Mittwoch, 21. Oktober 2020

HFC: Lichtblick unter Flutlicht

Titsch Rivero köpft, Vollert stochert. Tor.

Es war der 26.Oktober vergangenen Jahres, als der große Traum der Fans des Halleschen FC seinen großen Knacks bekam. Ein Samstag im Herbst, strahlende Sonne am Himmel und auf dem Platz die beste HFC-Elf der vergangenen 30 Jahre. Es ist der SV Meppen zu Gast, zu Gast bei einem gefräßigen Tier, das in der Tabelle nur noch oben schaut. Mit gutem Grund: Es geht heute nicht darum, wer gewinnt, sondern wie hoch der HFC den Sieg wird schrauben können. 2:0 steht es nach 20 Minuten, der Rest wird ein Fest werden, davon ist jeder der 8.200 Zuschauer im ehemaligen Kurt-Wabbel-Stadion überzeugt.

Das Schützenfest geht 3:3 aus, ein Debakel für den Tabellenführer. Und der Anfang vom Ende der Aufstiegshoffnungen. Stattdessen, die Älteren erinnern sich, folgt das Ende der Ära Ziegner. Es folgt das katastrophale Interregnum des Ismail Atalan. Und die Rettung durch Florian Schnorrenberg im späten Frühjahr.

Unterm Strich in der Tabelle

Der Retter aber steht ein halbes Jahr später schon wieder da, wo er nie wieder hinwollte. Unterm Strich in der Tabelle, weit weg von den eigenen Ansprüchen und geschlagen mit einer Mannschaft, in der in zwei von vier gespielten Spielen so gut wie nicht gestimmt hat.  Nach einem hübschen Auswärtssieg zum Auftakt in Magdeburg folgten nur noch Pleiten, eine schlimmer als die andere. Dreimal blieb der HFC ohne eigenes Tor, dafür aber schieben ihn acht Gegentore schon nach einem Zehntel der Saison ans Ende der Tordifferenztabelle der Liga.

Wenigstens kommt nun Meppen, der Gast, mit dem das Elend in den Erdgas-Sportpark zurückkehrte. Die Mannschaft von Ex-Nationalspieler Torsten Frings  ist noch übler dran als Halle, im Emsland ist kein Geld da, zwischendrin noch mal einen gestandenen Mann als Verstärkung zu holen wie es die Hallenser jetzt gerade mit dem Österreicher Stipe Vucur getan haben. Not gegen Elend, mit einem engagierteren HFC zu Beginn, der diesmal mit Neuzugang Sven Müller im Tor statt der zuletzt wieder gesetzten Stammkraft Kai Eisele startet.

Stürmisch über die Außen

Ein "Zeichen" nennt das Schnorrenberg und das stimmt insoweit, dass es nicht Eisele gewesen ist, der die letzten drei Spiele nicht ins gegnerische Tor getroffen, ja, eigentlich nicht einmal ernsthaft auf dieses Tor geschossen hat. Das dafür zuständige Personal - mit Mast und Dehl von Anfang an - scheint das  Zeichen allerdings zu verstehen. Stürmisch über die Außen und keineswegs mehr wie zuletzt mit notorischen langen Bällen auf Terrence Boyd drückt der Gastgeber die in Blau-Weiß gekleideten Gäste in die Defensive. In der 8. Minute muss Boyd eigentlich schon das 1:0 machen, aber SVM-Torwart Plogmann pariert bravourös.

Meppen hat im Gegenzug eine Chance, ehe Halle sein Übergewicht endlich in zahlen ummünzt. Boyd spielt Dehl frei, der von Union Berlin ausgeliehene Youngster fackelt nicht lange und schießt zur Führung ein. Reine Nervennahrung für die 999 handverlesenen auf den Tribünen, die nicht etwa mit Sicherheitsabstand nebeneinander Platz nehmen mussten, sondern eng gedrängt in Infektionsclustern angeordnet wurden.

Corona-Regeln von einer inneren Logik wie das HFC-Spiel, das nur zwei Minuten nach dem Führungstreffer ansatzlos in sich zusammenzubrechen droht. Dennis Mast, noch immer weit entfernt von dem Spieler, als der er Halle einst Richtung 2. Liga verlassen hatte, vertändelt einen Ball. Meppens Tankulic ist schnell am Strafraum. Der Ball schnell bei Müller im Tor. 1:1.

Vollert staubt ab

Die nächste Katastrophe deutet sich an. Sie bleibt aber dann doch aus. Vielleicht haben sich die Rot-Weißen, die im vergangenen Jahr schon dabei waren, gerade noch rechtzeitig daran erinnert, dass das irgendwo noch eine Rechnung zu begleichen ist? Statt wieder zusammenzubrechen, wehren sich Landgraf, Vollert, Nietfeld, Guttau, Mast und Boyd diesmal nicht sehenswerter, aber erfolgreicher. In der 25. Minute schlägt der diesmal als Linksverteidiger aufgebotene Jan Sternberg eine Ecke nach innen, die Titsch Rivero eher wenig überzeugend aufs Tor köpft. Der bis dahin überzeugende Plogmann patzt. Vollert staubt ab. 2:1.

Offensiv ist alles nicht immer schön anzusehen, abgesehen von den schnellen Sprints, die Julian Guttau auf der linken Seite anzieht. Aber defensiv ist es noch viel schlimmer. Auch der neue Müller im Tor, Namensvetter der abwanderungswilligen Nummer 3 Tom Müller, strahlt nicht eben Sicherheit aus, wenn er versucht, mitzuspielen.

Doch gegen Meppen  geht das. Frings' Jungs mühen sich, sind aber in ihren Mitteln noch limitierter als der HFC. Die beiden Angriffe des SV, die bis zum eigenen Strafraum durchkommen, übersteht Reddemanns Abwehr. Und nur sechs Minuten nach Wiederanpfiff macht der für Mast eingewechselte Derstroff mit seiner ersten Ballberührung das 3:1. Mehr Tore in einem Spiel hat der HFC seit dem 5:3 gegen die bereits abgestiegenen Jenaer im Juni nicht geschossen. Es geht noch!

Ohne Glanz und Glorie

Nur Glanz und Glorie hat es selbst mit dem deutlichen Zwischenergebnis nicht. Schnorrenbergs Team sitzt die Verunsicherung des verunglückten Saisonstarts selbst jetzt noch so tief in den Knochen, dass das Fracksausen bei jedem Meppener Angriffsversuch beinahe schon zu hören ist. Nach vorn geht bei Halle jetzt auch nicht mehr viel, man wartet auf Kontermöglichkeiten, spielt aber dann lieber quer, wenn sie sich ergeben. Beinahe wird es so doch noch mal kriminell: Als Derstroff im Vorwärtsgang nach außen legen könnte, kurvt er lieber in die Mitte, verliert den Ball und Sekunden später taucht Piossek vor Müller auf. Der wehrt mit einem Reflex ab.

Noch mal gutgegangen. Es ist dann Terrence Boyd, dem bis dahin bis auf seine Vorlage zum 1:0 nicht viel geglückt ist, der den Deckel drauf macht. Guttau zieht noch einmal an, diesmal findet seine Flanke den Mittelstürmer, der ganz drüben auf der anderen Seite läuft. Und Boyd überwindet den wackeren Plogmann mit einem Schuss aus spitzem Winkel, mitten durch die Hosenträger.

Spiel, Satz und Sieg, frohe Gesichter im zu 85 Prozent leeren Rund und drei Punkte gegen den Abstieg im Sack.


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