Von der ersten ernsten Mahnung gleich am Tag nach seiner Wahl bis zur Drohung, sich künftig ganz auf eine europe first-Strategie zu verlegen, ohne weitere Rücksichten auf den Partner zu nehmen, dauerte es nur vier Jahre.
Das Signal zur Abkopplung der EU von den mit der Amtsübernahme Donald Trumps aus der Gemeinschaft der demokratischen Staaten geschiedenen USA hatte Angela Merkel noch in der Wahlnacht gegeben, als sie dem neuen Mann im Weißen Haus in einen Glückwunsch verpackt mitteilte, dass er sich an die Werte von "Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde jedes einzelnen Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung" (Merkel) zu halten haben werde, wolle er weiterhin Deutschlands Loyalität erkaufen. Ein kaum verschlüsseltes Angebot EUropas, sich weiterhin als Teil eines aus Washington geführten Blocks zu begreifen, der die Weltinnenpolitik bestimmt.
Politik aus Fortsetzung von Business
Doch Trump lehnte ab. Gerade die deutschen Medien haben in den vergangenen Monaten und Jahren penibel Buch über seine Ausfälle, seine Affronts, seine Beleidigungen und seine Lügen geführt. Egoistisch und von der Hybris getrieben, die USA könnten tun und lassen, was sie wollen, spielte sich Trump in Nordkorea und im Nahen Osten als Friedensstifter auf, er zog Truppen aus Afghanistan und Deutschland ab und ließ nie einen Zweifel daran, dass er Politik als Fortsetzung des Geschäftslebens auf staatlicher Ebene begriff: Jede Seite sucht nach ihrem Vorteil, man bietet an und lehnt ab, man lotet Kompromisse aus, indem man den Verhandlungstisch auch mal wütend verlässt, und man sagt nie, was man will, sondern immer nur, was nützlich ist.
Ein Missbrauch der Beziehung zu Deutschland, die deutsche Politiker über so viele Jahrzehnte rituell als "Freundschaft" bezeichnet hatten, bis sie selbst glaubten, dass es menschliche Gefühle unter staatlichen Entitäten gibt. Ein Irrtum, über den sie im Weißen Haus laut gelacht haben mögen, ehe sie begannen, die darin liegenden Möglichkeiten zur Erweiterung der eigenen Handlungsspielräume auszuloten.
Europa, in der EU zusammengeschlossen, weil die Anführer der Einzelstaaten in großer Angst sind, allein auf globaler Ebene nicht gehört zu werden, brauchte fast die ganzen vier Jahre von Trumps erster Amtszeit und die schrille Mahnung einer einbrechenden Pandemie, um auf die Idee zu kommen, dass america first als europe first mehr Nutzen als Schaden anrichten würde. Und dann brauchte es Sanktionsdrohungen aus Washington wegen der geplanten Gaspipeline Nordstream II, um zu verstehen, dass das auch nichts nützen wird.
Deutsches Geld für Russlands Waffen
Zwickmühle heißt die Situation, in der die Bundespolitik und mit ihr die gesamte EU stecken, seit die USA unmissverständlich klargemacht haben, dass sie in der seit Jahren schwelenden Pipeline-Auseinandersetzung keinem Kompromiss zustimmen werden. Deutschland könne nicht einerseits seine finanziellen Verpflichtungen der Nato gegenüber nicht einhalten und sich auf Kosten der USA vor Russland schützen lassen. Und andererseits mit dem Kreml Geschäfte machen, die Russland Einnahmen bescheren, mit denen es die Bedrohung Deutschlands verschärfen kann.
Deutschland kann das natürlich, es ist sogar ganz normale deutsche Politik. Hierzulande ist es Brauch, einerseits Israel unverbrüchliche Freundschaft zu schwören, ehe man den Palästinensern Millionen zuschiebt, auf dass sie neue Bomben und Raketen bauen können, um Israel anzugreifen. Wer mit allen befreundet ist, ist mit niemandem befreundet - Deutschland etwa ist die treibende Kraft hinter den von den USA gewünschten Sanktionen gegen Russland. Zugleich aber Russlands größter Gas- und Ölkunde.
Man darf das nicht so eng sehen, man kann es auch gar nicht mehr. Rund ein Viertel der in Deutschland benötigten Energie wird durch Gasverbrennung erzeugt, Moskau liefert 40 Prozent davon. Perspektivisch wird das nicht reichen, denn mit dem von Angela Merkel beschlossenen Energieausstieg wird mehr Gas benötigt werden, um die ausfallenden Versorger Kernenergie, Stein- und Braunkohle zu ersetzen, sollen die Lichter nicht immer ausgehen, wenn Wind, Sonne und der als Heilsbringer gefeierte grüne Wasserstoff mit seiner negativen Energiebilanz gerade nicht ausreichend Strom liefern können.
Diplomatisch ein Desaster
Deutschlands Ökomoral, Leitlinie der Energiepolitik des ganzen Landes ohne technische Grundlage, hat es nicht nur von französischem Atomstrom und polnischen Braunkohlekraftwerken abhängig gemacht, sondern auch von russischem Gas. Es gibt kein Zurück, was Nordstream II betrifft. Es gibt aber auch keine Möglichkeit, die letzten 100 Kilometer zubauen, ohne in einen offenen Konflikt mit den Amerikaner zu laufen. Diplomatisch eine unlösbare Situation. Wirtschaftlich in jedem Fall ein Desaster.
Denn Trump kommt die Gelegenheit zweifellos zupass, vor aller Welt zu beweisen, was geschieht, wenn ein Land Wirtschaftspolitik auf der Basis von Wunschvorstellungen macht. Europa mit Deutschland in der Mitte lebt das seit Jahren vor: Hier gibt es keine einzige große Internetfirma von Bedeutung, aber die umfassendsten Regelwerke zur Regulierung der Netze. Hier gibt es auch keine weiteren Firmen aus irgendeiner Zukunftsindustrie wie Weltraumfahrt, Künstliche Intelligenz, Autonome Mobilität, Gentechnik oder Elektromobilität. Aber eine ausgeprägte institutionelle Skepsis, ob all das überhaupt wünschenswert ist.
Auf der Weltkarte das Wendtland
Europa ist auf der Weltkarte, was das Wendtland in Zeiten des Kalten Krieges war: Zonenrandgebiet. Wenn der hiesige Außenminister die vitalen Interessen der Nation verteidigt, dann tut er das unter Bezugnahme auf das Übernationale. "Kein Staat hat das Recht, der EU ihre Energiepolitik zu diktieren. Und das wird auch nicht gelingen", hat Heiko Maas von Moskau aus Richtung Washington geflüstert - als wüsste er nicht, dass die EU was Nordstream betrifft so wenig eine gemeinsame Energiepolitik besitzt wie es eine gemeinsame Außenpolitik, eine gemeinsame Sicht auf die Flüchtlingsfrage oder einen gemeinsamen Blick auf die Frage der Zeit hat.
Angela Merkel, deren Wahlkreis direkt von den Sanktionsdrohungen aus den USA betroffen ist, begegnet der Eskalation aus Washington inzwischen nicht mehr mit trotzigen Widerworten, sondern mit dem Schweigen, mit dem sie jede aufdämmernde Krise begrüßt. Nicht nur die Kanzlerin hofft, dass das reichen wird. Deutschlands ganze Strategie zur Verteidigung der eigenen Energiepolitik ist die Sehnsucht danach, dass Donald Trump die Wahl im November verliert. Mehr ist da nicht.
1 Kommentar:
Sie ernten, was sie gesät haben. Egal, wie man die Politik der Amerikaner werten will, nichts wird mich dazu bringen, Partei für die Versagerin Merkel und ihre Verlierertruppe in Berlin zu ergreifen.
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