Die Übersterblichkeit aus aktuellen Medienberichten ist längerfristig kaum noch zu entdecken. |
1568 Tage dauerte der Erste Weltkrieg, in diesem Zeitraum starben etwa zwei Millionen Deutsche, Soldaten und Zivilbevölkerung. Das sind 1.275 Opfer am Tag - ein erschütternder Wert, den Deutschland zuletzt wieder ansteuerte. Im elften Corona-Monat war es soweit: Das Robert-Koch-Institut meldete atemberaubend ähnliche Zahlen von der Corona-Front.
Ein flaches Medienecho
Das mediale Echo aber blieb verblüffend flach. Zwar fantasierte die "Süddeutsche Zeitung", Covid-19 sei "ein Totmacher" und "noch nie in der Geschichte der Republik sind so viele Menschen in so kurzer Zeit an einer einzigen Krankheit gestorben." Doch selbst dieses aufrüttelnde Märchen, das Herzinfarkt-, Krebs- und Grippetote elegant ignoriert, entzündete nicht die überschäumende Begeisterung, die medial ausbrach, als gemeldet werden konnte, dass Covid-19 mehr US-Amerikanern das Leben gekostet als der Vietnamkrieg. Mehr US-Opfer als der Vietnamkrieg! Mehr Schlagzeilen als jedes Vorsorgeversagen im Inland. Nun aber zwangsläufig mehr Opfer als der Erste Weltkrieg, wenn alles bis zum Impftermin für den letzten Bauarbeiter aus der Nicht-Risikogruppe im gleichen atemberaubenden Tempo weitergeht! Und gar keine Schlagzeilen. Der Moment geht ungefeiert vorbei.
Ähnlich wie deutsche Medien das Erreichen runder Opferzahlen seit Monaten nur im Ausland feiern und ähnlich wie es die EU bis heute erfolgreich vermeidet, eine EU-bezogene Auswertung der Infizierten- und Opferzahlen öffentlich zu machen, spielen statistische Vergleiche in der Regel nur eine Rolle, wenn sich Regierungsentscheidungen damit noch besser begründen lassen.
Nützen die Zahlen oder könnten sie schaden? Helfen sie bei der Krisenbewältigung? Oder drohen sie den Uneinsichtigen in die Karten zu spielen? Darum geht es immer, begonnen bei der irrwitzigen Anti-Maskenkampagne im Frühjahr 2020 bis zum Start des Salami-Lockdown im November, dem die Rettung von "Weihnachten" als Würstchen vorangeschwenkt worden war.
Nach dem Weihnachtswürstchen
Wenn nun auf allen Kanälen Särge zu sehen sind und Bestatter demonstrativ stöhnen, dann geschieht das, um Übersterblichkeit durch Covid-19 als Warnung zu verwenden. Übersterblichkeit, die dann regelmäßig im Zeitraum zwischen 2016 und 2019 entdeckt wird: Zuletzt sind danach in Deutschland 24 Prozent mehr Menschen gestorben als im Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019. "Vergleicht man diese Entwicklung mit den gemeldeten Covid-19-Todesfällen, so ist ein Zusammenhang deutlich erkennbar", folgert der WDR.
Längerfristig aber stimmt das nicht ganz. Längerfristig nämlich ist die Sterblichkeit in Deutschland geradezu frappierend stabil. Lag sie vor dem Zweiten Weltkrieg bei 11,6 auf 1.000 Einwohner, stieg sie bis 1975 auf 12,4 pro 1.000, ehe sie bis 2005 auf 10,5 sank, um mit dem Corona-Jahr 2020 ziemlich genau auf den Wert von 1937 zurückzuklettern. In der Datenreihe des ganzen zurückliegenden Jahrhunderts lässt sich dabei Erstaunliches feststellen: Gestorben wird immer und sterben tut jeder. Und da die statistischen Zahlen nahelegen, dass nur sehr, sehr wenige Menschen hierzulande über 100 Jahre alt werden, heben sich zeitweise Über- und Untersterblichkeiten auf ein Jahrhundert hochgerechnet nahezu vollkommen auf.
Nach hundert Jahren sind immer alle tot
Es ist eine Eigenart der menschlichen Zivilisation: Nach hundert Jahren sind in der Regel nahezu hundert Prozent aller ursprünglichen Bewohner tot, Corona hin, Corona her. Selbst das Bemühen der deutschen Behörden im zweiten Weltkrieg, die an den Fronten unübersehbare Übersterblichkeit statistisch nicht ins Gewicht fallen zu lassen, spielt nur insofern eine Rolle, dass die dort ums Leben gekommenen Menschen später nicht mehr sterben mussten. So dass die - statistisch ignorierte (siehe Ausriss) kriegsbedingte Übersterblichkeit sich zehn Jahre nach Kriegsende in eine auffallende Untersterblichkeit verwandelt hatte. Wer schon tot war, konnte nicht mehr sterben.
So muss die kurze Sicht helfen, die Nation zu sensibilisieren und zu mobilisieren. Einer Zahlenreihe von fünf Statistikjahren mag die manipulative Absicht auf die Stirn geschrieben sein, zumal schon etwas längerfristige Statistiken ein anderes Bild ergeben. Doch im Kampf gegen den Eindruck, dass Bundes- wie Landesregierungen die Kontrolle erst über Handeln in der Corona-Krise und dann auch über die Pandemie selbst verloren haben, braucht es nun hartes Durchgreifen, und sei es um den Preis der Argumentation mit Statistiken, die nicht mehr aussagen als dass ein kleines Bild zuweilen etwas ganz anderes aussagen kann als ein großes.
5 Kommentare:
Es ist einfach so traurig diese Zahlen zu sehen. Viele Bekannte von mir hat es sehr schwer getroffen. Hoffen wir, dass es in Zukunft besser wird.
Soviele Tote wie im Vietnamkrieg (die Vietnamesen nicht mitgerechnet) wäre etwa ein gut besetztes Footballstadion. Das ist ganz ganz schrecklich.
OT
Auf dem PIPI-Strang "Heute wieder Seuchenkollegium ..."
>> Rolf Ziegler 19. Januar 2021 at 18:38
Noch Fragen ? https://www.facebook.com/photo/?fbid=1159390157850115&set=p.1159390157850115 <<
Das Grauen, das Grauen!
Das war eine Satire aus dem Eulenspiegel, als dieser noch halbwegs etwas taugte.
So isser, der mündige Bürger:
Nero hat Rom anzünden lassen.
Adolf hat Polen grundlos überfallen.
Beim Ami kann man am Wühltisch im Warenhaus Maschinengewehre kaufen.
Galilei bekam Probleme, weil er die Kugelgestalt der Erde postulierte ...
Zwei Spezialvarianten, für die jeweilige Klientel:
Der böse Stalin hat alles kaputtgemacht, was der gute Lenin eingerührt hatte.
Der Lebensborn war eine Arierzuchtanstalt, und hat im Osten blonde Kinder geklaut.
Die Entsprechung, jebüldet das Pangdang des glibberalen Kleinbürgertums zum "Deutschland verrecke*" der Zecken ist: Wir brauchen wieder einmal die Jacke so richtig voll, damit wir wieder zur Vernunft kommen! - So bei PIPI, so bei EIKE ... auch anderen.
*Nehme ich denen nicht eigentlich übel - es war DIE Initialzündung meines Erkenntnisprozesses.
Vergib mir, Blogwart, schon wieder OT.
Aus einer Laune heraus habe ich mal wieder auf Bolschewikiblödia nach dem Beutelsbacher Konsens gegurgelt.
Wer da nicht Lust bekommt, in Blut zu waten, nein, ich bin weder Bernd noch Sepp ...
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