Das war nun wirklich kurz vor knapp! Beinahe wäre Deutschland noch bis Jahresende währende rotierende EU-Ratspräsidentschaft, die mit so viel heißen Erwartungen aufgeladen worden war, im Streit um die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in der EU gescheitert. In dem Zwist ging es hauptsächlich darum, die 14 Mitgliedstaaten, die seit Jahren die Maastricht-Kriterien bei der Schuldenobergrenze missachten, zur Einhaltung der Kriterien zu bewegen. Zu diesem Zweck sollte ein sogenannten "Rechtsstaatsmechanismus" eingeführt werden, der es erstmals erlauben würde, unter gewissen Umständen Fördermittel zu kappen, wenn im Empfängerland die Einhaltung der gemeinsam vereinbarten Regeln bedroht ist.
Ehemals wichtige Vorgaben
Im Vertrag von Maastricht aus dem Jahr 1992 war eigentlich beschlossen worden, dass die Gesamtverschuldung eines Mitgliedslandes der Empathischen Union maximal bei 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und die Neuverschuldung bei höchstens drei Prozent des BIP liegen darf. Derzeit missachten mehr als der Hälfte der Staaten in der Wertegemeinschaft diese gemeinsamen Werte - ein Zustand, den Deutschland nicht mehr länger hinzunehmen gewillt ist. Ursprünglich galten die am 7. Februar 1992 in Maastricht beschlossenen "Konvergenzkriterien" als wichtige Vorgaben, die darüber entscheiden sollten, ob ein Staat der EU angehören darf oder nicht.
Trotz eines kräftigen Schuldenabbaus hatte auch Deutschland die EU-Vorgaben zuletzt mehrfach knapp verfehlt. Die Staatsschulden verringerten sich 2018 zwar um 52 Milliarden Euro auf 2,06 Billionen Euro, aber ringsum sieht es noch viel schlimmer aus. Griechen, Italien und Portugal liegen bei zum Teil mehr als dem Doppelten der seinerzeit willkürlich festgesetzten Grenzwerte für Defizite und Schuldenstände. Die hatten ursprünglich das Ziel, in der EU und der Eurozone eine Harmonisierung der Leistungsfähigkeiten der einzelnen nationalen Wirtschaftsräume in der EU zu befördern und damit wirtschaftliche Stabilität und Solidität der EU herzustellen.
Die EU könnte der EU nicht beitreten
Das ist insoweit erreicht worden, dass die gesamte EU derzeit mit etwa 95 Prozent durchschnittlicher Verschuldung über den Konvergenzkriterien liegt, so dass die Gemeinschaft keine Chance hätte, sich selbst beizutreten. Dabei sind die neuen Trilliardenschulden zur Minderung der Corona-Folgen allerdings noch nicht eingerechnet.
Blaue Briefe", noch vor Jahren ein immer wiederkehrender Beitrag der EU zur politischen Debatte in Deutschland, werden wegen der Überschreitung der Schuldengrenze allerdings schon lange nicht mehr verschickt, weil die Portokosten in Brüssel als rausgeschmissenes Geld gelten. Die laufenden 2.800 Vertragsverletzungsverfahren werden hinter den Kulissen abgewickelt, öffentliches Aufsehen erregen allenfalls noch schräge Verfahren etwa gegen Facebook oder besorgte Schreiben aus Brüssel wegen des seit Jahren europarechtswidrigen deutschen Glücksspielrechtes.
Keine blauen Briefe mehr
Die deutsche Ratspräsidentschaft nahm sich des Themas beherzt an, um den spätestens seit der Finanzkrise ungelösten Gordischen Knoten mit Hilfe der neuen Rechtsstaatsprinzipien zu durchschlagen, die vorsehen, dass alle Mitgliedsstaaten sich an gemeinsam vereinbarte Regeln halten müssen sollen. Doch sperren sich die zunehmend autokratisch regierten anderen Staaten gegen die Einführung, weil sie fürchten, dass die Auszahlung von EU-Geldern dann an die Achtung von Grundregeln im eigenen Land gekoppelt werden könnte.
Da in der EU das Einstimmigkeitsprinzip gilt, das vorsieht, dass seine Abschaffung zur Einführung der Rechtsstaatsprinzipien einstimmig erfolgen muss, damit danach jeweils mit Mehrheit entscheiden werden kann, waren einige Hürden zu überspringen, um zu einer Einigung zu kommen. Der Durchbruch gelang erst, als sich die EU-Länderchefs darauf einigten, den Rechtsstaatsmechanismus abzuschwächen, so dass Staaten, die sich nicht an einzelne Regeln halten wollen, können oder mögen, nach Bedarf ausscheren können.
Die EU-Verträge erlauben dieses Vorgehen, um Blockaden zu überwinden, wie sie im Brüsseler Politikbetrieb häufiger vorkommen.Kurz vor Toresschluss deutet sich nun ein Kompromiss an: Danach können sich Mitgliedsstaaten künftig aussuchen, welche Rechtsstaatsprinzipien sie einhalten wollen, und wo sie eine eigene Lösung bevorzugen. Wer ein nicht-eu-kompatibles Scheidungsrecht hat, kann es so behalten, ebenso bleibt damit das Recht jedes Staates gewahrt, sich bei ausreichend großen finanziellen Angeboten tagessaktuell anders zu entscheiden.
Ausgeschlossen ist zudem, dass der Rechtsstaatsmechanismus etwa dazu benutzt werden kann, widerstrebende Staaten zu einer gemeinsamen europäischen Lösung bei der Flüchtlingsfragezu bewegen. Darüberhinaus wird Möglichkeit, bei Verstössen gegen die Rechtsstaatlichkeit EU-Gelder zu kürzen, erst ab 2021 und nicht rückwirkend gelten, so dass alle bisherigen und aktuellen Verstöße gegen gemeinsame europäische Regeln straffrei bleiben.
1 Kommentar:
Das heißt, Polen und Ungarn bekommen das Geld, obwohl sie von Populistennazis regiert werden? Und das will die Schweinepresse als Sieg für Merkel verbuchen?
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