Ursula von der Leyen wollte ihre Karriere eigentlich mit dem Bau von Luftschlössern in Brüssel beenden. Plötzlich aber zeigt sich: Das reicht nicht. |
Sie kam wie aus dem Nichts, aus dem Hut gezaubert von der Bundeskanzlerin, eigentlich auf der Flucht vor einem alten Handy, das drohte, die Bundesregierung in schweres Wasser zu treiben. Und auf einmal die Kompromisskandidatin von Deutschen und Franzosen. Ursula von der Leyen, deutsche Rekordhalterin bei der Zahl der verschiedenen Ministerposten, die jemals ein Mensch innegehabt hat, vermochte es, das heilige Spitzenkandidatenprinzip der EU-Wahlen auszuhebeln, den beliebten Spitzenkandidaten Manfred Weber aufs Altenteil zu schieben und die Europäische Gemeinschaft so binnen weniger Tage neu zu gründen.
Die Bundeswehr als Beraterarmee
Mit demselben Selbstbewusstsein, mit dem sie die Bundeswehr zu einer großen Beraterarmee umgebaut hatte, startete Ursula von der Leyen auch in Brüssel, ihrer Geburtsstadt. Mit einem Bauchladen voller Weltverbesserungsideen redete sie dem Kontinent ins Gewissen. 28 Seiten umfasste von der Leyens aufrüttelnde erste Rede, die viel über die innere Ursula verriet: 17 mal sprach sie von „Führung“, einmal nur von Deutschland. 56 mal erwähnte sie Europa, 51 mal „europäisch“, gleich dahinter fanden sich einigende Vokabeln wie „unserer“ (39) und „Menschen“ (32), gefolgt von den wichtigsten Betreuungsinstitutionen „Kommission“ (31), „Parlament“ (30) und „Union“ (24).
Ursula von der Leyen, Tochter eines alten Pastoren- und Beamtengeschlechts aus Höxter an der Weser, denkt das menschliche Leben von oben her. Das Volk ist bei ihr eine zu lenkende Masse Mensch, die von Menschen wie ihr, die es durch höhere Einsicht, Berufung und größere Klugheit besser wissen, auf den richtigen Weg gebracht und dort gehalten werden muss. Ein politisches Konzept, das vor allem bei schönem Wetter gut funktioniert. Dann schert sich das Volk wenig um die Visionen seiner Kostgänger, es lässt sie reden und geht seinen eigenen Geschäften nach, während die politische Klasse sich damit beschäftigt, symbolisch an einer besseren Welt zu bauen.
Ein Leben für die Weltregierung
Von der Leyen ist eine herausragende Vertreterin jener Spezies, die in Konferenzsälen und Businesslounges lebt - und in der Vorstellung, die Welt zu regieren. Die kleine Frau mit den vielen, vielen Haaren, die es schaffte, mehrere Studien zu absolvieren, während sie sieben Kinder aufzog, in Kalifornien forschte und politische Karriere vorantrieb, arbeitete eigenen Angaben zufolge daran, den Menschen "eine Welt voller
neuer Technologien und tief verwurzelter Werte" zu bauen, ein "Europa, das international die Führung übernimmt, wenn es um die
großen Herausforderungen unserer Zeit geht". In von der Leyens Welt wird Zukunft geschmiedet, indem Pakte und Verträge geschlossen werden, die festschreiben, wie alles werden sollen wird. Das klappt nie, wird aber nie zugegeben. Und bleibt deshalb grundlegendes Schaffensprinzip.
Dann kam das Virus. Und es kam Ursula von der Leyens Forderung an die europäischen Staatenführer, die EU nicht dauerhaft als Leerlaufbetrieb ohne Seuchenaufgaben verhungern zu lassen. Mitmachen wollte sie, mitmachen, um die eigene Bedeutsamkeit zu beweisen. Die Regierungschefs der Nationalstaaten stimmten zu. Doch die Vorbereitung der großen, erlösenden und europaweiten Impfkampagne, als Triumphzug der EU geplant, geriet zum "Impfdesaster" (Tagesschau): Zu wenig, zu langsam, zu intransparent, zu ungerecht. Sechs Wochen nach den Jubelschlagzeilen über den minutiös geplanten gemeinsamen Impfstart schießen sich selbst teilstaatliche Medien ein - und sie haben Ursula von der Leyen als Hauptschuldige für eine Situation ausgemacht, die europaweit jeden Tag fast 4.000 Menschen das Leben kostet.
Langsamer impfen, länger sterben
Wo langsamer geimpft wird, wird naturgemäß länger gestorben werden müssen. Doch wo im Mittelpunkt aller Bemühungen die Anstrengung steht, "unsere Einheit und unsere innere Stärke wiederzufinden" und "für eine stärkere Verbindung sorgen zwischen Menschen, Ländern und Institutionen" zu sorgen, tritt der urmenschliche Erwartungsreflex, der den Erhalt des menschlichen Lebens gegenüber allen anderen Dingen priorisiert, hinter das Motiv zurück, institutionell eine gute Figur zu machen, um in der nachfolgenden neuen Normalität vom angehäuften Vertrauenskapital profitieren zu können.
Ein Experiment an 440 Millionen Menschen, das unglücklicherweise ebenso misslungen ist wie von der Leyen Bundeswehrumbau, ihre Projekt zur Netzzensur und ihr mehrfach ausgerufener Trendwechsel bei der deutschen Geburtenrate. Dass Ursula von der Leyen die europäische Impfkampagne zur Chefinnensache erklärte, wird ihr nun als Fehler angerechnet: Die Hoffnungsträgerin, deren Inthronisierung an der Spitze der EU als deutscher Sieg über nationalistische Kleininteressen ausgegeben worden war, gilt nun als Problemfall.
Im Tal der Tränen
Statt zu zeigen, dass die große Frieden-und Wertegemeinschaft in fundamentalen Krisen gemeinsam und geschlossen handelt und so besser durch jedes Tal der Tränen steuert, beweist die Pandemie unübersehbar für jedermann, was im Sonnenschein schöner Tage nur Experten auffällt: Das Aushandeln von allgemein als vorteilhaft angesehenen Kompromissen zwischen 27 Staaten, in denen weit mehr als 80 Parteien mitregieren, die auch noch Rücksicht auf mehr als 190 Oppositionsparteien nehmen müssen, ist eine so komplexe Angelegenheit, dass jede kleine Bewährungsprobe sofort zu einer existenziellen Bedrohung wird, weil alles so unheimlich langsam geht, dass selbst der deutsche Föderalismus dagegen wie ein schnittiges Schnellboot auf spiegelglatter See wirkt.
Dass Ursula von der Leyen nun als Verantwortliche für ein Versagen herhalten muss, dass systemischer Natur ist, wirkt angesichts des Wirkens der 62-Jährigen nicht unbedingt ungerecht, ist aber doch unangebracht. Sicher hat das schrille, hypermoralische und nicht lebenstaugliche Agieren der Frau aus Niedersachsen, die inzwischen den allerletzten Verteidigungsgraben bezogen hat, das europäische Debakel auf eine Art befeuert, dass unter normalen Umständen nur ein Rücktritt die Spannung lösen könnte. Doch für Ursula von der Leyen gibt es keine Anschlussverwendung mehr, denn sie besetzt ja heute schon einen Posten, den sie nur innehat, weil sie einen anderen verlassen musste. Sie wird also bleiben, bis der Tag kommt, an dem sie die Katastrophe zu einem Triumph erklären kann.
Dann wird alles richtig gewesen sein. Und niemand wird die Leichen zählen.
3 Kommentare:
Flugbereitschaft könnte kapott gehen und vdL plötzlich versterben
Bruder Danisch zitiert gern ihr 'krachend inkompetent', das sie jedem vor die Füße rotzt, der ihr die Luftschlösser nicht aus realen Euros hinbaut.
VdL war der Preis, den die Franzosen Madame Merkel für die Überlassung der EZB gewährten. Mehr war nicht drin. Und ein Umtausch ist auch ausgeschlossen.
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