Mittwoch, 20. Januar 2021

HFC: Leerlauf im Lockdown

Kai Eisele beim Comeback und nach seiner finalen Rettungstat.

Dieser Held war gar nicht bestellt. Aber so wie das Spiel des Halleschen FC gegen den SV Waldhof Mannheim läuft,  ist dieses Ende nur logisch. 90.Minute, einmal mehr läuft ein halbherzig vorgetragener Angriffsversuch der ermatteten Gastgeber bis etwa auf Höhe der Mittellinie, ehe ein Gästespieler dazwischengeht. Der Gegenzug versandet an der Grundlinie des HFC, der Ball springt zur Ecke ins Aus und ehe die in Rot und Weiß aufgelaufenen Männer von HFC-Trainer Florian Schnorrenberg sich sortiert haben, ist die Ecke schon ausgeführt. Sie kommt zentral vor das Tor von Kai Eisele, der für den verletzten Sven Müller den letzten Mann gibt. Abwehrchef  Stipe Vucur köpft, aber einmal mehr zentral in die Mitte. Fernschuss, Pfosten, Nachschuss, Eisele, Kerze. Vucur ist da und köpft ins Toraus. Abpfiff. 

Aufatmen nach dem Abpfiff

Die Männer in Rotweiß feiern Eisele, der dem Halleschen FC gerade einen Punkt gerettet hat, den an diesem Tag weder Gast noch Gastgeber verdient gehabt hätte. Denn das mittlere Spiel der englischen Woche ist eine der fürchterlichen Begegnungen, in denen allen alles schiefzugehen scheint.Pässe kommen nicht an, Spieler rutschen weg, während sie versuchen, aufs Tor zu schießen. Alles ist Gegurke, Gekrampfe, Gezerre und Geschiebe, ohne dass eine Mannschaft sich einen sichtbaren Vorteil erarbeiten kann,. Der HFC versucht es zwar, doch Mannheim beschränkt sich darauf, alles zu zerstören, was über drei Stationen geht.

Nur ganz zu Anfang sieht es ein bisschen so aus, als wolle der HFC sich nach der blamablen Hinrichtung durch den Nachwuchs des FC Bayern am Wochenende gleich wieder in den Sattel schwingen und das 0:4 vergessen machen. Ohne sich Chancen zu erarbeiten, dominieren die Hallenser das Spiel. Und in der 22. Minute ist es Rückkehrer Braydon Manu, der für den ersten Strich auf der Statistiktafel sorgt: Zum ersten Mal geht der Mann mit der 28 auf seiner rechten Seite durch. Doch sein Schuss streicht am Tor vorbei.

Fußballarbeit der unansehnlichen Art

Der Rest ist Fußballarbeit der unansehnlichen Art. Julian Derstroff, wegen der Gelbsperre von Terrence Boyd Träger aller Hoffnungen auf das zweite HFC-Tor seit kurz vor Weihnachten, steht komplett neben sich. Antonios Papadopoulos ist fleißig, aber immer wieder zu langsam. Die linke Angriffsseite liegt brach, auf der rechten stolpert sich Manu den Ball selbst vom Fuß. Es dauert bis zur 62. Minute, bis es endlich mal wieder nach Torchance riecht: Michael Eberwein, als direkter Boyd-Vertreter in die Sturmspitze beordert, zieht zum ersten Mal gefährlich  ab. Trifft aber nicht ins Netz, sondern Mannheim-Keeper Timo Königsmann mittig.

Die Schwarzblauen aus Baden-Württemberg haben bis dahin nach vorn noch gar nichts unternommen - und im Grunde werden sie das auch nicht mehr. Ihnen geht es wie ihrem Gegner: Es kommt kein Spielfluss zustande. Und nicht einmal das klappt. So sehr die 22 Spieler auch zu wollen scheinen, es ist nur Leerlauf im Lockdown, eine Lähmung aller Fußballmuskeln, die jeweils einzusetzen scheint, wenn ein Akteur die Mittellinie überschreitet. Hinter der regiert König Zufall, die Bälle fliegen hoch und weit, aber selbst aus vielversprechenden Freistoßpositionen  und getreten von eigentlich ausgewiesenen Experten wie Janek Sternberg nur tief und umstandslos auf den Fuß eines Abwehrspielers.

Eine Übung in Demut

Noch tiefer ist nur das Niveau an diesem Abend, so niedrig sogar, dass es nur als Übung in Demut zu ertragen ist. Niemand bei den Blauschwarzen hat die Absicht, ein Tor zu schießen. Niemand bei der Rotweißen sieht aus, als habe er eine Vorstellung, wie es gehen könnte. Schnorrenberg, der das Zuschauen immerhin bezahlt bekommt, hat den emsigen, aber glücklosen Manu zur Halbzeit schon vom Platz genommen. In der zweiten Halbzeit folgen der noch unglücklicher agierende Marcel Titsch-Rivero und der nach einem Foul verletzte Julian Derstroff. Doch auch der junge Laurenz Dehl und HFC-Rekordspieler Toni Lindenhahn vernögen es nicht, der verkorksten Partie Struktur und dem HFC-Spiel eine Richtung zu geben. 

Zum einzigen Helden an diesem Abend wird so Kai Eisele, der vielkritisierte frühere Stammkeeper, der den Ball in 90 Minuten nur dreimal zu fangen hatte und das - abgesehen von einer Situation - souverän tat. Seine Parade in der Nachspielzeit rettet dem HFC einen Punkt, den er nicht verdient hat, gegen einen Gast, dem er noch weniger zustehen würde, wäre die Fußballwelt gerecht. Das Beste an Eiseles Tat in höchster Not ist vielleicht die psychologische Wirkung: Ein Spiel, das man hatte gewinnen wollen, um vielleicht doch noch Richtung obere Tabellenhälfte schauen zu können, wurde wenigstens nicht in letzten Sekunde verloren. Beim derzeitigen Zustand des HFC, der in den fünf Spielen zuvor nur vier Punkte geholt hatte, fühlt sich das wiederum fast wie ein Sieg an.


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