Donnerstag, 4. März 2021

Der Scholzzug: Er ist wieder da

Ein O für ein U, sonst ändert sich nichts bei der SPD.
Fast schon schien er nicht nur verschwunden, sondern auch vergessen, nicht nur von seinen früheren Fans, sondern sogar von sich selbst: Martin Schulz, in einer Ära vor unserer Zeit das zauselbärtige Gesicht einer sterbenden Art, hatte sich nach seiner historisch einmaligen Niederlagenserie in eine Hinterbank des Europäischen Parlaments zurückgezogen, um von dort aus die letzten Jahre seiner Laufbahn leise lächelnd vorüberziehen zu sehen.  

Der Gottkanzler ist zurück

Selbst bei Twitter, einem Medium, das Schulz über Jahre genutzt hatte, um von einem Team an Sockenpuppen Hektoliter an geheuchelter Trauer, Wut, Scham, Verwunderung und Begeisterung in die Öffentlichkeit verklappen zu lassen, herrschte meistenteils Schweigen. Beinahe schon glauben selbst die treuesten der treuen Anhänger des "Gottkanzlers" (Spiegel), dass der in seinen großen Tagen als Schulzomat gerühmte Lokführer des Schulzzuges es dabei belassen würde.

Doch Schulz ist Sozialdemokrat und er kann schon allein deswegen nicht spüren, wenn es vorbei ist. Pünktlich zur Verabschiedung des Kanzlerwahlprogrammes seines Nachfolgers Olaf Scholz hat die ehemals letzte Patrone der deutschen Sozialdemokratie sich vernehmlich zurückgemeldet. "Wenn es eine Partei gibt, die unser Land aus der Krise und in eine bessere Zukunft in einem starken Europa führen kann, dann ist es die @spdde", dekreditierte @martinschulz bei Twitter und er lobte das Wahlprogramm seiner Partei. Mit dem mache die SPD "einmal mehr deutlich. Zukunft, Respekt, Europa - packen wir‘s an!" 

#SozialePolitikfürDich

So wirr die Botschaft, so entschieden der Hasshtag: #SozialePolitikfürDich. Schulz, einst nicht nur angetreten, „kostenlose staatliche Bildung und Betreuung von der Kita bis zum Studium“ zu gewähren,  ein „Arbeitslosengeld Q“ einzuführen und bis 2025 die Vereinigten Staaten von Europa zu gründen, ist spürbar ganz bei sich, wie er hier noch einmal den Schulzzug besteigt, der jetzt ein Scholzzug ist, aber wie gehabt schwer unter Dampf steht. Überall kommt der raus, der ganze Kessel ist leck. Doch was ein "Glühender Sozialdemokrat" (Schulz über Schulz) ist, der sich als Wahlkämpfer selbst noch immer wie magisch mitreißen kann, der erkennt in den Löchern ein Muster, das nach ihm ruft: Martin!

1,68 Meter schiere SPD-Power, für die heute unter Sammlern hochgehandelten Pappaufsteller auf 1,80 Meter hochgefakt und nun im Original wieder da: Als hätte es die frustrierende Episode der Nahles-Ära nie gegeben und als habe er auch mit 65 Jahren und nach 45 Jahren als Parteiarbeiter, Vielfachfunktionär und Frontkämpfer für die Versöhnung des Sozialen mit dem Nationalen nicht genug, stellt sich Martin Schulz in den Dienst der Sache, in den Dienst seines Nachfolgers, der ihm seinerzeit vorgeworfen hatte, Schulzens Funktionärspartei habe den Kontakt zu ihrer Wählerschaft verloren, weil die einen Kurs des linksliberalen Klimbim einfach nicht mitmachen wolle.

Schulz heißt jetzt Scholz

Der neue Scholzzug, offiziell als "Projekt Olaf21" auf den Gleisen, sieht die einstigen Rivalen der Rennbahn ins Kanzleramt nun als Kampfgefährten, zumindest aus Schulzens Sicht. Mit der irritierenden Euphorie, mit der seine Fankurve den drögen Buchhaltertyp zu "Gottkanzler" und "The Schulz" ausgerufen hatte, feiert die traurige Witzfigur ihren Nachfolger als würdigen Erben: Scholz, den die SPD bei der Wahl zum Parteivorsitzenden durchfallen ließ, sei der Richtige, ganz Deutschland und damit auch Europa durch die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg zu führen.

Dank für seinen selbstlosen Einsatz darf Martin Schulz aber wohl nicht erwarten. Olaf Scholz behandelt den früheren Parteivorsitzenden bislang demonstrativ wie Luft, nicht einmal hat sich der Kanzlerkandidat zu seinem Vorgänger geäußert, seit beide vor Jahren gemeinsam Wahlkampf in Hamburg machten. Doch der frühere Würselener Bürgermeister, der den bedeutungslosen Posten des sogenannten "EU-Parlamentspräsidenten" für eine Zeit lang zu einem bedeutenden Thema für deutsche Medien gemacht hatte, dient sich weiter an. Wer die Uneigennützigkeit von Martin Schulz kennt, weiß, dass der 65-Jährige noch längst nicht an die Rente denkt. Schulz träumt immer noch von einem Ministerposten, am liebsten wäre ihm das Außenamt, das seine Inhaber immer beliebt macht.

Das aber war es immer, was Martin Schulz sein wollte und zu erreichen trachtete.



7 Kommentare:

Carl Gustaf hat gesagt…

Jetzt, wo der Thierse auch noch anfängt den parteiinternen Aufstand zu wagen, befürchte ich, dass die SPD ihre Stimmenzuwächse allein im Wstn (zzgl. Berlin/West) erwirtschaften muss. Eventuelle Schmutzkampagnen der Titanic laufen dagegen Gefahr, nicht mehr als Satire, sondern vielmehr als Leichenschändung zu gelten.

Anonym hat gesagt…

>Wer die Uneigennützigkeit von Martin Schulz kennt

Oh ja. Wiki:

1998 verzichtete er zugunsten seines seit 1994 bestehenden Mandats im Europäischen Parlament auf das Bürgermeisteramt

Da kannte er nichts! Die Würde als Bürgermeister gab er drein für Europa.

Oha, der ist jetzt Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung? Motto: Wir müssen Soziale Demokratie mutig nach vorne denken (das könnte auch von Zeller sein).
Bei der SPD kann man auch als alter Weißer noch was werden, das sollte Thierse fröhlich stimmen. Der alte Zottelbär hatte bloß die falschen Connections.

Anonym hat gesagt…

Einige Kommentatoren auf Pipi sind noch um ein weniges lichter. So schrieb ein gewisser Amos sinngemäß, es wäre nicht über einen demnächst erfolgenden endgültigen Absturz der Sozen zu frohlocken: Die sogenannten Stammwähler sind erstaunlich merkbefreit. Wo doch der Willy Brandt immer so tolle Reden hält und so ein Frauentyp ist ... Kaum etwas hinzuzufügen, außer daß es für a l l e anderen Parteien auch gilt.

Anonym hat gesagt…

Andere Kommentatoren auf Pipi sind das weniger. Schrieb einer, wenn sie alle Maßnahmen plötzlich aufhöben, und es geschähe daraufhin nichts Böses, wäre es um Merkel und Genoss_innen geschehen. Weswegen sie immer weiter machen müßten. --- Quark. Es würde als Erfolg der bisherigen und nunmehr aufgehobenen Maßnahmen dargestellt, und geschluckt werden.

Anonym hat gesagt…

Der Link mit Yascha* Mounk war wahrhaftigen G_ttes nicht von mir, abel tut del ehlwühldige Blogwalt nicht doch manchmal übelleagielen?

*als ob "Sascha" nicht schon schwul genug wäre ... (Bin Jürgen von der Lippe - Fan).

Anonym hat gesagt…

hildesvin sagt:
4. März 2021 um 22:35

Lenin und die Matrosen
4.3.2021 14:33

Sehr nett zu lesen, wie der Kommunismus seine eigenen Anhänger zu Tausenden abknallt, wenn die das haben wollen, was er ihnen vorher versprochen hat.
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Nicht uninterssant bei Danisch. Ein kleiner Blitzmerker war Hadmut ja schon immer.
Wie Dr. Nobel Price auf seinem geheimen Insellabor in der Kindersendung Sesamstrasse.
Die Lustbarkeiten um den Kronstädter Aufstand sind eine der Gründe, warum ich mich der Edellinken vom Ahriman-Verlag stark entfremdet habe.
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Bei Vitzli dem 9/11 - Gläubigen aufgeschappt. Parallelen zur Nacht der langen Messer sind natürlich bäh. Wie sich der (((Commandante))) von Kronstadt und seine (((Alte))) aufgeführt haben, will man in bolschewistischen Nicht(((-)))-Kreisen natürlich nicht wissen.

ppq hat gesagt…

tut er nicht