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Ein glücklicher Mann vor einer leeren Fantribüne: Terrence Boyd schoss den HFC zum verdienten Sieg.
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Auf einmal steht er da in der Luft, der Mann mit der 13, ringsum Zwerge in Schwarz, die ihm ratlos bei der Arbeit zuzuschauen scheinen. Terrence Boy, im 78. Derby seines HFC bis dahin ohne Abschlussglück wie alle seine Mitspieler, ist in dieser 90. Minute noch einmal bedient worden, diesmal vom kurz zuvor eingewechselten Niklas Landgraf. Der Linksverteidiger nimmt einen von Magdeburgs Torhüter Morten Behrens weit vor dem Strafraum weggeschlagenen Ball auf, geht zwei, drei Schritte und scheint dann aufs leere Tor zielen zu wollen. Der Schuss aber wird zur Flanke, die millimetergenau zu Boyd findet. Und "T", die Überlebensgarantie des HFC, tut, was er immer tut, wenn man ihn lässt. Er trifft ins Tor. 1:0! Boyd grinst und läuft zur leeren Tribüne. Mit ausgebreiteten Armen bejubelt der Sturmführer der Schnorrenbergelf einen Sieg, an den schon niemand mehr geglaubt hatte.
Halle bestimmt das Spiel
Obwohl die Gastgeber nur selten so überzeugend durch eine Begegnung mit dem ewigen Rivalen aus dem Norden gerutscht waren. Nach dem schlimmen Spiel, das der Hallesche FC drei Tage zuvor gegen Mannheim gezeigt hatte, stand gegen den Erzfeind noch aus Oberliga-Zeiten eine ganz andere Mannschaft auf dem Platz. Auf vier Positionen verändert - mit Lindenhahn, Menig, Guttau und Eberwein - überlassen die Rotweißen den Gästen aus dem Landeshauptstadt nur für die ersten paar Minuten das Spiel. Danach sind die Fronten geklärt: Halle, noch sieglos im Jahr 2021, will gewinnen. Magdeburg, zuletzt mit zwei Siegen, aber immer noch tief im Abstiegsstrudel, wäre mit einem Remis zufrieden.
Im leeren Erdgas-Sportpark entbrennt ein Abnutzungskampf mit Vorteilen für Rotweiß. In der 16. Minute gelingt Michael Eberwein beinahe das 1:0, doch sein Kopfball geht am Pfosten vorbei. In der 23. wird ein Schuss von Boyd abgefälscht. Wieder vorbei. Wenn der FCM kommt, dann nur über Dominik Ernst auf der linken HFC-Seite, doch nur in der 26. Minute wird es mal gefährlich, als Jacobsen an Kai Eiseles Tor vorbeiköpft.
Hinten ist meist alles dicht
Ansonsten hält Stipe Vucur, bis hierher die herausragende Verpflichung der Saison, gemeinsam mit Sören Reddemann, Janek Sternberg und Fabian Menig hinten alles dicht. Und Vucur ist es auch, der die meisten Angriffe einleitet: Immer wieder läuft er zentral durch bis über die Mittellinie und sucht dann einen seiner Offensiven. Aber immer wieder ist irgendein Bein eines Schwarzen dazwischen.
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Eberwein trifft mal wieder fast.
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Die Gäste, bei denen am Ende drei ehemalige Hallenser auf dem Platz stehen werden, setzen auf
auf das Glück, dass sie in der Vergangenheit immer wieder hatten. Irgendwie durchommen. Und irgendwie vielleicht einen Treffer markieren. Halle dagegen versucht zu spielen, obwohl gerade das zuletzt nicht so besonders gut lief. Heute aber geht es, abgesehen von den kurzen Zuspielen, die Lindenhahn und Sternberg immer wieder in die vielbeinige Abwehr der Gäste spielen. In der 33. Minute flankt Lindenhahn, Guttau läuft in Position, ein Schwarzer lenkt vor ihm ins Toraus. Die Ecke danach sieht T zum ersten Mal steigen. Behrens aber fängt den Kopfball. Danach schickt Sternberg Boyd, aber der Ball ist zu lang.
Gegen Mannheim stände es längst 4:0
Mit der Leistung bisher wäre der Sieg im Mannheim-Spiel schon sicher gewesen. Heute aber steht es zur Halbzeit 0:0 und wer das Magdeburger Spielglück kennt, der weiß, dass hier noch gar nicht gewonnen ist. Immerhin wird der HFC, bis dahin die bessere Mannschaft, mit Beginn der zweiten Hälfte noch besser, nachdem Kapitän Jonas Nietfeld in der 52. den Ball in der Vorwärtsbewegung verliert, Eisele den Konter aber mit einer Faustabwehr zur Ecke entschärfen kann. Nun spielt nur noch der HFC, Magdeburg versucht zu stören und zu zerstören.
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Eberwein trifft wieder fast.
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Keine hochklassige, aber eine sehenswerte Partie mit vielen, wenn auch nie ganz hundertprozentigen Torchancen. In der 53. Minute schlenkert Julian Guttau im Strafraum einmal zu viel, ehe er abschließt. Behrens hält. Die Ecke danach köpft Eberwein knapp rechts am Tor vorbei. In der 58. bekommt der Lange mit der 10 einen Pass am langen Pfosten, doch statt selbst abzuschließen, sucht er Boyd, dessen Schuss im Getümmel verendet. Auch der Nachschuss von Jonas Nietfeld bleibt hängen. Dafür geht eine scharfe Flanke von Guttaus in der 68. an Freund und Feind vorbei ins Aus, weil ausgerechnet in dem Moment kein Rotweißer in der Mitte steht.
Brotlose Kunst
Das ist alles sehr einseitig inzwischen, aber auch brotlos aus hallescher Sicht. Wie vernagelt ist Behrens` Kasten. In der 71. Minuten versuchen es Eberwein, Boyd und Menig nacheinander aus kürzester Distanz. In der 75. probiert es Eberwein mit einem Fernschuss. Gäbe es im Fußball einen Sieg ohne Punkte, das hier wäre längst einer, denn nach den Haltungsnoten liegt Halle um Längen vorn.
Zumindest bis Antonios Papadopoulos in der 77. Minute einen Rückpass auf Kai Eisele spielt, der im tiefen, nassen Rasen zu versinken scheint. Nicht der HFC-Torwart kommt an den Ball, sondern ein Magdeburger zieht ab. Stipe Vucur rettet in allerhöchster Not.
Die goldene Hand des Trainers
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Glück ist diesmal ein Hallenser
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Wie als Reaktion auf diesen einen bedrohlichen Augenblick dreht der HFC nun noch einen Gang höher. In der 82. geht Guttau allein aufs Tor, Boyd steht, Guttau will ihn anspielen, aber aber Ernst klärt zur Ecke. In der 85. erobert Boyd selbst den Ball, er legt zurück auf Sternberg, aber dessen Flanke geht als Bogenlampe ins Toraus. In der 86. Minute dieses Spieles auf ein Tor knallen Boyd und der für Toni Lindenhahn eingewechselte Titsch-Rivero den Ball aus Nahdistanz in liegende, fallende und verzweifelt abwehrende Magdeburger. Und in der 88. zielt Terrence Boyd noch einmal um Zentimeter am Tor vorbei.
HFC-Trainer Florian Schnorrenberg hat da schon reagiert und mit dem defensiven Niklas Landgraf für Julian Guttau einen Neuen gebracht, der sicher kein Signal für eine verschärfte Schlussoffensive sein soll. Landgraf, seit 2017 in Halle, hat in seinen 102 Drittligapartien für den HFC noch nie ein Tor geschossen und seine insgesamt fünf Torvorlagen in all den Jahren weisen ihn auch nicht als jemanden aus, vor dessen Angriffsaktionen gegnerischen Abwehrreihen die Knie schlottern. Und doch ist es Landgraf, der nach Behrens' verunglückter Abwehraktion in der 90. Minute die Entscheidung einleitet und die Machtfrage im Fußballland Sachsen-Anhalt beantwortet: Der 24-Jährige flankt.Boyd springt. Der Ball fliegt. Und das Prestigederby Halle gegen Magdeburg hat zum zweiten Mal in dieser Saison einen verdienten Sieger, der aus Halle kommt.
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Ein Dankeschön für den Flankengeber: Boyd und Landgraf.
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