Samstag, 20. Juni 2020

Fürchterliche Tugenden: Die Gewissenhaften als Gefahr


Das größte Problem der Bundesregierung und die größte Angst der Behörden war zu Beginn der Corona-Pandemie nicht die vor zehntausenden Seuchentoten, sondern die vor demZusammenbruch der öffentlichen Ordnung. Panik, Hysterie und Anarchie auf den Straßen, Menschen, die aus Angst vor dem Virus nicht mehr zur Arbeit erscheinen und Kämpfe um Vorräte, die nicht mehr erneuert werden, weil die Lieferketten zum Stillstand kommen - mit großem Aufwand und letztlich mit Erfolg
gelang es, die Epidemie lange genug als Erfindung von Panikmachern zu  und "Hamsterer" als Volksschädlinge anzuprangern, dass die völlig unvorbereiteten Staatsorgane zumindest eine Sprachregelung zum Umgang mit dem Unerwarteten finden konnten.

Wer aber waren die Menschen, die das Klopapier knapp werden ließen– nicht nur in Deutschland? Wer hielt sich zur Unzeit an die jahrelangen Aufforderungen des Bundesamtes für Katastrophenschutz und bervorratete sich mit Getränken, Nahrungsmitteln und anderen Vorräten? Ein deutsch-schweizerisches Forscherteam hat untersucht, wie das Kaufverhalten in der Krise mit der individuellen Angst vor dem Virus und bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen zusammenhängt. Online wurden Freiwillige befragt, die Auswertung des Panels bestätigte die Vermutung: Es gibt eine enge Beziehung zwischen der Furcht eines Menschen vor Ansteckung und der Anzahl von ihm auf Vorrat gekaufter Klopapierrollen.

Ein Zusammenhang, der nicht von ungefähr kommt, wie die Wissenschaftler im Fachblatt „PLoS ONE“ beschreiben. Vor allem Menschen, die sich selbst eine stark ausgeprägte Gewissenhaftigkeit attestieren und sich zudem als ordnungsliebend beschreiben, stellten sich als besonders anfällig für die nach einem Begriff aus der Nachkriegszeit "Hamsterkäufe" genannte Krisenbevorratung heraus.  Der Studie zufolge sind es diese Sekundärtugenden, die die Betroffenen selbst gegen klare Signale der Kanzlerin immunisierten, die im März mit ihrer welthistorisch einmaligen Supermarktfahrt klar signalisiert hatte,  dass eine Rolle Toilettenpapier reicht.

Ein offenkundig irrationales Verhalten, das sich nur erklären lässt, wenn Ordnungsliebe und Gewissenhaftigkeit auf ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber den Bekundungen der gewählten Volksvertreter treffen und dadurch missgeleitet werden. Obgleich die Bundesregierung bereits Mitte März deutlich gemacht hatte, dass die Krise bewältigt werden werde, sei das beim anfälligen Vorsorgetyp skeptisch aufgenommen worden. Klare Informationen an die Bevölkerung wie "wir sind gut vorbereitet", "das Virus ist nicht über den Atem übertragbar" und "ein Mundschutz ist nicht notwendig" seien zwar von Anfang an gehalten gewesen, Ängste zu verringern und Hamsterkäufen entgegenzuwirken. Der krankhaft misstrauische Vorsorgetyp habe sie jedoch offenbar oftmals nicht geglaubt.

„Die subjektiv empfundene Bedrohung durch Covid-19 scheint ein wichtiger Auslöser für das Horten von Klopapier zu sein“, staunen die Forscher um Theo Toppe vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Noch sei man weit davon entfernt, dieses Phänomen umfassend zu verstehen, das nach den Studienergebnissen eine Gefährdungslage durch Gewissenhaftigkeit klar belegt. Unter den etwa tausend Menschen aus 22 Ländern in Europa und Nordamerika, überwiegend Frauen, zeigte sich ein klares Muster: Der gelagerte Bestand an Klopapier betrug in der Krise bei den Europäern meist 4 bis 14 und bei den Amerikanern 6 bis 18 Rollen. Je stärker die gefühlte Bedrohung, desto größer war der Vorrat an Klopapier.

Die Furcht vor einer Infektion stieg mit dem Alter, war bei Frauen größer als bei Männern und bei den Amerikanern größer als bei den Europäern. Menschen mit stark ausgeprägter Gewissenhaftigkeit – gekennzeichnet durch Ordnungsliebe, Besonnenheit und Selbstdisziplin – lagerten in der Wohnung mehr Toilettenpapierrollen als andere. Die Ergebnisse waren vollkommen unabhängig von der Größe des Haushalts, der politischen Einstellung und den Einschränkungen der Bewegungsfreiheit infolge der Pandemie.

Weitere Einflussfaktoren könnten eine grundsätzliche optimistische oder pessimistische Grundeinstellung, ein ausgeprägter Perfektionismus und der Hang zum sozialen Herdenverhalten sein – sowie das Vertrauen in Informationen und angeordnete Maßnahmen der Behörden. Ist hier ein grundsätzliches Einverständnis vorhanden, steigt die Bereitschaft, auf zusätzliche private Vorsorgebemühungen für den Ernstfall zu verzichten und sich ganz der staatlichen Zusicherung hinzugeben, dass alles gut gehen werde.

3 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

War diese Einkaufstour nicht deswegen, um den dringend nötigen Nachschub an Rosenthaler Kadarka einzusacken?

Anonym hat gesagt…

Am Anfang hieß es, dass das Coronavirus u.a.extreme Diarrhoe verursachen KANN. Dieser Umstand und die schreckliche Tatsache, dass dann der Toilettenpapierbestand dem nicht entsprechen könnte, hat auch mich veranlasst, eine Rolle mehr zu kaufen. Der Run war ja durch diese Info vorhersehbar.

Anonym hat gesagt…

Rosenthaler Kadarka ---

Wer so etwas säuft, der wählt auch Die Linke. Pfui Geier.
Nachgezuckerte Balkanplörre. Sodbrand- und Dicke-Omme-Garantie.