Montag, 3. August 2020

Geburtenrate: Anstieg ohne Ursache





Es war im Jahr 2010 und Ursula von der Leyen durch eine lustige Volte der Weltgeschichte ins Amt der Familienministerin  gelangt, als die frühere Reichszensurbeauftragte wiedereinmal davon überzeugt war, dass die Geburtenrate in Deutschland aufgrund ihrer klugen Familienpolitik "endlich wieder ansteige" (Leyen). Die Lust am Kinderkriegen, sie steige wegen der tollen Familienpolitik der Bundesregierung, eine "Trendwende" sei eingetreten und von nun an hätten junge Menschen nicht mehr das Gefühl, die Gesellschaft lasse sie als Eltern alleine. Die frohe Botschaft kam an. "Geburten - Boom, Baby" schlagzeilte die Süddeutsche Zeitung verzückt, denn "die Zahlen sind zwar noch ein wenig wacklig" (SZ). Aber schön wäre es doch, wenn sie stimmen würden.

Dass die Geburtenrate nicht dergleichen tat, irritierte weder von der Leyen noch die deutschen Medien, die in den folgenden Jahren immer wieder vom vermeintlichen Geburtenboom berichteten, der darin bestand, dass die wechselnden Familienministerinnen ihn trotzig ausriefen, obwohl er aus den kargen Zahlen keineswegs herauszulesen war. Von 1991 bis 2013 sank die Zahl der Geburten nahezu schwankungsfrei von 830.000 im Jahr auf 682.000, ein Trend, der auch von "besseren Bedingungen für Kinder" durch "Stoppschilder für Internetseiten" (von der Leyen), eine "breite gesellschaftliche Debatte über Leben mit Kindern", eine "gute Konjunktur" oder auch eine schlechte Konjunktur nicht zu brechen war, weil Propaganda eben doch nicht zur Befruchtung des Eis ausreicht.

Dass Deutschland inzwischen wieder so viele Geburten zählt wie 1996, verdankt sich einem anderen Phänomen, das wie ein blinder Fleck in der Berichterstattung klebt: Standen vor zehn Jahren noch 81,8 Millionen Menschen in Deutschland zur Verfügung, um Nachwuchs zu produzieren, stieg diese Zahl bis heute auf 83,2 Millionen.

"Im Zuge der seit 2014 außergewöhnlich stark gestiegenen Zuwanderung kamen per Saldo insgesamt 2,6 Millionen überwiegend junge Menschen nach Deutschland", heißt es  dazu beim Statistischen Bundesamt. 37 Prozent der Neubürger seien im Alter von unter 20 Jahren und 53 Prozent im Alter von 20 bis 39 Jahren gewesen. "Diese Entwicklung hat vor allem der Schrumpfung der Bevölkerungszahl entgegengewirkt, die ohne die Nettozuwanderung aufgrund der negativen natürlichen Bevölkerungsbilanz – die Sterbefälle übersteigen die Geburten – unvermeidlich wäre", erklären die Statistiker.

Informationen, die etwa dem Magazin "Spiegel" nicht zugänglich zu sein scheinen. Angesichts einer seit 2007 um fast 100.000 angestiegenen Geburtenzahl - von 685.000 auf 778.100 Neugeborene - bestaunt die Onlineredaktion mit einem Einheitstext der Agentur DPA, dass die Zahl der Geburten im Vergleich zum Vorjahr um 9.400 gefallen ist.

Jetzt, wo 13 Prozent mehr Niederkünfte "Geburten - Boom, Baby" nahelegen, wird die Zeile gemieden, als wäre sie giftig. Warum eigentlich? Reicht der Anstieg nicht? Oder ist die aktuelle durchschnittliche Kinderzahl pro Frau mit 1,54 Kindern immer noch zu niedrig? Obwohl Ursula von der Leyen 2007, als sie bei 1,37 lag, "über 1,4" als Ziel aller Bemühungen der Bundesregierung ausgegeben hatte?

Oder sind es nur einfach die Falschen, die mittlerweile in Deutschland Kinder bekommen? Und dafür sorgen, dass "die bevorstehenden Veränderungen in der Bevölkerungsgröße und im Altersaufbau  im Vergleich zum Basiszeitraum weniger drastisch ausfallen werden als in früheren Vorausberechnungen" (Statistisches Bundesamt)? Bemerkenswert ist, dass das Älterwerden der jungen Mütter überall gewendet und analysiert wird, der wichtige Beitrag der Nochnichtsolangehierlebenden aber keinerlei Rolle spielt.



3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

„Die Abschottung ist doch das, was uns kaputt machen würde, was uns in Inzucht degenerieren ließe. Für uns sind Muslime in Deutschland eine Bereicherung unserer Offenheit und unserer Vielfalt. Schauen Sie sich doch mal die dritte Generation der Türken an, gerade auch die Frauen! Das ist doch ein enormes innovatorisches Potenzial!“

Wenn man das vier Jahre später nochmal ganz liest, ist es noch witziger.
https://www.tagesspiegel.de/politik/wolfgang-schaeuble-abschottung-wuerde-uns-in-inzucht-degenerieren-lassen/13706442.html

Anonym hat gesagt…

P.S. Beispiele für Degeneration sieht man ja zuhauf im Bundestag, ist also nicht so, dass der innovatorische alte Türkenfrauenanschauer nicht recht hätte.

Jodel hat gesagt…

Es wäre wohl besser, schon jetzt zum richtigen Glauben überzutreten, als zu warten bis die ganzen neugeborenen Ingenieure und Ärzte erwachsen sind. Das würde einem den Übergang in die uns bevorstehende Zukunft leichter machen.

Aber als mittelalter weißer Cis-Mann bin ich leider aus Prinzip immer dagegen, störrisch
und komplett uneinsichtig. Bekommt man ja auch täglich von den Medien so gesagt. Hoffentlich kann ich diese hinterwäldlerischen Einstellungen noch rechtzeitig ablegen. Ich denke die aktuelle Rassismusdebatte bringt uns da sicher voran. Also vorwärts immer, rückwärts nimmer.