Arme USA, armes Deutschland: Abgerutscht im Demokratieindex. |
Was für ein verfluchtes Glück haben die Menschen auf der Krim denn da auf einmal gehabt! Seit sechs Jahren von Russland besetzt, ist die ehemals zur Ukraine Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik gehörende Halbinsel nun wieder in die Gemeinschaft der friedliebenden Demokratien zurückgekehrt. Unbemerkt, womöglich infolge der Corona-Eindämmungsmaßnahmen, hat die Londoner Economist Intelligence Unit (EOU, "We monitor the world to prepare you for what’s ahead") das annektierte Stück Ukraine im aktuellen "Democracy Index" nicht dem russischen Machtbereich zugerechnet, das als "autoritäres Regime" der Stufe 3 (leicht) rosa eingefärbt ist wie Algerien, Mauretanien, Mali und Niger. Sondern im freundlichen Violett einer "hybriden Demokratie" der Stufe 2, das sich das völkerrechtlich weiter als zuständig geltende Mutterland Ukraine durch seine großen Fortschritte etwa bei der Abschaffung des Kampfes gegen die Korruption erarbeitet hat.
Wie toll ist das denn für die Menschen auf der Krim, die nun seit Jahren unter der Knute der russischen Besatzer leben müssen, nun aber immerhin erfahren dürfen, dass der "allgemeine Stand der Demokratie" auf ihrem Zipfelchen Land im Schwarzen Meer verglichen etwa mit den Zuständen in Moskau oder St. Petersburg, aber auch in Ankara und im Libanon richtig gut ist!
Obwohl sich der von der EOU mit viel Magie und Kartenschieben errechnete "globale Indexwert" im vergangenen Jahr "leicht von 5,44 auf 5,37 Punkte" verschlechterte hat! Nach den aktuellen Zahlen lebt derzeit nur etwa die Hälfte der Menschen weltweit in einer Demokratie. Deren Gültigkeit kategorisieren die britischen Forscher dann noch einmal in zwei Stufen: Die USA ist so zum Beispiel keine vollständige Demokratie, Deutschland auch nicht, den Höchstwert hier erreichen nur Kanada, Schweden, Norwegen, Island, Dänemark und Irland.
Staaten wie Frankreich, die USA, Portugal und Italien schaffen sogar nur Stufe 3 der Demokratie, sie sind sogenannte "unvollständige Demokratien" mit Demokratiewerten knapp über Indien, der Mongolei und Brasilien. Dahinter folgt dann schon die Ukraine, auf Augenhöhe mit Bolivien und Marokko, Äthiopien und Kenia. Es folgen die Türkei, die Elfenbeinküste und Pakistan in päpstlichem deep purple. Schlimmer wird es danach immer: Mosambik, Simbabwe, Angola, Nikaragua und Russland sind die Vertreter des Modells "moderates autoritäres Regime". Anschließend dann China, Afghanistan und der Iran, der Blutgürtel des Weltballs. Und schließlich Nordkorea, Libyen, Tschad, die Zentralafrikanische Republik und der Kongo, im abschreckenden Wetterkartendunkelrot eines deutschen Klimatages gehalten und für menschliches Leben so wenig geeignet wie der Mond.
Im 2020 wurden immerhin 23 Länder als „vollständige Demokratien“ eingestuft, darunter auch Deutschland - und das, obwohl das erste Corona-Jahr die Gewährleistung der politischen Freiheit als freie Selbstregierung der BürgerInnen ebenso unter einen Zustimmungsvorbehalt des Corona-Kabinettes stellte wie die Möglichkeit der "fairen Mitwirkung an politischen Entscheidungen" und die als Voraussetzung für demokratische Systeme geltende "rechtliche Kontrolle als horizontale und vertikale Accountability". Das spricht für die tiefe Verwurzelung des Glaubens der Analysten an die deutsche Demokratie - immerhin sortierten sie Frankreich, die USA und Australien zuletzt aus der Spitzengruppe der "vollständigen Demokratien" aus.
Als Sieger aber dürfen sich eben nicht nur die Deutschen fühlen, die trotz der Suspendierung ihrer Grundrechte, trotz zurückgenommener und verschobener Wahlen und trotz eines routinemäßig regierenden Notstandskabinettes ohne Verfassungsrang immer noch vollständig demokratisch leben. Sondern eben auch völkerrechtliche Kuriositäten wie die Krim oder Nordzypern. Weil nicht anerkannt werden kann, dass die zwei Millionen Einwohner auf der Krim unter russischer und die 320.000 Nord-Zyperer unter türkischer Administration leben, darf ihr Demokratiezustand gleich drei Stufen hochrutschen und sich mit den Werten des Nachbarstaates Ukraine schmücken.
Noch besser läuft es für den Staat Palästina, den im 17. Amtsjahr der vierjährigen Amtszeit von Präsident Mahmud Abbas eine Mehrheit der Staaten der Weltvölker völkerrechtlich anerkannt hat. Der aber klein genug ist, um auf der Demokratieweltkarte nicht eigens eingetragen werden zu müssen.
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