Montag, 20. Juli 2020

Sommerhit Partypeople: Deutschland, ein Ballermann

Darüber, dass es sich bei Polizisten um sogenannte "Bastarde" handelt, sind sich Eventszene, Feiernde und Linke einig.
Sie kamen wieder in der Nacht, sie kamen mit bester Laune und lustigmachenden Getränken. Einen Monat nach der Erstsichtung einer neuen Generation von Partypeople in Stuttgart hat das fröhliche Phänomen der jungen Männer mit Hessen ein weiteres westdeutsches Bundesland erreicht. Dreitausend durch die Corona-Maßnahmen heimatlos gewordene Antänzer, Trinker und Disco-Exilanten versammelten sich dort in der Nacht zum Sonntag auf dem zentralen Opernplatz, um gemeinsam in die anstehende Einigung über das große europäische Wiederaufbauprogramm hineinzufeiern. Dann kam es womöglich wegen unterschiedlicher Ansichten über das Volumen der geplanten Zuschüsse zu einer "frühmorgendlichen Schlägerei auf dem Opernplatz, die in aggressivem Handeln gegen die Polizei eskalierte", wie die FAZ berichtet.


Reinfeiern in die Rettung


Wieder Gewalt, wieder ausgelöst durch ein Eingreifen der Polizei, das sich die sensiblen Partygäste in den finalen Momenten der neuerlichen großen Rettung Europas nicht so einfach bieten lassen wollten. Während die Spitzen der EU in Brüssel um die Zukunft der Gemeinschaft rangen, suchten die "Feiernden" (Tagesschau) in Frankfurt, Aschaffenburg, München, Hannover, Köln und Hamburg die offene Konfrontation mit der Staatsmacht. Impfleugner, Corona-Verharmloser und trotzige Raucher besetzen den öffentlichen Raum, außer Rand und Band. Deutschland, ein Ballermann.


Vergessen die feste Entschlossenheit von Politik, Polizei und Behörden, das Gewaltmonopol des Staates auch im Konflikt mit jungen Leuten behaupten zu wollen, die mal über die Stränge schlagen. Aus friedlicher Stimmung wurde einmal mehr Hass und einmal mehr war es mit Hessen ein ohnehin übel beleumdetes Bundesland, das zum Schlachtfeld wurde. "Alle Festgenommenen", so erklärt die "Tagesschau", "kommen aus Frankfurt oder Umgebung".

Feiernde als Sommer-Hit


Anderswo werden Corona-Regeln auch missachtet, doch mit Gewürz- und Zuckerstreuern auf den Tischen, fehlenden Raumskizzen, falsch aufgestellten Desinfektionsmitteln und nicht vorschriftsgemäßem Tragen des Mund-Nasenschutzes können sich die Ordnungshüter inzwischen schon arrangieren. "Feiernde" hingegen, nach einem Vorschlag aus der Bundesworthülsenfabrik die aktuelle Pflichtbeschreibung der kürzlich noch als "Eventszene" beschriebenen Partypeople, entwickeln sich zum echten Sommer-Hit im wahrsten Sinne des Wortes.

Trauer, Wut und Entsetzen, aber auch Zorn auf die "Gedankenlosigkeit" der jungen Menschen prägt nun erneut die Schlagzeilen. In einem "Hagel von Flaschen" (FR) geht der Traum unter, man könne dauerhaft vermeiden, über die Urheber der "massiven Ausschreitungen" (FR) zu reden. Ein "Scherbenhaufen" (FNP) liegt dort, wo eben noch die Hoffnung war,wenn es gelänge, "Stammbaumforschung" (Taz) zu vermeiden, sei es auch vermeidbar, den durch deutsche Sommernächste marodierenden "Mob" (Focus) näher zu beschreiben und die plötzlichen Gewaltausbrüche als "Beispiel für neue Unübersichtlichkeit" heranzuziehen, "für einen Zusammenfluss von diversen Strömungen, die nur vereint sind in ihrem Hass auf die Polizei" wie der Reichsnachrichtendienst (RND) aus der sicheren Ferne der Bundeshauptstadt analysierte.

Ringen in Europa


Das Ringen um Europa hält an, das Ringen um den Frieden auf den Straßen und Plätzen der Kernrepublik ebenso. In Brüssel streitet eine Große Koalition aus Merkel, Macron und dem ungarischen Demokratieverächter Orban gegen die zahlungsunwilligen fünf sparsamen Vier aus dem Norden, daheim tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Die Lage ist "angespannt" (inFranken), die Stimmung "gereizt" (Tagesschau), es steht "Spitz auf Knopf" (Saarbrücker Zeitung), weil "die verschiedenen Regierungs- und Lebensmodelle in Europa nicht mehr zusammenpassen" (Die Zeit). Aber ein Wumms für Europa ist noch immer möglich. Und wenn er kommt, dann wird gefeiert.


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