Mittwoch, 2. Dezember 2020

HFC: Die Abwehr gewinnt Spiele

So macht er das diesmal: Terence Boyd trifft zum 1:0 gegen Haching.

In der 75. Minute ist Terrence Boyd wieder dort unterwegs, wo er im Spiel seines Halleschen FC gegen Unterhaching bis dahin schon immer wieder mal aufgetaucht war. Zwanzig Meter vor der eigenen Eckfahne grätscht der Stürmer, der an diesem Tag schon zzwei Teffer markiert hatte, in ein Gewimmel hinein, im ersten Moment erfolgreich, dann aber doch nicht. Doch Boyds Eingreifen hat die Situation bereinigt, den Rest machen die Abwehrkollegen.

Abwehr gewinnt Spiele

Es ist ein beispielhafter Augenblick, der die neu gewonnene Abwehrstärke der Rotweißen beeindruckend illustriert. Boyd, eigentlich ein Mann, der vorn in der Mitte steht, Bälle festmacht und sich von außen bedienen lässt, ist schon seit einigen Spieltagen öfter auch nach hinten unterwegs. Nicht nur, dass der 29-Jährige Rekordtorschütze des HFC vorn gemeinsam mit dem gegen die Bayern wieder als Co-Stürmer aufgebotenen Toni Lindenhahn die erste Abwehrlinie bildet. Nein, wird die überlaufen oder überspielt, eilen Boyd und  Lindenhahn automatisch mit nach hinten und werfen sich dort bei nächster Gelegenheit erneut ins Getümmel.

Es hat nach dem blamablen 1:6 bei 1860 München angefangen. Gerade als es so aussah, als sei der HFC auf dem besten Wege, sich als Schießbude der Liga zu etablieren, gelang es Trainer Florian Schnorrenberg und seiner Mannschaft, den Schalter umzulegen, der zuvor einfach nicht zu finden gewesen war. Mit Antonios Papadopoulos anstelle des bis dahin gesetzten Regisseurs Marcel Titsch-Rivero neben Kapitän Jonas Nietfeld in der Spielfeldmitte und Lukas Boeder auf rechts außen gewann das Team defensive Sicherheit. Und vorn fand Terrence Boyd zurück zu dem Mann der Vorsaison, der nicht viele Chance braucht, um viele Tore zu machen.

Die englischen Wochen als Wiedergeburt

Selbst die durch zwei Corona-Nachspiele aufgelaufenen englischen Wochen mit sieben Spielen in 20 Tagen haben den HFC nicht vom neuen Kurs abbringen können. Hinten klingelt es nur noch selten, vorn dagegen nicht spektakulär auf, aber regelmäßig. Gegen Unterhaching, in der Vorsaison noch Sieger in einem monströsen 3:5, das letztenendes der Tropfen war, der zum Ende der Ära Torsten Ziegner  beim HFC führte, ist diesmal als Außenseiter an die Saale gekommen. Stand es um den HFC bis vor ein paar Tagen schlecht, steht es um die ehemals dritte Kraft in Bayern noch übler. Zehn Punkte vor Anpfiff bedeuten akute Abstiegsgefahr für den früheren Bundesligisten - und Pech und mangelndes Glück sind dafür nicht verantwortlich, das ist nach 95 Minuten im Erdgas-Sportpark klar..

Haching kann nichts, würde man auf dem Bolzplatz sagen, oder doch jedenfalls nicht viel. Der ehemals so gefürchtete Superstürmer Dominik Stroh-Engel, auch in Halle mal ein Wunschspieler, hängt in der Luft, das Mittelfeld ist damit beschäftigt, den Ball vor den diesmal früh angreifenden Gastgebern zu sichern. Lindenhahn und Boyd, aber auch Papadopoulos und die beiden Außen Derstroff und - mit Abstrichen - Guttau laufen früh und hart an und erzwingen immer wieder verheißungsvolle Balleroberungen. In der vierten Minute schon hätte Boyd zum ersten Mal treffen können, in der 29. gelingt es Papadopoulos fast.

Boeder butterweich, Boyd unbedrängt

So dauert es bis zur 35. Spielminute, ehe das zu diesem Zeitpunkt schon hochverdiente 1:0 fällt. Derstroff schickt Boeder, der flankt butterweich auf den langen Pfosten. Dort springt Boyd unbedrängt hoch , der Ball setzt auf und Hachings Torhüter Mantl kann nur noch in den Raum paradieren, den das Leder schon passiert hat. 

Besser kann man das nicht machen, aber besser wird es an diesem eiskalten Abend im ehemaligen Kurt-Wabbel-Stadion auch nicht mehr. Es ist ein Spiel mit Zweikämpfen auf Augenhöhe, bei denen die Spieler in Rot und Weiß häufiger das gute Ende für sich haben. 

Die von Späteinkauf Stipe Vucur erneut souverän geführte Abwehr kniet sich in jedes Duell, Papadopoulos räumt davor ab, was die laufstarke Offensive nicht ohnehin schon ins Seitenaus geschlagen oder anderweitig entschärft hat. Haching wirkt zunehmend ratlos und bar aller wirksamen Mittel. Erst recht, als Julian Derstroff den zweiten Genieblitz des Abends sehen lässt: Aus der eigenen Hälfte spielt er mit einem Hoffnungsschlag nach vorn den gerade loslaufenden Terrence Boyd an, der seinen Gegenspieler förmlich stehen lässt und von weit rechts außen an Mantl vorbei ins lange Eck trifft.

Ein 2:0 für die Seele

Es ist die 53.Minute und was folgt ist kein schönes Fußballspiel, sondern die Demonstration wiedergefundener Stärke eines Abwehrverbundes, der alle elf Feldspieler einbezieht. Über 40 Minuten grätschen und kratzen, kneifen und schieben Schnorrenbergs Spieler die Gäste über den Platz und verhindern nahezu jede konstruktive Aufbauaktion. was trotzdem noch auf das Tor des erneut souveränen Sven Müller kommt, fängt die neue Nummer 1 sicher. Nur einmal im ganzen Spiel wackelt da hinten was, als Göttlicher den Ball nach einer Ecke tatsächlich im Kasten unterbringt. Schiedsrichter Mitja Stegemann hat vorher allerdings ein Foul des Vorlagengebers gesehen. Es geht mit Freistoß für Halle weiter.

Und schließlich mit den nächsten drei Punkten nach Hause. Seit der 1:6-Schmach von München hat der HFC nun nicht mehr verloren, es stehen drei Siege und zwei drei Remis bei 7:2 Toren in der Statistik und ein Platz 5 in der Tabelle  befeuert Hoffnungen, das Schlimmste könnte vielleicht schon überstanden sein. Am Nikolaustag geht es nach Verl, dem starken Aufsteiger. Plötzlich ist das Duell zweier Halbspitzenmannschaften, das beiden die Richtung bis Weihnachten zeigen könnte.


3 Kommentare:

Carl Gustaf hat gesagt…

Es sind drei Siege und drei (!) Remis. Ein kleines aber feines Detail, was man in diesen Tagen der Lockdown-Meisterschaft gern geniesst.

Carl Gustaf hat gesagt…

Es sind drei Siege und drei (!) Remis. Ein kleines aber feines Detail, was man in diesen Tagen der Lockdown-Meisterschaft gerne geniesst.

ppq hat gesagt…

stimmt. duisburg. gefühlt war das ja im sommer. korrigiert