Wissler und Hennig-Wellsow stehen für ein klares Ziel: Nicht mehr Kuchen, sondern die ganze Bäckerei. |
Sie sind jung, sie sind weiblich und sie machen keinen Hehl aus ihren Absichten: Mit der Wahl von Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow bekennt sich die Linkspartei erstmals seit ihrer Namensänderung von SED zu "SED-PDS" wieder klipp und klar zum Kommunismus als gesellschaftspolitischem Ziel. Kein Herumgerede mehr über "Sozialismus", "soziale Gerechtigkeit" und Chancengleichheit, keine Ausflüchte, es könnte dabei bleiben, dass nur die Superreichen mit Hass und Häme überzogen werden, um die gesellschaftliche Spaltung zum eigenen Nutzen zu vertiefen und zu verbreitern. Jetzt geht es um alles, jetzt geht es um die Regierungsbeteiligung, um die Macht und den Generalangriff auf die Grundlagen der freiheitlichen Gesellschaft.
Mittelalte weiße Bildungsbürgerkinder
Mit Wissler und Hennig-Wellsow, zwei eher bräsig und begrenzt gefährlich wirkenden mittelalten weißen Bildungsbürgerlinken aus Hessen und Mecklenburg, die Erziehungswissenschaften und Politologie studiert haben und so viel Diversität versprühen wie eine deutsche Kartoffel-Nationalmannschaft, übernehmen zwei Chefinnen die nunmehr als "Linkspartei" firmierende SED, die noch keinen einzigen Tag in ihren 43 und 38 Jahre währenden Leben gearbeitet haben. Wissler wie Hennig-Wellsow entstammen derselben neuen deutschen Nomenklatur wie Kevin Kühnert, Aydan Özoguz, Juliane Seifert und Florian Pronold und Sawsan Chebli, sie gleichen den Manuela Schwesig, Lars Klingbeil und Carsten Schneider der anderen Parteien wie ein Ei: Nachwuchskader aus der Asiette der Parteibrutanstalt, die schon vor dem Abitur in die Partei eingetreten sind, während des Studiums dann für einen Abgeordnetseienden arbeiten, ehe sie selbst in leitende Parteiämter aufrücken.
Für den kommenden Kommunismus sind das gute Nachrichten. Die neue Generation der Funktionäre ist jung genug, den letzten Versuch der Errichtung einer gerechten Gesellschaft der Gleichheit aller nur noch als Kind erlebt zu haben. Unbeleckt von den Opfern, die das Menschenexperiment mit Millionen gefordert hat, kämpfen sie heute für einen neuen Versuch: Es war nicht alles schlecht, da sind sich Linke aus der Linkspartei und Realos bei der SPD, die Grünen und der Merkel-Flügel der CDU weitgehend einig.
Anschlussfähige Enteignungsideen
Wer hier noch Unterschiede finden will, muss zur Lupe greifen. Kevin Kühnerts Enteignungsfantasien, nach denen „jeder maximal den Wohnraum besitzen sollte, in dem er selbst wohnt“ und alles, "was unser Leben bestimmt, in der Hand der Gesellschaft sein" muss, würde Wissler zweifellos unterschreiben, denn sie lehnt den Kapitalismus als „unmenschliches, grausames System“ ab und strebt eine "klassenlose Gesellschaft" an. Ihre neue Spitzengenossin Hennig-Wellsow nennt es "das Martyrium des Kapitalismus", abzuschaffen nach Ansicht von Wissler erklärtermaßen nicht friedlich über Parlamente oder Regierungen, sondern, das ist Tradition, durch eine Revolution.
Achselzuckend nimmt die liberale Restgesellschaft die Kampfansage hin, die Drohung geht bei Gleichgesinnten als Zeichen dafür durch, dass die beiden Klassenkämpferinnen "die Linke einen und nach vorne bringen". Linksliberale Medien feiern mit, die staatlich finanzierte "Tagesschau" konstatiert neblig, die beiden wollten "gesellschaftliche Veränderung". Gemeint ist nach allem, was Janine Wissler vor ihrer Wahl - wie in ihrer Partei jahrzehntelang gute Übung ohne Gegenkandidaten - verkündet hat, "das System aus den Angeln zu heben" und die "Macht- und Eigentumsverhältnisse zu verändern" (Wissler). Auch in ihrer Bewerbungsrede versprach sie einen „Systemwechsels“ - weg vom parlamentarischen System, weg von der Marktwirtschaft, weg von einer Gesellschaft freier Entscheidungen des Einzelnen. Hin zu Kollektivismus, Gleichmacherei von oben, Planwirtschaft und Enteignung..
Beste Aussichten also für die Generation Parteiarbeiter, die nun auch die Linke übernommen hat. In einem Moment höchster Not, denn die durch den Anschluss der westdeutschen Lafontaine-Linken kurzzeitig gestärkte Partei - immer noch rechts- und vermögensidentisch mit der Ende April 1946 im Berliner Admiralspalast gegründeten SED - steckt in einer tiefgreifenden und langanhaltenden Krise. Die Wahlergebnisse bröckeln schon seit Jahren, die Linke ist drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung nur in zehn Landesparlamenten vertreten, davon liegen nur vier in Westdeutschland, davon wiederum sind drei kleine, bedeutungslose Länder. Regierungsverantwortung trägt die SED, die vor 31 Jahren noch ganz Ostdeutschland regierte, nur in Thüringen - und selbst dort ist sie auf die wohlwollende Duldung der CDU angewiesen, die nur so lange sicher ist, wie die deren Bundesspitze lieber mit ganz links als mit rechts paktiert.
Der kommunistische Karren im demoskopischen Dreck
Wissler und Hennig-Wellsow, bundesweit vollkommen unbekannt und im Talkshowgeschäft völlig unerfahren, müssen den kommunistischen Karren nun aus dem demoskopischen Dreck ziehen. Weil die Linke dem Schwenk vom Klassenkampf zur Klimaschlacht verpasst hat und die Grünen auf dieser Strecke weit davongezogen sind, bleibt nur die Verschärfung der Klassengegensätze, das Beschwören des letzten Gefechts und die unverhohlene Drohung, die Gesellschaft „grundsätzlich zu verändern“. Janine Wissler, eingeschriebene Anhängerin der weltrevolutionären Ideen Leo Trotzkis, hat in ihrer Antrittsrede keine Zweifel daran gelassen, wohin die Reise gehen soll: "Es geht nicht nur um ein größeres Stück vom Kuchen. Es geht ums Ganze, es geht um die Bäckerei."