Sonntag, 24. Januar 2021

Aus Wuhan in den Wahnsinn: Die verrückte Reise der deutschen Medien ins Katastrophengebiet

Ohne Maske, ohne Abstand: Im ersten Lockdown zeigte die Kanzlerin noch, dass eine Rolle Toilettenpapier ausreicht. Das Medienecho war gigantisch.

Erst war Wuhan, dann war Webasto, dann begann der Wahnsinn. Zum einjährigen Jubiläum der Corona-Pandemie lässt PPQ.li die verrückte Reise der deutschen Medien ins Katastrophengebiet Revue passieren: So begann es. Und so ging es weiter. Heute schon unglaublich.

Richtig richtig lag von Anfang an, wer niemandem kein Wort glaube. Jens Spahn war damals, im Februar 2020, schwer beschäftigt, allerdings weniger mit seinem Amt als Gesundheitsminister, sondern mit dem Kampf um das Merkel-Erbe und die Rückeroberung von Thüringen. Als der CDU-Hoffnungsträger zum ersten Mal nach jener "neuartigen Lungenkrankheit" aus China gefragt wurde,  wusste anfangs überhaupt nicht wovon er redete die Regierung wusste  er wenig dazu zu sagen. Man beobachte das. Irgendwie. Kein Grund zur Panik. Thüringen war weitaus wichtiger.

Virenabwehr an den Außengrenzen

Und die offenen Grenzen. Als Donald Trump, der Hassprediger im Weißen Haus, wie ihn Bundespräsident Steinmeier nannte, die USA abschottete, galt das eherne Merkelwort von der Unmöglichkeit der Schließung der 3.000 Kilometer langen deutschen Grenze weiter. Nach den Schengen-Regeln hatten die EU-Staaten die Verpflichtung, an den Außengrenzen der EU eine wirksame Virenabwehr aufzubauen, ohne den freien Waren- und Personenverkehr zu behindern. Beruhigend sprachen Politiker auf Medien ein. Beruhigend wirkten Medien auf ihre Leser.

Erst am 6. Februar ging der erste Newsticker live. Noch wurde um Thüringen gekämpft, noch waren die Fronten in Erfurt nicht klar. Noch wusste außerhalb der Redaktionsstuben niemand, wer Freund und Feind ist und das Deutschland auf eine Pandemie vorbereitet war wie ein Einbeiniger auf den olympischen Hürdenlaufwettbewerb. Die Todesseuche, bis dahin von Korrespondenten aus fernen Ländern als Geschichte grauenhafter chinesischer Willkürmaßnahmen gegen brave Bürger erzählt, verbreitet, war dennoch im Hauptkampfgebiet angekommen.

Der Kampf um die Köpfe

Ein wahrhaft historischer Moment, denn von nun an tobte der Kampf um die Köpfe und Herzen der deutschen Öffentlichkeit, dazu aber auch der um die Gunst der Regierenden. Zwar war die Kanzlerin zu Beginn noch damit beschäftigt, in Thüringen aufzuräumen, wo der Faschismus unverhofft an die Macht gelangt war. Aber trotz der Klicks, die Corona zu generieren versprach, war Ruhe von Anfang an erste Medienpflicht.  Dass man gut vorbereitet war und alles nicht so schlimm, dass man sich noch guter vorbereiten würde und das "Schutzgut Mensch" überhaupt vertrauen können dürfe - kein Tag verging, an dem Gemeinsinnsender und Großredaktionen nicht energisch dem Endstadium ihrer Verwandlung von kritischen Begleitern der Regierungspolitik zu willigen Sprachrohren des Kanzleramtes zustrebten.

Stets verließen sie sich auf das, was ihnen gesagt wurde. Ein ganzes Heer von Pandemiepanik-Bekämpfern marschierte auf, das auf allen Kanälen verkündete, wie alles im Griff war alles und wie gut vorbereitet selbst die Notstandslager waren. So leer, so aufnahmebereit! Anfangs warnte man getreulich der Regierungslinie vor Masken und denen, die nach ihnen verlangten. Mit derselben Leidenschaft wurden später Maskenverweigerer gebrandmarkt, die durch ihr Tun andere gefährdeten. Als Donald Trump einen Impfstoff noch vor Ende des Jahres versprach, brach gallige Heiterkeit aus. Der Irre war wieder in der Stadt! Und als der Impfstoff da war, aber keiner bestellt wurde, erklang das Lob auf dei gemeinsame EU-Impfstoffstrategie.

Der Dackel an der Verlautbarungsleine

Immer hinterher, immer der Dackel an der Leine der Verlautbarungen aus Kanzleramt und Staatskanzleien. Jeden Tag galt eine Wahrheit, die allenfalls eine Woche Bestand hatte, ehe sie - ohne Fehlerdiskussion - getauscht wurde gegen eine neue Mutation. Nach und nach verschwand das Händewaschen aus dem Katalog der grotesken Seuchenmaßnahmen, eingetauscht gegen die Hoffnung, dass Grenzschließungen womöglich doch eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen könnten, das Ausbruchsgeschehen überschaubar zu halten. 

Zwölf lange Monate dauerte die Fahrt aus Wuhan in den Wahnsinn, eine verrückte Reise der deutschen Medien ins Katastrophengebiet, die absolviert wurde, ohne dass zwischendurch die Notwendigkeit aufschimmerte, kritische Fragen zu stellen. Eine ganze Branche verteidigte die Heimat, indem sie mal den schwedischen Weg brandmarkte und mal die Italiener als unfähig zu einer ordentlichen Eindämmung bezeichnete, mal den Österreicher Kurz als Laienspieler entlarvte, mal Trump als Weltcorona-König schalt und mal empört war, dass Russland und China schon impften, obwohl die europäische Arzneimittelbehörde noch nicht einmal mit dem Zulassungsverfahren begonnen hatte.

Wir Virologenstars

Es waren immer die anderen, denen alles schiefging. Und immer die unseren, die mit traumwandlerischer Sicherheit  die richtigen Maßnahmen im richtigen Moment in richtig demokratisch beschlossene Eindämmungsverordnungen verpackten. Deutschland hatte die Virologenstars, die Kanzlerin, die das Unheil sehen und es vorbeugend verhindern konnte. Und es hatte die Medien, die zur rechten Zeit die passenden Bilder präsentierte, um die Abwehrkräfte des Volkes zu stählen. Wer erinnert sich nicht gern an Ursula von der Leyen beim Händewaschen ganz am Anfang, an Angela Merkel, die im Kampf gegen die Hamsterer mit einem eigenhändigen Einkaufsgang bewies, dass auch eine Rolle Toilettenpapier reichen kann, und an Karl Lauterbach, dessen Diskant auf allen allen Kanälen erscholl und von den Beratungen des Besitzers mit "anderen Wissenschaftlern" berichtete.

Zwölf Monate wie ein wilder Alptraum, ein irrer Ritt auf der Rasierklinge unbedingter Gefolgschaftstreue, die es weitgehend verbot, Zweifel am fehlenden Gesamtkonzept zu üben oder auch nur zu fragen, weshalb das größte demokratisch gewählte Parlament sieben Jahre braucht, bis es immer noch keines hat. Stattdessen wurde jede Windung und jede Wendung mitgemacht, jede kreischend absolvierte Kurve gefeiert und jedes neue, jeweils als "unbürokratisch" angekündigte Hilfspaket solange besprochen und analysiert, bis es sich in der Praxis als lebensuntaugliche Missgeburt erwiesen hatte.

Die Macht, die das machte, war nahezu absolut, weil die öffentliche Kontrolle absolut versagte. Medien, die berufen gewesen wären, das Versagen im Detail zu beschreiben, verstanden sich als Weltbilderklärer der Pandemiepolitik, verlängerte Werkbänke der wirren Maßnahmerotation, die mal mehr testen wollte und dann wieder weniger, die eine weitgehend wirkungslose App erschuf und überhaupt alles zu digitalisieren versprach, sich dann aber doch darauf beschränkte, regelmäßiges Lüften zu empfehlen.


Keine Kommentare: