Mittwoch, 2. Dezember 2020

Rundfunkbeitrag: Wann fällt die CDU um?

"Objektives, faktenbegründetes Denken gibt es nicht", lautet einer der Leitsätze der ARD.

Geht es nach den Linken, der SPD und den Grünen, dann handelt es sich um nichts weniger als einen Endkampf. Schmutzig, traurig und so blutig, dass Schäden bleiben werden, egal, wer gewinnt. Doch es geht ums Prinzip, in diesem Fall um 86 Cent, die über den Bestand oder den Untergang der jungen deutschen Demokratie entscheiden werden. Wirft sich als die CDU im Krieg gegen die Pressefreiheit in die Arme der AfD? Oder gelingt es den gesunden Kräften in der Partei mit Unterstützung der Kanzlerin, zur Vernunft zu kommen?

Winziges Land im Widerstand

Es ist ein winzig kleines Land auf der deutschen Politkarte, dass sich rettungslos verrannt hat, um im Vorfeld einer anstehenden Landtagswahl den Falschen zu gefallen. Aus Daffke und Übermut beschloss die CDU in Sachsen-Anhalt, einem Bundesland an der Straße der Gewalt, einer geplanten Erhöhung der gebühren für den Gemeinsinnfunk nicht zuzustimmen. ARD und ZDF seien zu teuer, die Intendanten verdienten zuviel, der Osten komme nicht ausreichend vor und überhaupt: Es sei Zeit, ein Zeichen zu setzen.

Klares Meinungsbild beim ARD-Nachwuchs.

N
ach Ansicht von objektiven Beobachtern bei ARD und ZDF ein völlig falsches, fahrlässiges, gemeinsinnfeindliches. Alle bemühungen, die die Sender etwa mit dem berühmten framing manual unternommen hatten, sich als eine Art tragende Wand der Kanzlerdemokratie zu inszenieren, ohne die ein modernes, friedliches und glückliches Deutschland gar nicht denkbar ist, drohen an der Bockbeinigkeit einer Gruppe Ewiggestriger Christdemokraten zu scheitern, die zwar längst den Mut vor der eigenen Courage verloren haben, Aus der Rolle der Beschützer der Gemeinsinngebührenzahler, in die sie vor aller Augen geschlüpft sind, nun aber nicht mehr herauskommen, ohne sich selbst komplett der Lächerlichkeit preiszugeben.

Fantastisches Framing

Guter Rat ist teuer, wenn auch nicht ganz so teuer wie ARD und ZDF. Die hatten zuletzt verzweifelt geframt, die Fernsehgebühr sei seit "zehn Jahren nicht mehr gestiegen" (Tom Buhrow), was formal richtig ist. Allerdings den Umstand unterschlägt, dass die Einnahmen der staatlichen Anstalten durch die Umstellung auf eine "Haushaltsabgabe" genannte Jedermannssteuer zwischen 2016 und 2019 von 5,3 auf 7,9 Milliarden Euro stiegen.

Geld, das eine Menge Propaganda möglich macht. Eben erst gelang es der ARD, eine selbstgemachte Umfrage in Umlauf zu bringen, nach der sich selbst im widerständischen  Sachsen-Anhalt eine knappe Mehrheit der Menschen danach sehnt "dass der Landtag einer Anpassung des Rundfunkbeitrags zustimmt". Einer Anpassung. So nennen wir das bei der ARD. Erhöhung würde ein ganz falsches Signal senden, auch, weil das niemand verstehen würde. Schließlich verzeichnete die ARD in der laufenden Beitragsperiode einen finanziellen Überschuss von 378 Millionen Euro und die "Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs" hatte daraufhin eine Beitragssenkung auf 17,20 Euro empfohlen. Auch so, hieß es dazu, könne die Grundversorgung mit Fußball, Hitlerdokus, Kriminalfilmen und qualitativ hochwertigen Talkshows gesichert werden.

Kommission empfahl Beitragssenkung

Doch die Landesregierungen und -parlamente, die genau wissen, was sie an ihrem "Staatsfunk" (ARD-Hauptstadtblog) haben, folgten dieser Empfehlung nicht. Wo sonst bekommt man Sender her, die deren politische Ausrichtung man selbst ganz eng coachen kann? Wo sonst wird so amtlich gelogen, dass nicht einmal ein verbeamteter Faktenfinder der "Tagesschau" auf die Idee kommt, den galoppierenden Blödsinn nachzumessen? Wo anders lässt sich politische Macht so elegant nutzen, um die passenden Persönlichkeiten zur eigenen Agenda in die richtigen Positionen zu befördern?

Eigentlich war auch die Linke dagegen gewesen, noch mehr Geld aus den klammen Haushaltskassen der armen Steuerbürger zu zapfen, um noch mehr CDU-Werbung machen zu können. Doch die zweitälteste deutsche Partei, die als SED selbst im Besitz umfangreicher und nützlicher Rundfunkstationen gewesen war, überlegte es sich dann doch anders.

Sympathien gewinnen

Was sind 86 Cent, die dieser oder jener mehr zahlen muss, gegen die Aussicht, sich dem zumindest regionsweise regierenden Meinungsmonopol eines Großsenders wie dem MDR gelehrig und gefügig zu zeigen? Und so die Sympathien der fast 5.000 teilweise prekär beschäftigten Mitarbeiter der Anstalt zu gewinnen? Was sind 10,32 Euro im Jahr zusätzlich zu den 210 Euro, die bisher fällig werden, wenn sie sich doch eines Tages auszahlen, sobald man selbst im Sattel eines Regierungsgauls sitzt und seine Politik den Menschen draußen im Lande immer noch besser erklären muss?

Geschickt hat es die Linke damit vermieden, gemeinsam mit der AfD gegen die solidarische Erhöhung der Rundfunkgebühren um 400 Millionen Euro zu stimmen. Und der SPD, mit der man künftig in Bund wie Land regieren möchte, zugleich Gelegenheit gegeben, der CDU ein "Paktieren mit den Rechtsextremen" vorzuwerfen, wie es SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil unnachahmlich sachlich formuliert hat, um den als  „Ersten Medienrechtsänderungsstaatsvertrag“ verkauften Gebührenerhöhungsbeschluss politisch nachnutzen zu können. 

Wer gegen die 86 Cent ist, ist ein Faschist. Wer Tom Buhrows Intendantengehalt nicht wenigstens im Einklang mit der Inflation erhöhen möchte, stellt sich "gegen unser freies Mediensystem". Und wer nicht sieht, dass öffentlich rechtliche Spitzenkräfte wie Dunja Hayali oder Anja Reschke heute schon mehrere Jobs stemmen und nebenbei auch noch Bücher schreiben müssen, um über die Runden zu kommen, der "übernimmt in Teilen die negative Rhetorik der AfD gegenüber den Medien und redet die Öffentlich-Rechtlichen absichtlich schlecht."

Hände an der Hosennaht

Nun ist die Frage, wann die CDU umkippt und wie sie es begründen wird. Um den Anstieg zu verhindern, "müsste die Union dort mit der AfD stimmen - und die Koalitionspartner düpieren", wie der SPD-eigene RND elegant framt. Anstimmen mit der AfD geht natürlich gar nicht, ganz egal, worum es geht, heben die Nazis die Hände, hat der deutsche Demokrat seine an der Hosennaht. 

Jeder Verstoß hat "womöglich ­verheerende Folgen für die Bundespolitik", analysiert das "Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), das zu einem Viertel der deutschen Sozialdemokratie gehört und täglich mehr als 50 Tageszeitungen mit einer täglichen Gesamtauflage von mehr als 2,3 Millionen Exemplaren mit parteinahen Texten versorgt. Kippt die CDU nicht um, kracht die nach den AfD-Erfolgen bei der letzten Landtagswahl in Magdeburg gebildete Notgemeinschaft zur Fortführung der Regierungsgeschäfte zusammen. Das aber hätte Konsequenzen bis nach Berlin: Die CDU müsste auf Bundesebene an der SPD Vergeltung üben. Oder aber die Entscheidung ihres Landesverbandes rückgängig machen.

Wohin auch immer es fällt, es fällt um, und der Schaden verspricht beträchtlich zu werden. Nur wann ist noch die Frage: Die eigentlich für Mitte Dezember geplante Abstimmung im Landtag über die Erhöhung des Rundfunkbeitrags soll nun erstmal weiter vertagt werden, um dem Vertrag formell nicht zustimmen zu müssen, ihn aber auch nicht abzulehnen. Vorbild könnte dass Rahmenabkommen zwischen EU und Schweiz werden, über das seit sechs Jahren verhandelt wird, ohne dass ein Ende in Sicht ist.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Das Lustige bei solchen Debatten ist immer, worüber nicht berichtet wird. Hier ist es die Niedrigzinspolitik der EZB, wegen der die Pensionsfonds der Rundfunkanstalten zu platzen drohen.