Freitag, 17. Juli 2020

Alle Jahre wieder und wieder: Schicksalstag für die EU

Die Feinde Europas manipulieren die öffentliche Meinung: In Wirklichkeit sind 99 % der Bürger dafür.

In den Momenten der Entscheidung habt sich der Deckel so mancher Gruft und Gestalten krabbeln heraus, die längst vermodert geglaubt waren. Wie so oft ist es eine Schicksalsstunde des vereinten Europa, zumindest seines nicht nur durch die gemeinsame Nutzung einer Landmasse geeinten größeren Teils, sondern des kleinen, von gemeinsam in Sonntagsreden imaginierten Werten geeinten kleinen EU-Teils, die das Wunder bewirkt.

Deutschlands wissendste Köpfe


Auf einmal sind sie alle wieder da: Der "Welt"-Autor Alan Posener, ehemals einer der Spitzenkandidaten für eine Bundesregierung aus Deutschlands besten Moralisten. Martin Schulz, der Gottkaiser der deutschen Arbeiterbewegung. Und Katarina Barley, die Älteren erinnern sich, einst Hoffnungsträgerin der Juristinnen in der SPD, später dann aber von der auf die glänzenden Erfolge der Jüngeren, Hübscheren und mit einem Bildungsabschluss versehenen Konkurrentin nach Brüssel abgeschobenen Expertin für europäische Umsatzsteuerfragen.

Barley ist in Brüssel eigentlich  ebenso tropfenfrei eingetaucht wie ihr früherer Parteivorsitzender Axel Schulz im Bundestag.  Die Frau, die Europa, soweit es die EU betrifft, eine "Mindestbesteuerung von Unternehmen" verpassen wollte, wie sie sich die Kommissare schon seit Jahren erträumen, machte ausschließlich bunte Schlagzeilen.  Dazu las sie öffentlich aus alten Parteitagsreden vor und ließ keinen Zweifel daran,  dass eine EU, in der sie das Sagen hätte, keine unterschiedlichen Ansichten zu aktuellen Erfordernissen gebrauchen können würde.

Die Grundwerte, die sie meinen


Wie es der legendäre Hades-Plan zu Schaffung vollkommener deutscher Dominanz zwischen Nordkap und Sizilien vorsieht, würde Barley durchregieren. Daran hat die derzeit als Vizepräsidentin im EU-Parlament amtierende Sozialdemokratin in der medialen Vorbereitung des wegweisenden EU-Gipfels zur Verabschiedung des Corona-Billionen-Megarettungspakets keinen Zweifel gelassen. Nur wer sich an das hält, was die Große Koalition in Berlin und die EU-Kommission als "Grundwerte" allgemeingültig definiert hat, dürfe auf eine Auszahlung von EU-Geldern zum Wiederaufbau der von Corona zerstörten Wirtschaft hoffen.

Jene "Grundwerte", auf die sich mit steigender Frequenz berufen wird, bestehen in der Achtung der Menschenwürde, in Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören, sie sind jedoch vorsichtshalber nie so genau ausformuliert worden, dass nicht jeder Mitgliedsstaat für sich selbst bestimmen könnte, was genau darunter zu verstehen sei. Polen und Spanien etwa verbieten aus Grundrechtsgründen Abtreibungen, in Frankreich und Portugal haben die Parlamente vor geplanten Auslandskriegseinsätzen der Armeen nicht einmal ein Recht auf Information, in der Flüchtlingspolitik machen sowieso alle alles anders als alle anderen und bei der Besteuerung von Digitalkonzernen geht Frankreich einsam seinen Weg.

"Wer die Demokratie liebt, muss Kontrolle gutheißen", hat Barley die deutsche Strategie des geplanten Wiederaufbaus mit einem abgewandelten Lenin-Zitat umrissen. Dem Polen, dem Ungarn und weiteren Mitgliedsstaaten der Grundwertegemeinschaft ist nicht zu trauen. Deutsche Führung muss her, um den Kontinent aus der Krise zu führen.

Krise als Dauerzustand


Die er selbstverständlich wieder nicht selbst verschuldet hat. Auch wenn es simplen Gemütern erscheint als sei Krise der eigentlich Aggregatzustand der EU, die seit dem Vertrag von Lissabon kein Jahr erlebt hat, in dem sie nicht rettete und retten lassen musste, so hat doch Martin Schulz, der seinerzeit einmal fast Kanzler*in geworden wäre, die Verhältnisse hier kurz vor dem gescheiterten Rettungsgipfel gerade gerückt. "Die „Sparsamen Vier“ wollen uns weismachen, der wirtschaftliche Rückgang in einigen EU-Staaten sei die Folge unseriöser Politik", zürnte der gelernte Buchhändler bei Twitter. Das sei "Falsch! Sie sind das Ergebnis einer globalen Pandemie-Krise."

Wachtumsriesen der EU


Wachstumriesen wie Frankreich, zuletzt mit einem BIP-Plus von 1,3 Prozent, Deutschland (0,6) oder Italien (0,3) waren auf gutem Kurz, als seriöse Wohlstandslokomotiven vor dem europäischen Aufschwungzug herzudampfen. Auch die später durch die Seuche verursachte Jugendarbeitslosigkeit, die in den  Wachstumsstaaten des EU-Südens bei rund einem Drittel liegt, wäre dann gar kein  Problem gewesen. Dann aber kam Corona! Das Virus stoppte das explosionsartige Wirtschaftswachstum! "Und aus dieser Krise kommen wir nur mit Solidarität!", schreibt Schulz, als Analyst fast ebenso gut wie als sein eigener fröhlicher Pappaufsteller.  

Europa, das ist gelernte Wirklichkeitsverweigerung, erkauft mit immer abenteuerlicheren Summen und einem immer lauteren Pfeifen im Walde. Mittlerweile löst die Aufforderung, doch mal wieder über Europa zu schreiben - gemeint ist natürlich die EU - selbst bei einem professionellen Europäer wie dem ehemaligen britischen Maoisten Alan Posener Fluchtreflexe aus. Was soll man dazu noch sagen? Was bleibt darüber noch zu schreiben. Wo sind sie hin, die ganzen Träume?

Mangelnder Wille zur Unterordnung


Posener, ein origineller Denker immer noch, führt die permanente Krise der Gemeinschaft nicht wie Schulz auf Corona und nicht wie Barley auf den mangelnden Willen zur Unterordnung unter deutsche Vorgaben zurück. Sondern darauf, dass "Gerhard Schröder und Angela Merkel sie an den Rand des Ruins getrieben haben".  Deutschland nämlich sei Europas (gemeint ist die EU) größtes Problem: Merkel demütigte die Osteuropäer, sie bestrafte den Süden und sie paktiert mit Russland. "In der Brexit-Kampagne war oft vom "Vierten Reich" die Rede", fabuliert Posener, "die deutsche Empörung über die politisch unkorrekte Anspielung machte uns blind für die Tatsache, dass deutscher Egoismus den Aufstieg des Nationalpopulismus überall in Europa befördert hat."

Ein Abgesang auf alle Hoffnungen, es könne noch etwas werden aus den blumigen Mehropa-Plänen der professionellen Verteidiger von deutscher Führung und europäischem Gehorsam. Aus "scheitert der Euro, dann scheitert Europa" (Angela Merkel) ist fast auf den Tag genau zehn Jahre später "scheitert das Corona-Hilfsprogramm, dann scheitert Europa" geworden. Was bleibt, ist die irrationale Erwartung, das kommende Weniger an Europa (gemeint ist die EU) werde irgendwann morgen dann doch "mehr Europa bedeuten".

6 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Axel Schulz? Na gut, so falsch ist das auch nicht.

Hier mal exklusiv was aus den Hinterzimmern der Qualitätsbrutstätten.
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https://background.tagesspiegel.de/energie-klima/maas-wirft-usa-missachtung-der-eu-souveraenitaet-vor

Maas wirft USA Missachtung der EU-Souveränität vor

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ppq hat gesagt…

@ war absicht, wirklich. ich finde die beiden karrieren so ähnlich. nie was geworden, keinen titel gewonnen. aber mit der klappe vorneweg, als hätte man die tiefen teller persönlich erfunden

Anonym hat gesagt…

Ja, und rein intellektuell scheitern beide bereits am korrekten Wenden einer Tönnies-Bratwurst. Trotz Fackelmann Profi-Grill.

Anonym hat gesagt…

https://de.marketscreener.com/BASF-SE-6443227/news/Maas-wirft-USA-im-Pipeline-Streit-Angriff-auf-EU-Souveranitat-vor-30934591/

Ohne Demokratieobolus lesen. Hat die EU nicht Sanktionen gegen Russland laufen und beschwert sich nun über Sanktionen der USA, wenn die EU mit Russland Deals macht? Gute Show, man muss die Details gar nicht so kennen.

Anonym hat gesagt…

"Es ist eine Tragödie, was passiert ist. Keiner kann die Trauer von den Eltern ansatzweiße mitfühlen, aber wir können die Eltern wenigstens finanziell unterstützen", heißt es in der Konto-Beschreibung. -----

Schulligung wegen OT. Tag24 wars, was brauchts der Worte mehr. Und die wollen uns frähmen. Frank Leuchte sel.: "Liebling, weißt du noch? - Nein, bin gerade fertig."

Die Anmerkung hat gesagt…

Da ja Axel Schulz an allem Schuld ist, hier nochmal ein Beleg seines aktuellen Schaffens.

https://www.youtube.com/watch?v=vWQYTMLg0CY#t=3m

Das paßt zum Stammbaum Schulz.