denn Spaß darf in der Gesundheitsdiktatur der DDR-Genossin Mutti niemand haben. Mit anderen Worten: Schufte, bis die Schlachtschweinschwarte kracht, denn Heerscharen von linken Staatsparasiten wollen fürstlich entlohnt werden.
Leidet weiter, ihr Slaven, denn das Freiheitsparadies ist nahe. Versprochen. Mein Ehrenmord ... sorry ... wort.
Korrektur: Letzter Satz.
Ich kaufe den Slaven ein k, damit es Sinn ergibt.
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