Der bayrische Ministerpräsident Marku Söder wird schon vor seinem Amtsantritt als Kanzlerkandidat nicht ernst genommen. |
Er gilt als der Favorit der Bevölkerung, einer der - neben dem so erfolgreich agierenden Gesundheitsminister Jens Spahn beliebtesten deutschen Politiker neben der scheidenden Kanzlerin und den beiden Grünen-Vorsitzenden - beliebtesten Politiker im Land, dem beste Chancen eingeräumt werden, der nächste Regierungschef Deutschland zu werden. Markus Söder, als langjähriger Ziehsohn von Edmund Stoiber und Horst Seehofer später ein Konkurrent des Letzteren, war von großen Magazinen und leitmedialen Kommentatoren mehrfach totgesagt worden. Am Ende aber war er er, der mit dem Beginn der Corona-Krise die Sehnsucht der Deutschen nach einem starken Mann erfüllte: Söder machte Ansagen, Söder wies den Weg, Söder gab den strengen Familienvater, der verschmitzt lächelte, aber seine Rolle als Beschützer sehr ernst nahm.
Sie lieben ihn, sie lieben ihn doch alle
Sie lieben es, die Menschen, die Kommentatoren und die Veranstalter der Schwarzrunden im Gemeinsinnfunk. Es dauerte nur Tage nach dem Bekanntwerden der ersten Versagenskaskaden im politischen Berlin, und Söder, der Feldchirurge mit den blutigen Ärmeln, der antritt, das Allerschlimmste abzuwenden, auch wenn es wehtut, wurde überall als Kanzlerkandidat der Union gehandelt. Dass er selbst schwor, versprach und beteuerte, dass "mein Platz in München ist und da bleibe ich auch", dass er "Spekulationen" (DPA) entgegentrat, er habe Höheres vor - weder im politischen Berlin noch in den Großlegebatterien der Tageswahrheit wurde das ernst genommen.
Markus Söder gilt als Kanzlerkandidat, egal, was er selbst dazu sagt. Auf den Schlachtfeldern der politischen Ränkespiele werden eine Dementis als fake news behandelt, taktische Lügen, die niemand ernst nimmt. Wehrte Söder auch noch so sehr und noch so oft jedes Ansinnen ab, Kanzlerkandidat und damit womöglich Bundeskanzler zu werden, heißt es in den Gazetten, am Ende sei das Strategie, denn um es zu werden, müsse man gerufen werden und nicht sich selbst rufen. In den Funke-Zeitungen, einem der großen Medienkonglomerate der Republik, heißt es, Markus Söder wittere "seine
historische Chance für den Sprung ins Kanzleramt", Laschet müsse das "vom ersten
Tag an abwehren". In der "Taz" gilt Laschet trotz "Mängeln" als der bessere der Kandidat, um "ein Gefühl von Aufbruch zu erzeugen". Als habe Söder die vergangenen Monate immer wieder versprochen, das zu tun.
Hundewelpchen statt Glaubwürdigkeit
Für die ohnehin in galoppierendem Schwinden begriffene Glaubwürdigkeit der politischen Klasse sind das katastrophale Nachrichten. Nicht nur fallen Sagen und Tun unter dem Druck der Realität irgendwann wie immer auseinander. Nein, schon perspektivisch rechnen alle damit, dass alles, was gesagt wird, gar nicht gemeint sein kann, sondern das genaue Gegenteil davon. "Mein Platz ist in München" bedeutet in dieser Lesart "mein Platz ist in Berlin". Denn wer süße Hundewelpchen vorzeigt, der zeigt seine wahren Absichten nur allzu deutlich.
Nichts sonst zählt, alles ist Theater, Kulissenschieberei für Vorschüler im populistischen Geschäft und Nasführerei für Parteisoldaten, die wirklich naiv genug sind, überhaupt nur noch irgendetwas zu glauben, was irgendwer irgendwo auf Mutter oder Vater schwört. Heilige Eide, auf die niemand im politischen Betrieb auch nur einen Groschen setzen würde. Da spricht ein Ministerpräsident seit Monaten stur davon, seinen Platz in Bayern zu sehen. Er schließt eine eigene Kanzlerkandidatur aus. Und er sieht die CDU mit ihrem neuen Vorsitzenden in der Pflicht, Deutschland zu führen. Dennoch aber fallen ihm nicht nur ungeachtet jeder fehlenden Faktenbasis wild spekulierenden Medien in den Rücken. Sondern auch die eigenen Leute, die es besser wissen müssten.
Berlin statt München
Bei einer "Anne Will"-Sendung unter dem Motto "Ohne Maske, ohne Abstand, ohne Lüftungsprotokoll" war es jetzt der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, der Söders Seriosität und Glaubwürdigkeit vorbeugend demontierte. Über die Kanzlerkandidatur müssten der Armin und Markus müssen jetzt reden, verkündete Bouffier, als habe Söder seine Ansprüche schon angemeldet und durch den Sprung des kleinen, aber weitgehend unbeliebten Aacheners Laschet müssten beide Männer nun im Hinterzimmer klären, wer es machen muss. Wichtig sei, so Bouffier, dass der Kandidat Kandidat werde, der "die größten Erfolgsaussichten" habe. Gern eben auch Markus Söder, den Bouffier damit zu einer Witzfigur erklärte, auf deren Aussagen ja kein vernünftiger Mensch jemals etwas gegeben habe.
Die Schizophrenie des politischen Geschäfts lässt sich kaum besser einfangen als in diesem verräterischen Satz. Bei "Erfolgssaussichten" leuchtet im Hinterkopf des Publikums das Wort "Söder" auf, nicht der Name "Laschet". Zugleich aber wäre eine Kandidatur Söders das Eingeständnis, dass diesem Kanzlerkandidaten nicht zu trauen sein wird: Er redet dies, er schwört, versichert und beeidet. Und tut dann das. Ein klassischer Umfaller wie der - zumindest Älteren noch bekannte - SPD-Gottkanzler Martin Schulz, ein Verräter mit Ansage und "a Hund fei scho" wie die Bayern sagen, obwohl Söder Franke ist.
Ernstzunehmen wäre ein Kanzlerkandidat Markus Söder damit auf jeden Fall, denn er käme schon mit dem Nachweis ins Amt, dass auf seine Worten kein Verlass ist, dass er skrupellos taktiert und immer bereit sein wird, das Gegenteil von dem auf die Agenda zu setzen, was er hoch und heilig versprochen hat.
3 Kommentare:
A Hund is er scho, der Söder! Neben der CSU und der bayerischen Staatsregierung hat er auch die Meinungsforschungsinstitute unter seine Fuchtel gebracht. Sie trommeln jetzt im Wochentakt, daß er der Kanzlerkandidat der CDU mit den besten Erfolgsaussichten ist. Langsam sickert der Glaube an die herrliche Galionsfigur in die Hirne der Medienkonsumenten ein. Natürlich spielen die Staatsmedien dieses Spiel mit und verweisen nahezu pausenlos auf die Popularität Söders. Wahrscheinlich wissen die eher begriffsstutzigen Akteure dieser Medien noch nicht einmal, wie die angeblichen Umfragewerte zustande kommen. Und so erklingt auf allen Kanälen die Melodie:
Uns ist ein Retter geboren,
und er heißt Söder.
Er steht schon vor den Toren,
jeder andere wäre blöder.
Söder is ne ganz arme Sau
Söder is ne ganz arme Sau
Bitte nicht so förmlich. Es geht auch ohne "ganz arme"
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