Um mit der Corona-Krise klar zu kommen, findet jeder seinen eigenen Weg. Viele flüchten sich in Gartenarbeit, andere in leere Leibesübungen, in Alkohol und Völlerei. Es wird mehr geschlagen und weniger miteinander, vermuten Psychologen, Netflix und andere Streamingdienste boomen, selbst die ARD und das ZDF berichten über gestiegene Zuschauerzahlen.
Doch es wird auch mehr gedichtet, das zeigt der Ansturm auf den PPQ-Poesie-Briefkasten, der vor allem in Frühphase der Seuche, als Masken noch nicht halfen und Arbeitsplätze noch keinesfalls verlorengehen würden sollten, poetistische Großtaten wie das aus sechs Teilen bestehende Drama "Zimmer ohne Aussicht" gebahr.
Das blue feeling, das damals durch die Lande zog, ist einem Dreiklang aus Gewöhnung, trotziger Hoffnung und Freude über den rechtzeitigen Wiedereinstieg in den Aktienmarkt gewichen. Seit Bundespräsident und Bundeskanzlerin kaum noch Reden halten, in denen an das Miteinander appelliert wird, und die Virologen sich in ihre Podcast-Nischen zurückgezogen haben, mangelt es hinter Mund-Nase-Schutz - auch "Mund-Nasen-Schutz" bei Mehrnasern - an dichterischer Inspiration.
Konzerte und Volksfeste, gemeinhin Quellen gesellschaftlichen Frohsinns, sind abgesagt, der Karneval, die Herzenskammer des deutschen Humors, steht wie damals, als Joschka Fischer den Hufeisenplan erfand, vor einer Suspension. Hinter den Symbolmasken sieht man das Lächeln des Anderen nicht, im Home Office fehlt viel gesellschaftliche Reibung und damit die Wärme, die viele ein Leben lang gewohnt waren, selbst wenn sie zum Rauchen schon lange vor die Tür müssen.
Mit ihrer aktuellen Arbeit "Lob der Enge" hat uns PPQ-Leserin Heidrun Kersten nun aber nach längerer Pause wieder ein Stück Dichtung geschenkt, das Mut macht. Geschrieben im leeren Wartesaal einer Zahnarztpraxis, werden die wenigen, aber tiefschürfenden Zeilen die Älteren an Bert Brecht, erinnern, vielleicht vorgetragen von Ernst Busch, dem großen Künstler mit der Arbeiterstimme. Jüngere dagegen können sich erinnert fühlen an das erste große Krisenabenteuer ihres Lebens, das Abstand forderte und damit Enge schuf.
Lob des Abstands
Er ist vernünftig, jeder versteht ihn.
Er ist leicht.
Du bist doch kein Leugner, du kannst es begreifen.
Er ist gut für dich, erkundige dich nach ihm.
Die Dummköpfe nennen ihn dumm, und die Schmutzigen nennen ihn schmutzig.
Er ist gegen den Schmutz und gegen die Dummheit.
Die Leugner nennen ihn ein Verbrechen.
Aber wir wissen: Er ist das Ende der Verbrechen.
Er ist keine Tollheit.
Er ist nicht das Chaos, sondern die Ordnung.
Er ist das Einfache, das schwer zu machen ist.
5 Kommentare:
Wenn es davon ein Off-Vocal gäbe, könnte es ppq.li mit dem aktualisierten Text auf den eigenen Kanal laden.
https://www.youtube.com/watch?v=cEFOZhpMNjI
Lob des Anstands. Der Geldbörsenfinder geht wieder um.
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https://www.bild.de/regional/hannover/hannover-aktuell/ehrlicher-finder-mann-entdeckt-portemonnaie-mit-900-euro-73096720.bild.html
EHRLICHER FINDER
Mann gibt Portemonnaie mit 900 Euro zurück
Lob des Löschwassers
Da brennt nix. Da wird proaktiv gelöscht.
Quang Paasch , Boatpipl der 3. oder 4. Generation erklärt dem brd TV Volk den kommenden Weltuntergang .
was wäre der Standort D ohne das Buntbereicherungsprogramm .
Als Jüngling, damals noch gläubig, mußte ich mir einmal "Lob des Kommunismus" in der Vertonung von Hanns Eisler* freiwillig zwangsanhören. Der Gesang war schon unterirdisch - aber die Klavierbegleitung, als ob einer mit den Gesäßbacken Klavier spielt. Der Deskaisersneuekleidertrick**: Wer's nicht begreift, ist schlicht doof, wenn nicht gar Klassenfeind.
*Ein Schüler von Arnold Samuelsson Schönberg.
** Diesen Trick kannte und lebte auch Wiesengrund, Künstlername Adorno.
P.S. Die Dreifachklammern habe ich wieder gestrichen.
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