Svenja Prantls Opa ist noch nie geflogen und er trägt eine Manchesterhose stets zirka zehn Jahre lang. Ein Vorbild, findet seine weitgereiste Enkelin. |
Opa ist noch nie geflogen. Er wird auch nicht mehr fliegen. Er fährt nie in den Urlaub. Niemand in seiner Familie hatte ein Auto, als er Kind war. Opa besitzt kaum Dinge, die er nicht benutzt. Seine Wäsche hat seine Frau fast ein ganzes Leben lang mit der Hand gewaschen. Gebadet haben sie im Waschkessel, einmal im Monat. Opa ist jetzt 91 Jahre alt und er lebt in Ehrenzipfel, einem Dorf im Erzgebirge. Nach Breitenbrunn, so etwas wie eine Stadt in der Nähe, sind es fünf Kilometer. Opa ist das sein Leben lang mit dem Fahrrad gefahren.
Eine persönliche Betrachtung der Klimaschlacht von PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl.
Svenja Prantl verdankt ihrem Opa ein gutes Klimagewissen. |
Als Opa 23 war, lag der letzte Weltkrieg gerade sechs Jahre zurück. Opa war aus der Gefangenschaft zurück, er hatte Glück, er war beim Amerikaner gelandet, wie er später immer erzählte. Er begann sofort, zu arbeiten, in einem Erzbergwerk in der Nähe, für den Russen, sagte er. Er war kein Bergmann, sondern Tischler, er musste nicht einfahren, bekam aber Grubenschnaps. Darauf war er stolz, denn damit ließ sich handeln.
Als ich 23 gewesen bin, nahm ich ein Sabbatjahr und flog nach Benin, um mit von der Lage in Afrika ein Bild zu machen. Es war ein freiwilliges soziales Jahr, gewürzt mit viel Exotik und ein wenig Erotik. Wie Opa feuerten wir dort mit Holz, wir wussten es nicht besser und Kohle gab es kaum. Wenn ich heute über die Klimakrise nachdenke, denke ich auch an Opa und die Männer, die damals zu ihm kamen, wenn ich zu Besuch war. Walter, Hans und Herwig, Kurt, den sie Kutte nannten, und Rolf mit dem fehlenden Finger.
Ich hatte das Privileg, nach dem Abi nach Benin zu gehen. Ich habe mich für das "weltwärts"-Programm beworben und wurde genommen. Meine Beurteilungen waren gut, ich galt als sicherer Kandidat für eine Rückkehr. Ich würde später noch mein Scherflein zum Bruttoinlandsprodukt beitragen. Man machte sich dort nicht tot, wie Opa sagen würde, statt Grubenschnaps tranken wir Tequila. Zwei Jahre später bin ich nochmal dorthin geflogen – weil ich es konnte. Laut dem Rechner auf der Seite von Atmosfair verursacht der Flug von München nach Cotonou und zurück etwa 2,2 Tonnen CO2. Das ist etwas mehr, als einem Menschen pro Jahr zur Verfügung stünde, wenn wir alle gleich viel verbrauchen würden und die Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen wollten. Opas Klimabilanz lässt mich ziemlich dumm aussehen: Er heizte mit Holz, er trug dieselbe Manchesterhose über Jahrzehnte und er wusch sich mit Waschsand.
Lauf Klimarechner des Umweltbundesamtes ist Opas CO2-Fußabdruck nur ein Zehntel so groß gewesen wie meiner: 0,25 Tonnen im Jahr. Wenn ich darüber nachdenke, scheint es mir, als habe Opa nicht mal richtig geatmet.
Opa verbrauchte nach dieser Rechnung viel weniger CO2 als ihm zusteht, im Sinne der Logik von Malu Dreyer (SPD). Ich dagegen liege weit drüber, bei 16 oder 17 Tonnen im Jahr und da sind Cannabisanbau, Latte Macchiato und Fitnessstudio im Grunde noch nicht berücksichtigt.
Für Opa gab es kein Sabbatjahr nach dem Krieg, kein Stipendienprogramm, um ins Ausland zu gehen. Er hatte nicht mal einen Pass, aber auch gar nicht das Geld, um einen Flug zu bezahlen, mal abgesehen davon, dass er wahrscheinlich kein Visum bekommen und auch gar nicht gewusst hätte, was er irgendwo anders überhaupt soll.
Im Moment liegen also nüchtern betrachtet die gesamte Schuld für die Erderwärmung und den Zusammenbruch der menschlichen Zivilisation im Klimanotstand bei mir: Ich habe das Geld, die Umwelt zu vernichten, die Bildung, mir etwas auf meine Freiheit einzubilden, die internationalen Beziehungen, rücksichtslos über die Belange anderer Generationen hinwegzufliegen, und die Chuzpe, meinen Opa vorzuschieben, der, so sehe ich das, mit seinem bescheidenen Klimaleben eine Art Klimasparkonto für mich angelegt hat: Der Durchschnittsdeutsche verbraucht nach Malu Dreyer im Jahr knappe 12 Tonnen CO2. Großvater kam in seinen 91 Jahren mit insgesamt knapp 25 Tonnen aus.
Er hat mir also ein Guthaben von über tausend Tonnen vererbt.
Das spielt meinem Lebensstil in die Hände, denn selbst nach den geplanten Pro-Kopf-Verbrauchsrechten für CO2, die die Bundesregierung nach dem Plänen von Christian Felber, dem Begründer der Gemeinwohlökonomie-Bewegung, als ökologisches Menschenrecht einführen wird, läge ich damit super im Rennen. Wenn Unternehmen dann dazu verpflichtet sind, einen ökologischen Preis für jedes Produkt auszuweisen, der auf das eigene Lebenslimit für CO2 angerechnet wird, startete mein Ökokonto dank Opa mit einem Saldo, das mich das hektische drumherum und die Angst vor einer Überziehung des eigenen Emissionskontos bei den meisten Mitbürgern gelassen betrachten lassen wird.
Es ist natürlich nur ein Gedankenspiel, aber was würde passieren, wenn man jetzt sofort so ein Verbrauchsrecht einführen würde? Wahrscheinlich würde sich ein Markt entwickeln, in dem diejenigen die Macht haben, die so wenig verbrauchen, dass sie unter der Grenze von zwei Tonnen pro Jahr liegen: Opa müsste vielleicht nicht einmal mehr arbeiten, denn er könnte das CO2, das er nicht verbraucht, auf dem Markt verkaufen, wo Besserverdiener, Vielflieger, Spekulanten und Manager stolze Summen dafür bieten würden.
Es wäre ja für alle ein Zwang, zusätzliche CO2-Rechte für sich zu kaufen, bis wir alle in kleine WG-Zimmer gezogen sind oder wieder zu unseren Eltern, bis alle auf vegane Ernährung ohne Auto, Urlaubsverzicht und Klamottenbeschaffung in der Fundgrube der Awo umgestellt haben, um ihren CO2-Fußabdruck auf das Maß, das ihnen zusteht, herunterzuschrauben.
Es lohnt sich sicherlich, über diese Idee nachzudenken. Wer keine Macht hat, bekäme sie dann, denn er wäre der Verkäufer auf einem neuen Markt, der das Leben der gesamten Menschheit bestimmen würde. Opa selbst hat die Diskussion darüber übrigens mit einer Handbewegung weggewischt. Der Quatsch interessiere ihn nicht, sagte er und fuhr damit fort, mit einem 40 Jahre alten Spaten ein Beet umzugraben, auf dem er in diesem Jahr Kartoffeln säen will.
Wenn alle Menschen so leben würden wie Opa, dann gäbe es gar keine Klimakrise. Und es wüsste niemand, was ihm entgeht.
9 Kommentare:
PPQ sagt, die junge Dame heißt Svenja Prantl. Google tippt auf Dorina Szabo.
Wer hatn nu recht?
wer google glaubt, hat die kontrolle über sein leben verloren
Svenja hat tausend Gesichter, nur die volle Bluse ist immer gleich.
die kollegin hat vergangenes jahr etwa im gesicht machen lassen. bei uns wird deshalb niemand schief angeschaut!
Die junge Dame heißt wirklich Svenja Prantl. Jedenfalls steht das auf ihrem Klingelschild bei uns im Block, eine Etage höher. Ich sehe sie fast täglich. Irrtum ausgeschlossen.
Jep. Opa war (voll) in Ordnung. Kann man nichts gegen sagen.
Wäre es rassistisch (in der Varietät sexistisch), wenn man an Svenjas Brüsten Gefallen fände?
sie sagt, kein problem, Sie findet sie auch hübsch
Grubenfusel. Habe ich Mitte der Siebziger zwei Liter legal empfahen, bevor mir der Yorcksche Marsch geblasen wurde.
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