Dienstag, 5. Januar 2021

Vertrauensverlust: Im Säurebad der falschen Versprechen

Der Moment, als die Bundesregierung bekanntgab, dass ihr nicht zu trauen ist: 14. März 2020.

Vielleicht war es dieser Moment, in dem alles zusammenbrach. In dem aus gespannter Aufmerksamkeit eines ganzen Volkes, aus der Bereitschaft, fügsam zu sein und Gefolgschaft zu leisten, eine Bockigkeit wurde, die sich aus enttäuschtem Vertrauen speist. "Achtung Fake News", hatte das Bundesgesundheitsministerium am 14. März des ersten Corona-Jahres um fünf vor zwölf Uhr mittags warnend herausgeraunt. Höchste Gefahrenstufe! Es werde "behauptet und rasch verbreitet, das Bundesministerium für Gesundheit / die Bundesregierung würde bald massive weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens ankündigen", hieß es weiter. Und "Das stimmt NICHT!"

Und es stimmte doch

Es dauerte dann noch genau einen Tag, bis der erste sogenannte lockdown mit allerlei bunt gemischten, rätselhaft voneinander abweichenden und erratisch verschlungenen Eindämmungsmaßnahmen der Bundesländer verkündet wurde. Wer dem Aufruf des Bundesgesundheitsministers gefolgt war, beim Stoppen der Verbreitung der vermeintlichen fake news aus dunklen, übelwollenden Quellen mitzuhelfen, stand nun da wie ein Trottel. Leichtgläubig. Vertrauensselig. Ein willenloses Opfer selbst schlecht gemachter Regierungspropaganda.

Nie wieder danach war die Sache so klar, nie wieder aber wagte sich auch nur irgendein Regierungsorgan, noch einmal einen Schritt auf das dünne Eis der Tagesgewissheit zu gehen. Das Selbstbewusstsein, mit dem Jens Spahn, Peter Altmaier und Armin Laschet zu Beginn der Pandemiezeit noch verkündet hatten, Masken nützten nichts, alle Arbeitsplätze in Deutschland seien sicher und die Lage im Griff, hatte sich in tiefe Verunsicherung verwandelt, als die selbsternannten Führer der Nation erstmals überhaupt vor einer Situation standen, in der es darauf ankam. Und zwar nicht darauf, welches Partikularinteresse zu bedienen wie viele zusätzliche Stimmungspunkte bringt, sondern darauf, das Richtige zu tun, um das Schlimmste abzuwenden.

Gendersterne helfen nicht

Weder Gendersterne noch Haltungsnoten helfen da, keine breitangelegte Überzeugungskampagne und nicht  die alte Merkel-Strategie des "Sie kennen mich - und einen anderen haben wir nicht". Mit der offensiv vorgetragenen Behauptung, es seien die "massiven weiteren Einschränkungen des öffentlichen Lebens" keineswegs geplant, die wenig später bereits in Kraft traten, stellte das Corona-Kabinett erstmals unter Beweis, dass es keine Strategie gab, keinen Plan und keine Vermutung, wie einer aussehen könnte.  Mit großer Geste wurde das eine behauptet, kleinlaut kurze Zeit später etwas anderes getan.

Es blieb der Grundton, der unter dem sich anbahnenden Versagen der gesamten Bundesregierung wie ein dumpf brummelnder Bass lag. Die ersten Nothilfen erreichten die einen gar nicht, die anderen aber doppelt. Die Umsatzsteuersenkung kostete den Handel mehr an Umstellungskosten als sie die Kunden bei den Preisen sparte. Die Grenzschließung kam zu spät, die Grenzöffnungen dafür dann zu  früh, die Schulen und der Nahverkehr waren keine hot spots, zumindest keine, die man zugeben wollte. Die Altenheime wurde nicht geschützt, dafür aber Freiluft-Basketballer und Tennisspieler. Die Digitalisierung war anfangs eine Katastrophe. Und sie blieb eine bis zu den Novemberhilfen, die im Januar noch nicht ausgezahlt waren.

Niemand traut ihnen mehr

Zu diesem Zeitpunkt traute schon niemand im Land mehr irgendeiner Aussage irgendeines Bundes- oder Landespolitikers weiter als er selbst auch das Gegenteil für möglich hielt. In stillem Gedenken an die Festlegung der Bundeskanzlerin vom Oktober, dass jede Corona-Bekämpfungsmaßnahme "geeignet, erforderlich und verhältnismäßig", vor allem aber "zeitlich befristet" sein müsse, wurde der kurze, knackige "Wellenbrecher-Lockdown" im Herbst verhängt, ehe er verschärft wurde, um im Winter noch besser zu wirken. Auf der Bühne diskutierten die Corona-Experten, die Corona-Ministerpräsidenten und die weitgehend unsichtbare Kanzlerin über ob und wie und wie lange der nächsten Eindämmungsverlängerung, als wisse nicht jeder, dass alles längst entschieden war: lockdown bis zur Herdenimmunistät oder bis zum Sommer. Je nachdem, was früher kommen würde. 

Das Vertrauen war weg, aufgelöst im Säurebad regierungsamtlicher Lügen, die sich in elf Corona-Monaten als systemisches Problem herausgestellt haben. Die einzige Strategie der Corona-Bekämpfer bestand stets im Versuch, im Moment gut auszusehen und im übrigen darauf zu vertrauen, dass alles andere schnell vergessen sein wird.  Wer erinnert sich schon noch nach Monaten daran, dass die Schulen hatten vorbereitet werden sollen? Dass Kliniken auf personelle Verstärkung hoffen durften? Und die Gesundheitsämter zu Hightech-Zentralen der Seuchenbekämpfung ausgerüstet werden würden?

Der Impfstoff als Heilmittel für die EU

Doch mit der Impfstoffbestellung schließlich gelang es, die eigene Unfähigkeit zu schnellen, wirksamen Maßnahmen auf den Punkt zu bringen: Politisch aufgeladen zu einer Frage, die nicht nur über Leben und Tod von tausenden Menschen, sondern vor allem über den viel wichtigeren guten Ruf der europäischen Gemeinsamkeit entscheiden sollte, geriet der deutsche Erstangriff in der Impfstoffschlacht zu einer Wiederaufführung der Schlacht von Cannae im Amateurtheater. Fabelhaft preisgünstig hatte die zur symbolischen Stärkung der eigenen Stellung mit der Impfstoffbeschaffung für alle EU-Länder beauftragte EU-Kommission  vor allem dort eingekauft, wo es noch und auch auf nähere Sicht keine lieferbaren Vakzine gibt. 

Lob der EUnfähigkeit

Wenigstens die Gefahrabwehrroutinen der Gewährsträger der gesamtgesellschaftlichen Gefahrensituation funktionieren mittlerweile wie geschmiert. Die einen preisen die EUnfähigkeit, Leben zu schützen, wo es möglich wäre, als beispielhafte Bereitschaft, andere auf dem Altar der  Wertegemeinschaft zu opfern. Die anderen spielen Schrapps hat den Hut verloren - sie waren es nicht, es waren die anderen, was ein Glück. dann kann ja niemand etwas dafür.

Vertrauensbildende Maßnahmen, die vom eigenen Versagen ablenken und die Umstände, die politische Konkurrenz, namenlose Corona-Leugner, russische Einflussagenten und die unzureichende Gefolgschaftsfreude der Bürger für die katastrophale Eindämmungsbilanz verantwortlich machen sollen. Der fake-news-Account des Bundesgesundheitsamtes bei Twitter hilft weiter mit, so gut er kann. Aktuell mit einer  Liste von Internetadressen, bei denen man "verlässliche Antworten und aktuelle Informationen zum #Coronavirus" finden könne. 


7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Lachen über Journalismus. Heute: SZ https://www.sueddeutsche.de/politik/coronavirus-impfstoff-bestellung-merkel-spahn-eu-europaeische-union-eu-kommission-1.5163624

Alles gut, keine Fehler gemacht, und die Katze hat die Hausaufgaben gefressen. Journalistische Spitzenleistung: Kohls verweste Leiche wird aus der Gruft gezerrt. Da seht her! Der alte Kohl hätte es genau wie Merkel gemacht! Wenn ich's ihnen sage! Guter Europäer!

Gerry hat gesagt…

Was hat Cannae dem Hannibal gegen die penetranten Römer genutzt? Ausser dem Hinauszögern der eigenen Niederlage um Jahre.

Es ist immerhin eine süffisante Beobachtung von Kriminellen, welche scheinbar stümperhaft vorgehen. Keiner hat behauptet, dass der Weg ins Elend gut aussehen soll.

Fakeimpfung gegen ein Fakeproblem. Die Absichten dahinter können mit Sicherheit nicht gut für den kleinen Mann sein.

Carl Gustaf hat gesagt…

Apropos Cannae und Hannibal. Wie sagten schon die alten Römer: mundus vult decipi, ergo decipiatur!

Anonym hat gesagt…

Mundus vult decipi - war das nicht von Martin Luder?

Die Anmerkung hat gesagt…

Some claim that the 1st century satirist Petronius originated this expression, but it appears nowhere in the surviving copies of his work.

Sprechpuppe hat gesagt…


Oha, hier wird mal wieder im antiken Großen Latrinum geschwelgt, dass sich die alte Römerblase ungewollt entleert. Naja, somit bleibt uns wenigstens ein Harnstau erspart, der imperial aufs Hirn drückt.

Darum avanti popolo! Wir schaffen das! Was? Egal, einfach alles! Nur genug Acid einwerfen, dann klappt es auch mit den sich wattstark verlustierenden Außerfriesischen.

Arabische Palindromforscher entdeckten bei denen kürzlich den versteinerten Urahnen des Otto. Aber bitte nicht mit den Ottomanen verwechseln, denn die siedeln noch weiter südöstlich als Cannae liegt bzw. lag, sofern es sich nicht um hiesige Liegesofas dreht, die auch bei uns anzutreffen sind.

And finishing the timetravelstory we get a little english gift of Mr. Bean . Fancy stuff. Fat Double Like! The Queen will be amused.

Aber vermutlich meintet ihr mal wieder etwas völlig anderes, und ich Depp kapiere die Botschaft nicht mit der nötigen Portion Sonderbegabung.

Tja, Kismet, denn viele fühlen sich berufen, aber nur wenige sind auserwählt. Ich muss wohl intensiver an meinen Quatschskills arbeiten.

Anonym hat gesagt…

meintet ihr mal wieder etwas völlig anderes ...

Eher, an Deiner Rechtschreibung zu arbeiten.