Mitten in der Pandemie wagt die CDU die Erneuerung ihrer Spitze. |
Der Endkampf im Geisterhaus CDU-Zentrale ist das Finale eines Kapitels deutscher Geschichte, das mit der Neugründung der legendären Nationalen Front im grünen Herzen der Republik begann. Die Bundeskanzlerin selbst, damals gerade auf einer ihrer seltenen Auslandsreisen, die nicht nach Brüssel oder Paris führen, verfügte nach einem Umsturzversuch der FDP im Erfurter Parlament eine Rückabwicklung der Ministerpräsidentenwahl. Und sie wies die Thüringer Grundorganisation der CDU an, nun mehr mit der Partei zu paktieren, die gerade einen erfahrenen Stasi-Mann zum Landesgeschäftsführer gemacht hatte.
Die Wahl des Liberalen Kemmerich mit Stimmen der Union sei "unverzeihlich", so Merkel, die die Gelegenheit nutzte, in der CDU aufzuräumen. Der Ostbeauftragte musste gehen, weil er dem Unverzeihlichen gratuliert hatte. Und die von Merkel eigentlich als Nachfolgerin vorgesehene und strategisch in Vorbereitung auf Höheres als CDU-Vorsitzende eingesetzte Annegret Kramp-Karrenbauer wurde ebenso rigoros gefeuert, nachdem sie in der ersten Bewährungsprobe so plakativ versagt hatte.
Divers wie Weißbrot
Aus der Kulisse traten danach drei ältere Herren, divers wie verschiedene Weißbrotlaibe. Das Trio ist nicht jung, das Trio ist aus Nordrhein-Westfalen. Das Trio ist männlich, das trägt Anzug als Uniform, das Trio kommt aus dem Geist der letzten Jahre der Kohl-Ära, als alle drei erstmals in den Bundestag einzogen. Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen wetteifern ein Vierteljahrhundert später nun um die offenen oder in Kürze vakant werdenden Posten an Partei- und Regierungsspitze.
Merz tritt an, so schreiben die Gazetten, eine alte Rechnung mit Merkel zu begleichen, die ihn einst entmachtet hatte. Ihn umweht der kalte Hauch des Wirtschaftsliberalen, er ist Umfragen zufolge der Liebling der Parteibasis, die ihre alte CDU vermisst. Die Funktionärsetage der Partei aber fürchtet ihn als denen von den dreien, der womöglich die Machtstabilität der Merkel-Jahre bedroht. Wenn es im Herbst nach der Bundestagswahl nur zu Schwarz-Grün reicht - was, wenn die Grünen der Verlockung widerstehen, unter dem als Blackrock-Handlanger geschmähten "Sauerländer" (Spiegel) mitzuregieren? Wenn der doch heute schon erkennen lässt, dass er die Zukunft der Union rechts der Merkel-Linie sieht?
Die Wette auf ein Weiterso
Armin Laschet ist dagegen die sichere Wette auf ein Weiterso. In allen Umfragen liegt der Ministerpräsident von NRW hinter seinen beiden Konkurrenten, doch Umfragen werden unter Mitgliedern gemacht, nicht unter den 1.001 "Delegiertseienden" wie es in der CDU vermutlich auch offiziell heißen wird, wenn Laschet erst ein paar Jahre an der Spitze steht. Gewählt aber wird in der CDU wie in uralten Zeiten bei den Wikingern oder bis heute bei der EU: Die Häuptlinge machen das unter sich aus.
Danach ist Laschet favorisiert, nicht nur, weil er aus dem größten Landesverband kommt und als Merkels Kandidat gilt. Wer ihm seine Stimme gibt, macht nichts verkehrt, tritt er die Nachfolge von Kramp-Karrenbauer an, wird Markus Söder Kanzlerkandidat und die Grünen können schon über ihre Ansprüche auf Ministerposten nachdenken. Dass Laschet, vom Typus her ein charismatisch wie ein Hauslatsch, irgendeine Art von Aufbruch oder Erneuerung verkörpern könnte, steht nicht zu fürchten. Das Land kann aber zweifellos noch Jahre von der Substanz leben, ohne beschleunigt Schaden zu nehmen.
Ein Punkt, an dem der aus sehr persönlichen Gründen ins rennen gestartete Norbert Röttgen mit seiner Außenseiterkandidatur ansetzt. Seit der frühere CDU-Landesvorsitzende von NRW seinen Posten als Umweltminister im Bundeskabinett verlor - als zweiter Bundesminister überhaupt durch eine förmliche Entlassung -, weil irgendjemand schuld sein musste an der verlorenen Landtagswahl von 2012, sinnt der Mann aus Königswinter-Stieldorf auf Revanche. Die muss nicht darin bestehen, wirklich zu gewinnen zu werden, obwohl es ein schöner Mittelfinger für Angela Merkel wäre. Doch selbst wenn es nicht klappt, führt nach einem anständigen Ergebnis bei der Vorsitzendenwahl für den nächsten Parteichef kein Weg an Röttgen vorbei.
Röttgen wird gewinnen, egal wer gewinnt
Norbert Röttgen, in den Jahren als einfacher Bundestagsabgeordneter in Talkshows als "Transatlantiker" besetzt, kann nur gewinnen, seine beiden Konkurrenten dagegen nur verlieren. Für Merz, ohnehin schon im Rentenalter, wäre eine Niederlage das Ende der politischen Karriere. Bei Laschet, mit 59 Jahren auch schon 13 Jahre älter als Angela Merkel, als sie CDU-Vorsitzende wurde, sieht es ähnlich aus. Wer sich als Chef des mächtigsten CDU-Landesverbandes nicht gegen einen vor allem in Dunkeldeutschland beliebten Gegner durchsetzen kann, der nicht einmal eine kleine Hausmacht besitzt oder einen halbwichtigen Parteiposten innehat, wie soll der noch Ansprüche anmelden?
Das Rennen ist also offen, aber entschieden ist es auch schon. Die drei Mann aus einer Sorte Brot vor einer historischen Entscheidung für Deutschland, Europa und die Welt. Oder wie es bei Twitter heißt: Es wird entweder ein weißer, männlicher Jurist mit einem Examen und Brille, ein weißer männlicher Jurist mit zwei Examen ohne Brille. Oder ein weißer männlicher Jurist mit zwei Examen und Brille.
9 Kommentare:
und schon ist es passiert. das weiterso regiert. deutschland hat nun alles in allem vier parteien der linken mitte und angela merkel wird zumindest nicht mehr im amt sein, wenn ihr erbe zerfleddert wird. https://www.nzz.ch/international/tag-der-entscheidung-in-der-cdu-merz-laschet-oder-roettgen-der-parteitag-im-live-ticker-ld.1596647
Die CDU hat die allerletzte Patrone verschossen. Jetzt kommt RRG oder irgendwas anderes Schlimmes.
Gruseligst. Von Regieren kann ja keine Rede mehr sein; das ist doch nur noch eine Mischung aus Zeitgeist und Konzerninteressen.
Laschet? Aahahahahahaha! Erst wenn es nichts mehr zu verteilen gibt, wird vielleicht ein Lerneffekt eintreten.
Merkel hatte übrigens auch keine Hausmacht und man rätselt heute noch, wer sie damals auf den Posten geschoben hat. Das sie nur die Ossi-Quotentrulla war, kann ausgeschlossen werden.
>und man rätselt heute noch, wer sie damals auf den Posten geschoben hat
Bruder Danisch hat immer mal wieder sehr interessante Hypothesen zu dieser Frage. Erst wieder kürzlich. Die DDR-Netzwerke hatten qua totaler Überwachung der Regierungskommunikation die ganze BRD-Führung im Sack.
Erinnert sich noch jemand, dass Schalck-Golodkowski aus Ostberlin direkt an den Tegernsee verfrachtet wurde, wo er nach ein paar Alibiprozessen das Gnadenbrot fraß? Sowas passiert nicht ohne Eingreifen maßgeblicher Mitspieler.
Der hatte sicher was im Tresor, was bei seinem unnatürlichen Ableben, den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hätte. Anders ist sein unbehelligtes Dasein in einer der teuersten Ecken nicht erklärbar.
Bernd wird im Herbst nach Norwegen auswandern
Jetzt kommt der mit dem ẞ.
Hatte ich hier schon mal verlinkt, daß das ẞ eine sehr schöner und archaischer Buchstabe für den Gebrauch der deutschen Sprache ist?
Hier habe ich mal dargelegt, daß es dafür sogar eine Version in groß gibt. Daß Ossi-Quotentrulla weis daß nicht. Daß weis ich aber.
NẞU: PERẞO auch du!
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