Freitag, 17. Juli 2020

Das Geschlechterparadox: Parität als Tod der Gleichheit

Sie nennen es "Parität" und zielen damit auf den Kern des Rechtsstaates: Die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz.

Es war die zweite und die womöglich noch bitterere Niederlage des Fortschritts an diesem verregneten Klimasommerjulitag des Jahres 2020: Erst schmetterte das Europäische Gericht das Ansinnen der EU-Kommission an Irland ab, künftig möge direkt von Brüssel aus bestimmt werden können, welche Steuern in welcher Höhe welches Unternehmen in welchem Land zu zahlen habe. Und dann trat auch noch das Thüringer Verfassungsgericht in Weimar an die Öffentlichkeit, um zu erklären, dass es für Gleichberechtigung und Gleichstellung zwei Begriffe gibt, weil sie unterschiedliche Dinge bezeichnen.

Tarnname aus dem Lateinischen


Für engagierte, dem eigenen Empfinden nach woke Kämpfer im Sold der weniger erweckten Öffentlichkeit wie den nimmermüden Mahner und Warner Georg Restle sind genaue Unterscheidungen allerdings immer dann verzichtbar, wenn eine genaue Unterscheidung den eigenen Zielen zuwiderzulaufen droht. Dass das Thüringer Paritätsgesetz seinen aus vom lateinischen Wort paritas für "Gleichheit" entlehnten Namen bekam,  um den Unterschied zwischen Gleichberechtigung und Gleichstellung zu verwischen, ist Restle gar nicht aufgefallen. Der Mann, der sein gutes Werk über einen Sender wirkt, der chromosomenidentische Gleichsein bis in seine höchsten Organe vorlebt, ist da einmal mehr ganz bei der Taz:  "Entscheidend ist nicht der Wortlaut einer Verfassung, sondern ihre Interpretation", hatte die in ihrer Urteilsschelte festgestellt.

So traurig, so wütend alle, die gehofft hatten, es werde eines schon sehr nahen Tages möglich sein, mit öffentlichem Druck und der Hilfe populistischer Politdarsteller auszuhebeln, was die Verfassungen von Ländern und Bund unzweideutig regeln: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich", dabei sind "Männer und Frauen gleichberechtigt" und der "Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin." Gleichzeitig dürfe "niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden".

Gruppen, Grüppchen und identitäre Zellen


Gleiche Rechte darauf, gleiche Chancen zu haben, zugleich aber ein Verbot der Benachteiligung der einen, um die Nachteile anderer zu beseitigen. Jeder könnte das verstehen. Nicht jeder will es, gerade in den demokratischen Entwicklungsgebieten Dunkeldeutschlands, die mehr noch als weniger volatilen Altländer im Westen zwischen regressivem Faschismus und Versuchen schwanken, die Verfassungswirklichkeit durch Parlamentsbeschlüsse neu zu interpretieren. Meinungsmedien konstruieren Gruppen, Grüppchen und identitäre Zellen der Gesellschaft, die sich nicht mehr als Staatsbürger begreifen sollen, sondern als bevorrechtigte Benachteiligte. Man ist nicht mehr Bürger, sondern Frau, L, B, G, T, Q, I oder A, die Versaliengirlanden werden immer länger, die Gemeinsamkeiten müssen schrumpfen, um jenseits gleicher Rechte noch mehr gleichstellen zu können.

Es ist eine Weltsicht, die ganz auf die identitätstiftende Kraft setzt, die aus dem Glauben kommt, äußere oder im Inneren empfundene besondere Merkmale seien geeignet, einen Menschen  in etwas Besonderes zu verwandeln, der das natürlich Recht beanspruchen dürfe, sich von anderen, gleichermaßen Besonderen auch parlamentarisch vertreten lassen zu dürfen. Für Frauen braucht es so naturgemäß Frauen im Parlament, für Männer Männer, für Katholiken Katholiken, für Muslime Muslime, für Kleingärtner Kleingärtner, für SUV-Fahrer, Ex-Stasi-Leute und jeden einzelnen Großbuchstaben des Geschlechterregenbogens desgleichen.

Menschen wie Erbsen in Töpfchen


Eine Identitätsolympiade, die Menschen wie Erbsen in Töpfen sortiert und letztliche automatisch bei populistischen Zweifeln an den Grundlagen des Rechtsstaates landet: Wenn eine Mehrheit von Richtern urteilt, dass „die Abgeordneten des Thüringer Landtags das Wahlvolk grundsätzlich in dessen Gesamtheit, nicht als Einzelne repräsentieren", so dass der Zweck einer Wahl der Integration politischer Kräfte, nicht aber der "Integration von Frauen und Männern als Geschlechtergruppen“ diene, dann kann  das nur daran liegen, dass in der entscheidenden Kammer mehr Frauen als Männer
vertreten waren.

Es ist eine Klage, die sich stets wiederholt, wo die rohe Verfassungswirklichkeit auf den Wunsch trifft, eine Art neuer Mensch 2.0 könne entstehen, wenn es nur ausreichend Fördermittel, genügend strenge Sprachregelungen und knallharte Verbote für abweichende Vorstellungen zur Verfügung ständen, die Gesamtheit der Gleichberechtigten in Gruppen einzuteilen, denen dann jeweils aus bestimmten fremdverschuldeten Benachteiligungen herausgeholfen werden könne. Nur wer Wurzeln hat, und sei es, die Oma kam 1965 aus Anatolien, kann über migrantische Sachlagen schreiben. Nur wer Schwarz (nach Vorgaben der BWHF *immer groß) aussieht, ist berufen, über Rassismus zu reden. Nur der Angler weiß, wie der Fisch schmeckt. Nur der Koch darf schlechtes Essen bemängeln.

Chefsache Verfassungsbruch


Verfassungsbruch ist in Deutschland traditionell Chefsache.  Häufiger als jede andere Institution, sächsische Skinheadverschwörung oder ausländische Infiltrationskolonne haben gewählte Abgeordnete hierzulande versucht, verfassungswidrige Gesetze zu erlassen, verfassungswidrige Zustände zu dulden und als vermeintlich staatspolitisch gebotener Rücksichtnahme heraus rechtsstaatliche gebotenes Handeln zu unterlassen. Immer ist das gut gemeint und fast nie muss ein Beteiligter fürchten, der Verfassungsschutz hebe den Blick, um eine Systematik hinter den vielfältigen Versuche der Unterminierung der Grundlagen des Rechtsstaates zu entdecken.




6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich bin dafür, dass Restle seinen Posten endlich einer Frau zur Verfügung stellt. Kann ja sein, dass er es wirklich gut meint, aber alles, was er tut, ist doch von Testosteron vergiftet.

ppq hat gesagt…

dadurch, dass er seinen namen als "restle" (zu lesen wie das restlein) verniedlicht, ist das feminine moment betont. er ist der bestle auf dem posten, das könnte ein frau gar nicht, so schamlos verfassungsbruch propagieren

Die Anmerkung hat gesagt…

>> Verfassungsbruch ist in Deutschland traditionell Chefsache.

Kuckst du hier.

Richter vom Bundesverfassungsgericht enttarnen kriminelle Vereinigung von Verfassungsfeinden.

Anonym hat gesagt…

Ob da das letzte Wort schon geprochen ist? Was nicht ist, kann noch werden.

suedwestfunk hat gesagt…

"Restle" ist ein Name von geradezu mystischer Dimension für das Schicksal der Demokratie und des grundgesetzlichen Auftrags, der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten anvertraut wurde. Die Verwerter dessen, was übrig bleibt - wenn etwas übrig bleibt - haben sich in eine perfekte Position gebracht: Das Bündnis mit den Nutznießern eines wirtschaftlich, politisch und moralisch vollkommen gescheiterten Staates, dessen Rest(l)e wunderbarerweise dieselbe Weltverbesserungspropaganda finanzieren, wie zu Zeiten von Erich & Erich. Rechtfertigung bediente sich damals wie heute vergleichbarer Argumente, weshalb das Aufstellen neuer Marx- und Lenin-Statuen mindestens ebenso boomen wird wie der Sturz feudaler und bürgerlicher Denkmäler und das Anzünden von Automobilen. Wem das jetzt zu kompliziert ist: Bezahlen werden den nächsten Kladderadatsch dieselben Leute wie die vorhergehenden. Sie delegieren halt noch das das letzte Restle von Verantwortung an Politbürokraten und lassen sich von den Medien darin bestätigen. Hauptsache: Nicht unangenehm auffallen. Kopf einziehen, mitlaufen. Was andere können, kannst du auch! Wenn du deine Rolle nicht spielst, macht's halt ein anderer. Jeder ist ersetzbar. Außer der Kanzlerin. Ich erhebe mein Glas - viele Gläser, weil das gegen den Ekel hilft - auf das Wohl einer 66jährigen, die kein persönliches Opfer scheut, unsterblich zu werden.

ppq hat gesagt…

sehr schön erklärt. ich denke, die grundsystematik vesteht tatsächlich darin, dass quasi organisch ein system der fortlaufenden selbstbestätigung gewachsen ist. politiker und/oder gesellschaftliche gruppen aka aktivisten sagen, medien zitieren, politiker/aktivisten lesen usw.

da kommt keine luft mehr dran