Westberlin und Ostberlin - als eine Stadt geeint, im Straßenbeleuchtungssystem weiterhin getrennt. |
Elisabeth Schmeling wurde geboren und aufgezogen in der DDR, sie ist dem Augenschein nach eine Weiße deutsche Literatur- und Kulturwissenschaftlerin und transkulturelle Trainerin für Intersektionalität, Diversität-Inklusion, Rassismus- und Machtkritik sowie für kritische Weißseinsreflexion in Wissenschaft, Gesellschaft, Kultur, Kunst, Sport und Politik. Schmelings Arbeitsschwerpunkte liegen in den Verschränkungen von Diaspora, Beitrittsängsten und Translokalität, bei der Performativität von Anpassungskultur (Spatiality and Coloniality of Memories, Postkoloniales Erinnern) sowie in postkommunistischen Erziehungstraumata, Feminist Future Studies und Critical Race sowie Whiteness Studies. Zuletzte erforschte sie die akuten Hinweise auf subkutanen Rassismus im RGB-Code, der bislang im Internet genutzt wird.
Als Mitfrau* bei der losen Facebook-Gruppe Frauen* bei Facebook engagiert sich Schmeling als Gutachteren für das An-Institut für Angewandte Entropie bzw. dessen wissenschaftliche Fachgruppe Diversifying Regression. 2018 führte Schmeling mit der wissenschaftlichen Fachgruppe "Diverse Things" einen internationalen konsultativen Workshop zum Thema "Stammbaumforschung im Bundestag" zum Erfolg, als sie nachweisen konnte, wie großen Wert das Hohe Haus in seiner Außendarstellung auf Herkunft, Wurzeln und Abstammung legt.
PPQ.li hat Elisabeth Schmeling schon verschiedentlich zur Frage der Verwurzelung im Fremden befragt und ihre Fachkunde in Bezug auf die sprachbildnerische "Mortalität" von benachteiligende Gedankenbilder genutzt. Heute spricht PPQ.li-Kolumnistin Svenja Prantl allerdings mit Peggy Schmeling über den grassierenden Rechtsextremismus als brennendstem Problem der Gegenwart. Nicht nur die anonymen Briefe des „NSU 2.0“ haben gezeigt, dass es noch nie so schlimm war wie heute - ein besonders perfides und abstoßendes Phänomen erobert Raum zurück, den es nach 1945 endgültig verloren zu haben schien.
Für Schmeling aber ist das Teil einer viel weiter greifenden Entwicklung ist: Das Internet und die sozialen Netzwerke insbesondere seien längst Hassverstärkern geworden, in denen Rechtsextreme zu Gewalt aufrufen, Hass gegen Minderheiten schüren und die Gesellschaft mit ihrer Propaganda polarisieren und spalten, sagt sie.
Prantl: Frau Schmeling, Sie beschreiben das Internet als einen Ort voller Hass, der sich seit Jahren anreichert und die offene Gesellschaft zusehens bedroht. Ich habe den Eindruck, dass es trotz aller Warnungen immer schlimmer wird. Haben Sie eine Idee, wie es so weit kommen konnte?
Schmeling: Das Internet war ursprünglich ein Raum der Meinungsfreiheit, das hatte schon etwas Positives, dachte man, damals, als die Gebildeten, die Leute mit Stil und die Neugierigen noch unter sich waren. Doch mit den sogenannten sozialen Medien kamen dann Menschen in großer Zahl ins Netz, die bis dahin keine Kontrolle über sich als expressive Figur hatten, sondern nur durch soziale Disziplin eingehegt worden waren. Dadurch wandelten sich die Informationsbeziehungen, denn das Expressive, Laute und Unkontrollierte entpuppte sich plötzlich als Wettbewerbsvorteil. Man sich zum Beispiel extremer darstellen, als man ist, man kann besser aussehen und klüger wirken. Das verzaubert und zieht an.
Prantl: Jemand wie ich, der im richtigen Leben Komplimente bekommt, hat es da nur umso leichter. Aber andere haben es schwer, richtig? Fühlen sich zurückgesetzt und werden wütend?
Schmeling: Massenkommunikation. ist nicht mehr Kommunikation zu den Massen, sondern Kommunikation von Massen. Dass die herkömmlichen Medien wütend sind, weil sie die oder zumindest Teile von ihnen nicht mehr erreichen, ist verständlich. Jetzt sind viele teuer hergestellte Inhalte nicht mehr mehr wert als ein Katzenbild. Und das, was vorher nur wenige Menschen erreichte, kann auf einmal jeder sehen, wenn man ihn dazu bringt, zu klicken.
Prantl: Wenn also die extreme Rechte schreit, wir leben in bürgerkriegsähnlichen Zuständen und auf Einzelfälle verweist, dann ist das statistisch nicht haltbar, aber im Netz erfolgreich?
Schmeling:
In meinem Buch erinnere ich an die alte Zeit, als Meldungen über kriminelle Geflüchtete allenfalls in Lokalzeitungen ein Thema waren. Jetzt werden solche Nachrichten jeden Tag genutzt,um den Eindruck zu erwecken, es sei alles schlimmer geworden. Das hat natürlich bedenkliche Folgen.
Prantl: Weil der Mensch in seiner Neigung, der Deutsche zumal, dramatische Inhalte immer stärker wahrnimmt und erinnert als zum Beispiel eine "Tagesschau", die von einem Sieg von Bayern München berichtet.
Schmeling: Auf jeden Fall tritt durch die künstlich betriebene Reproduktion der Eindruck ein, das Land, das Leben, alles sei aus den Fugen geraten. Statistisch ist das überhaupt nicht haltbar, aber Statistik ist auch nicht dramatisch. So schaffen sich Rechtsextreme aus Bruchstücken der Wirklichkeit eine eigene Collage der Realität, indem sie Ereignisse aufgreifen, sie aufblasen und aus ein paar wenigen Mücken einen imposanten Elefanten bauen. Sie wissen genau, dass sie in eine Marktlücke stoßen, die die Leitmedien mit Regierungsverlautbarungen nicht stopfen können.
Prantl: Muss das technischen Design der Plattformen verändert werden? Um mehr Langeweile zu erzielen und den Dramafaktor zurückzubauen?
Schmeling: Unbedingt. Soziale Netzwerke brauchen soziale Kontrolle, etwa durch gewählte Nutzervertreter, einen Aufsichtsrat aus Mitgliedern, einen Posterausschuß. Dass Algorithmen auswählen, welche Inhalte zu welchem Nutzer passen, wen interessieren könnten und wen nicht, kann so nicht bleiben. Das ist reine Zahlenlogik, derzufolge Inhalte, die besonders oft geteilt oder kommentiert werden, besonders interessant sind. Aber das ist das Prinzip Billig, nach dem der TV-Sender Phoenix Programmlöcher immer mit Hitler stopft. Dadurch entsteht eine ganz eigene Wirklichkeit.
Prantl: Wenn das Soziale und das Politische verschwimmen, weil viele Leute bei Facebook sind, um sich von anderen Leuten unterhalten zu lassen, die bei Facebook sind, um sich von anderen Leuten unterhalten zu lassen, dann amüsieren wir uns zu Tode, oder?
Schmeling: Dann liefern wir uns Menschen aus, die keine Kontrolle über ihr eigenes Leben haben, aber politische Inhalte in unseren Newsfeed spritzen. Dazu rechne ich all die Prominenten, die für ihre Prominenz prominent sind, und in Verschwörungstheorien ihre wahre Berufung finden.
Prantl: Tragisch Fälle wie Hildmann, Tellkamp oder Naidoo, die als Küchen- oder sonstige Kulturkünstler gestartet sind, ehe sie vor aller Augen in den Abgrund kippen wie der Schlagerstar Wendler eben erst.
Schmeling: Ein Schlagersänger, der sich in einen Experten für Grundgesetzsachen verwandelt. Und die unmittelbare Verbindung zwischen Sender und Empfänger verschafft ihm schlagartig eine Aufmerksamkeit, die in der Binnenwahrnehmung den Eindruck erwecken kann, man sei berufen. Im postkolonialen Erinnern nennen wir das das Mohammed-Syndrom, nach dem Schafhirten, der später auch eine Fangemeinschaft fand, die sich bis heute nah an ihrem Idol fühlt und leicht zu beeinflussen ist.
Prantl: Ich als auswärtige Beobachterin und Digitale Nomadin habe zuletzt eine Rückkopplung beobachtet: Auch die klassischen Leitmedien sind schriller geworden, greller und kurzatmiger. Ist das ein vielversprechendes Konzept?
Schmeling: Es ist eine Angstblüte. Als Forscherin, die sich für die Performativität von Anpassungskultur interessiert, sehe ich darin eine fußläufige Nacheile, die nicht auf einem Konzept beruht, sondern in der Furcht gründet, zu spät zu kommen. Neu ist doch, dass sich die Plattformen zunehmend als Abbild der Gesellschaft begriffen werden und das, was dort zu sehen ist, als das Leben gilt. Seriöse Medien versuchen sich daran, dieses virtuelle Leben darzustellen, indem sie etwa rechtsextreme Empörungskampagnen, die dort unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, aufblähen, bis Köpfe rollen oder der Bundestag debattiert. Daran entzündet sich dann wiederum der virtuelle Volkszorn, auf den in der nächsten Runde wieder leitmedial eingegangen wird.
Prantl: Ein Perpetuum Mobile des virtuellen Wahnsinns.
Schmeling: So kann man das sagen. Viele Medien merken gar nicht, dass sie einen Beitrag, der im nächsten Moment im Ozean der Bedeutungslosigkeit versinken würde, durch ihre Aufmerksamkeit erst in die Öffentlichkeit bringen. Und dabei der Absicht, Rechtsextreme zu demaskieren, keinen Gefallen tun, weil any press is good press.
Prantl: Brauchen wir eine neue Medienerziehung? Einen Nachwuchs, der das alles einzuordnen weiß
Schmeling: Erstaunlicherweise weiß die extreme Rechte genau, welche Knöpfe sie zu drücken hat, um Emotionen auszulösen. Alle anderen wissen das nicht. So werden Menschen dann Schritt für Schritt an ein falsches Weltbild herangeführt.
Prantl: Und am Ende besteht nicht einmal mehr Konsens mehr über das, was Fakt ist: Beherrschen die Rechtsextremen wirklich die gesellschaftliche Debatte? Gibt es ihn tatsächlich, den Rechtsruck in der Politik?
Schmeling: Rechtsextreme arbeiten mit Angstszenarien, so beschwören mit existenziellen Bedrohungen herauf, die radikale Maßnahmen erfordern. Dieser Ausnahmezustand wird von rechts mit dem Wohl der Nation verbunden. Viele fühlen sich angesprochen und glauben dann, dass sie das genauso sehen. Dadurch entsteht eine faschistische Dynamik, in der nur noch das stimmt, was der nationalen Mobilmachung zu Gute kommt. Dadurch wird der Konsens darüber zerstört, was Fakt sein muss.
Prantl: Mittlerweile reagieren die Plattformen: Twitter verbirgt Tweets, die nicht faktengeprüft sind. Das ist doch ein positiver Trend oder nicht?
Schmeling: Das ist ein kleiner Fortschritt. Aber so lange jeder alles schreiben kann, ist der Reinigungsbedarf enorm. Jeden Tag. Kaum ist saubergemacht, werden schon wieder Massen an Meinungen gepostet, ohne dass eine staatliche oder bürgerschaftliche Autorität filtert, wichtet und einordnet. Selbst wenn Facebook Milliarden in die Löschung von postfaktischen Inhalten investieren würde, wäre das ein Kampf gegen Windmühlen.
Prantl: Facebook abschalten?
Schmeling: Einhegen. Die Menschen an die Hand nehmen, besser erklären. Das ist allerdings schwierig, weil viele es mittlerweile als selbstverständlich betrachten, ihre Meinung ungefiltert einer breiteren Öffentlichkeit mitteilen zu können - nicht nur bekennende Rechte. Wie ihnen dieses Spielzeug wegnehmen, auch wenn immer klarer wird, dass sie nicht damit umgehen können? Wenn Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sagt, er wolle kein Schiedsrichter der Wahrheit sein, dann muss man ihn vielleicht fragen, ob er dann der Richtige ist, so ein Unternehmen zu führen.
Prantl: Wer wäre denn der Richtige?
Schmeling: Man muss an die Strukturen gehen, die die Technologieunternehmen bereitstellen, die falschverstandene Liberalität zurückdrängen, denn die befeuert die Intoleranz.
Prantl: Aber eine strenge Regulierung der sozialen Medien wird mit autoritären Regime verbunden. Das können wir uns niht leisten, oder?
Schmeling: Aber auch die herkömmlichen Medien haben doch einen Prozess der Regulierung durchlaufen! Sich bewähren müssen! Die Nazis haben den Volksempfänger noch uneingeschränkt benutzt, um direkt mit den Massen zu kommunizieren. Wie das endete, haben erlebt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Antwort darauf, stärkere presserechtliche Standards zu schaffen, um die Macht der Technologien, mit der sich Massen manipulieren lassen, einer Kontrolle zu unterwerfen. Vielleicht lässt sich da ansetzen, über Lizensierungsverfahren für die sozialen Medien in einem gesteuerten Prozess.
Prantl: Staatliche Aufsicht, zivilgesellschaftliche Wahrheitsprüfer, ein Zulassungsamt für Meinungsäußerer?
Schmeling: Angesichts der Auswirkungen des gigitalen Treibens auf das analoge Leben halte ich das für angemessen. Sicher gab es auch früher Gewalttaten, aber die Art der Planung, der Durchführung und auch der Animation anderer zu solchen Taten gäbe es nicht ohne soziale Medien. Das sind keine Einzelfälle, da sehe ich ein Muster. Immer junge Männer, die nicht in rechten Strukturen unterwegs waren, ehe sie dann zuschlagen. Hier betritt eine digital vermittelte Form des Rechtsterrorismus die Bühne, der bewusst junge Menschen aus Online-Subkulturen anspricht. Wenn Menschen glauben, dass ihre Gemeinschaft existenziell bedroht sei, können sie selbst drastische Schlüsse ziehen.
Prantl: Als jemand, der all diese Abgründe jeden Tag forschend durchmisst - würden Sie Ihre Kinder noch ins Netz lassen?
Schmeling: Unter Aufsicht, ja. Aber die Menschen, die sich in den letzten Jahren missbraucht wurden, stammten ja aus der Generation 45 plus - Menschen, die lange unpolitisch waren und durch die sozialen Medien glauben, einen Erweckungsmoment erlebt zu haben. Kinder, die heute Kinder sind, werden das nicht mehr so erdulden müssen, denn vermutlich wird es die sozialen Medien, die wir kennen, in zehn Jahren nicht mehr geben. Wenn man sich die Diskussionen um den Digital Service Act der EU anschaut, der bald kommen soll, merkt man deutlich: Die Politik hat verstanden, dass man größere Hebel anpacken muss, um ein Problem zu lösen, das sonst das Zeug hat, so toxisch zu wirken, dass es unsere Gesellschaften von innen zerstört.
3 Kommentare:
https://nypost.com/2020/10/20/meet-your-chinese-facebook-censors/
Rettung naht! Facebook hat chinesischen Informatikern Visa verschafft und sie angeheuert. Die sind uns einfach Jahre voraus und Experten im IT-Fach 'Hate-Speech-Engineering'.
Sie manipulieren die Algorithmen über KI so, dass 'grenzwertige' Inhalte schlechter gerankt werden. Es wird also niemand geblockt, ge-'banned' oder bekommt einen 'guideline-strike', sondern wundert sich höchstens im Stillen, warum irgendeiner seiner Posts (oder alle) plötzlich weniger Reaktionen bekommt.
Ich mag die Interviews von Svenja. Sie stellt immer die richtigen Fragen, geht auf ihre Gesprächspartner ein und vor allem kann sie sehr gut zuhören. Kein Wunder bei den großen... ähh ja, Ohren.
OT Fakenews Fefe, dem Publikum zur Erheiterung und Belehrung
Fefe so:...und zieht sich mal ein Image der Platte [aus H. Bidens Laptop] und stochert illegal darin herum, findet das Kompromat und die Kinderpornographie und dann geht der Chef des Ladens damit zu seinem alten Kumpel Rudi Giuliani, dem Anwalt von Donald Trump.
Jeder, der in den USA ein Gerät zur Reparatur gibt, unterschreibt eine Klausel, dass er seine Besitzrechte an Hardware und Daten bei Nichtabholung nach einer bestimmten Zeit verwirkt (nach US-Recht 100% legal und normal). Der Reparaturladen kann danach legal damit machen, was er will. Die ersten, die die Daten bekamen, war das FBI 2019. Die haben aber nichts weiter unternommen (warum wohl).
Kommentar veröffentlichen