Der "Spiegel" zeigt klare Kante, wenn es um die Meinungsfreiheit geht: Nachdem der Meinungschef der New York Times gehen musste, weil er einen Gastbeitrag im Trump-Duktus veröffentlicht hat, schlägt sich das frühere Nachrichtenmagazin aus Hamburg entschieden auf die Seite derer, die überholte Ideale von neutralem Journalismus ablehnen und eine Rückkehr zum parteilichen Journalismus fordern, wie ihn "Junge Welt", "Neues Deutschland" und "Trommel" in Deutschland einst groß und erfolgreich machten.
PPQ-Kolummnistin Svenja Prantl erinnert aus gegebenem Anlass an diesen, heute leider weitgehend vergessenen Parteijournalismus - und daran, wie unglaublich gut er beim Leser+Innen ankam. Warum nicht dahin zurück, fragt sie, warum nicht wieder Millionen Zeitungen verkaufen statt ein paar hunderttausend? Warum nicht Menschen erziehen, statt sie zu informieren? Warum ihnen die Mühe der Meinungsbildung aufbürden, wenn man sie mit fertigen Meinungen versorgen kann?
Natürlich ist es ein Kampf des Guten gegen das Böse, ein Kampf, der keine Neutralität kennt., Auf der einen Seite stehen die milliardenschweren Manager, die Spekulanten, Rassisten, Millionäre, die Rechtspopulisten, Corona-Leugner und ihr willfährigen Handlanger, die das Klima leugnen, Trump rühmen und in der selbstverschuldeten Unmündigkeit einer Existenz verharren, die beschränkt ist das eigene Leben, die eigene Zeit und das eigene Land. Auf der anderen sind da die Menschen, die sich für mehr engagieren: genderqueere Paare, SPD-Mitglieder, Grüne, die Jugendlichen von Fridays for Future, die hübschen Antirassismus-Mädchen von Blacklivesmatter mit ihren knappen Shorts. Wer würde da freiwillig auf der falschen Seite stehen?
"Der "Spiegel" jedenfalls nicht. Mahnend fast verwehrt sich das Magazin gegen Vorwürfe, es schränke die Meinungsfreiheit ein, wenn Männer wie James Bennet ihre Jobs verlieren, wenn sie das Maß der Möglichkeit, Meinungen zu verteidigen, nach früheren Tabellen auslegen. Richtig dagegen, schreibt Spiegel-Autor Philipp Oehmke, sei das Gegenteil: Je mehr Meinungsfreiheit, selbst im Bereich diesseits der Strafbarkeit, desto unüberschaubarer die Meinungsvielfalt. Unbeschränkte Meinungsvielfalt aber verunsichert Menschen, denn viele Nachrichtenkonsumenten fühlen sich permanent aufgefordert, sich aus der widersprüchlichen Datenlage selbst eine Meinung zu bilden. Hier ist moderne Presse gefordert, hilfreich zur Seite zu springen: Medien heute müssen klar vorgefilterte und fertig abgepackte Meinungen liefern statt individuell zu wertender Nachrichten, ihr Geschäft sind komplette Ideologie-Fertighäuser statt einzelner Balken, Nägel und Planken.
Ein Ideal, dem der "Spiegel" seit Jahren nachjagt, ohne dass das Blatt jemals auch nur in die Nähe der legendären Überzeugungskraft früherer deutscher Partei- und Staatsorgane wie "Junge Welt", "Neues Deutschland" oder "Tribüne" kam. Zu halbseiden scheinen die Bemühungen der Redaktion, aus wenigen Fakten viel Überzeugung zu destillieren, zu fragwürdig sind immer wieder auftauchende Rückfälle in in einen Journalismus, der fragt, ohne vorher schon alle Antworten zu wissen. Wohin das führt, zeigt die Auflagenentwicklung beim "Spiegel": In den letzten 25 Jahren hat das Blatt ein Drittel seiner Auflage verloren, weil es viel zu vielen Leser+Innen und Lesenden viel zu mühsam ist, aus den zahllosen und ohne Pause präsentierten Fremdansichten für sich selbst eine richtige Überzeugung herauszufiltern.
Dabei zeigt das Beispiel von "Neuem Deutschland" und "Junge Welt", aber auch des früher erscheinenden "Völkischen Beobachters", wie groß die Sehnsucht der Deutschen schon immer war, statt unnötigem Faktenwissen direkt ein Destillat verabreicht zu bekommen, in dem die besten Denker und klügsten Kenner der jeweils geltenden Tagesmoral direkt mitteilen, was wovon zu halten ist, ohne durch die umständliche Erörterung des Warum und Wieso zeitraubende eigene Überlegungen anzustoßen. Rund eine Millionen Exemplare verkaufte allein das "Neue Deutschland", als es sich noch offen als Organ des Zentralkomitees der SED bekannte, die "Junge Welt" schaffte als Sprachrohr der Chefetage des Jugendverbandes FDJ sogar 1,6 Millionen. Der "Völkische Beobachter" übertraf das noch und verkaufte 1,7 Millionen Exemplare.
Das Erfolgsgeheimnis war in beiden Fällen eine klare Sprache, die klare Positionen ausdrückte, dabei aber auf jede Form von Regierungskritik verzichtete, weil die die Menschen draußen im Lande stets nur verunsichert. In dieser Beziehung ist der "Spiegel" ebenso wie die Mehrzahl der anderen deutschen Zeitungen und Zeitschriften zwar bereits weitgehend auf Augenhöhe, doch so lange das klare Bekenntnis dazu fehlt, eben nicht verunsichernden Sowohl-alsauch-Journalismus betreiben zu wollen, sondern in den Stürmen der Zeit jederzeit glasklare Position zu beziehen, werden Gelesenhabende und Dasmagazingekaufthabende das nicht honorieren, indem sie wieder zu Lesenden und Dasmagazinkaufenden werden.
Hier braucht auch der "Spiegel" eine Grundsatzentscheidung statt selbstzerstörerischer Diskussionen, wie Philipp Oehmke und sein offenbar verwirrter Widersacher Florian Gathmann sie derzeit öffentlich und auf Kosten von Klarheit und Wahrheit führen. Wer ohne die ideologischen Scheuklappen des bürgerlichen Journalismus und dessen Fetisch einer klassenmäßigen "Neutralität" in die Geschichte schaut, kann nicht ignorieren, dass der Einbruch der Auflagen ringsum als Ausdruck zunehmenden Vertrauensverlustes diagnostiziert werden muss.
"Tagesschau", "heute", "Tagesthemen" und die öffentlich-rechtlichen Talkshow zeigen dagegen, dass ein eindeutiger Sendeauftrag, ein von innerer Überzeugung getragener Schulterschluss mit der Regierung und das erkennbare Bemühen, Verwirrung durch immer wieder auftretende uneindeutige Faktenlagen nicht zuzulassen, Erfolg bei den Zuschauenden haben: Die Einschaltquoten haben sich hier seit 1990 kaum verändert, weil die Menschen draußen im Lande wissen, dass ihnen hier geboten wird, was sie erwarten: Orientierung in dunkler Zeit, Information über aktuelle Sprachregelungen und die Information darüber, welche Diskussionsschwerpunkte die Große Koalition im Moment gerade zu simulieren wünscht.
Auch private Medienhäuser im gemischten Eigentum von traditionsreichen Großverlagen, Kleinaktionären und verwöhnten Millionenerben haben die Chance, sich in den Herausforderungen der digitalisierten Märkte auf diese im Wortsinne digitale Weise zu positionieren. Schwarz oder Weiß, Null oder Eins und nichts dazwischen, das muss der Weg sein, der aus der Krise führt. Schluss mit Herumreden, nach einem Mittelweg suchen und dem Bemühen, die Wahrheit relativieren.Her mit einem Journalismus, der den Namen Parteijournalismus wieder verdient, weil er nicht herumdruckst und sich für etwas anderes ausgibt, als er ist.
Das werden auch Gernlesenwollende prämieren, die bei einem entsprechend lukrativen Angebot mit fertig geschnürten Paketen aus richtigen Ansichten, Einsichten und ausgelassenen Ablenkungsanlässen zweifellos in großer Zahl wieder zu Lesenden werden werden.
Svenja Prantl meint, auch Medien sollen geschminkt berichten. |
Natürlich ist es ein Kampf des Guten gegen das Böse, ein Kampf, der keine Neutralität kennt., Auf der einen Seite stehen die milliardenschweren Manager, die Spekulanten, Rassisten, Millionäre, die Rechtspopulisten, Corona-Leugner und ihr willfährigen Handlanger, die das Klima leugnen, Trump rühmen und in der selbstverschuldeten Unmündigkeit einer Existenz verharren, die beschränkt ist das eigene Leben, die eigene Zeit und das eigene Land. Auf der anderen sind da die Menschen, die sich für mehr engagieren: genderqueere Paare, SPD-Mitglieder, Grüne, die Jugendlichen von Fridays for Future, die hübschen Antirassismus-Mädchen von Blacklivesmatter mit ihren knappen Shorts. Wer würde da freiwillig auf der falschen Seite stehen?
"Der "Spiegel" jedenfalls nicht. Mahnend fast verwehrt sich das Magazin gegen Vorwürfe, es schränke die Meinungsfreiheit ein, wenn Männer wie James Bennet ihre Jobs verlieren, wenn sie das Maß der Möglichkeit, Meinungen zu verteidigen, nach früheren Tabellen auslegen. Richtig dagegen, schreibt Spiegel-Autor Philipp Oehmke, sei das Gegenteil: Je mehr Meinungsfreiheit, selbst im Bereich diesseits der Strafbarkeit, desto unüberschaubarer die Meinungsvielfalt. Unbeschränkte Meinungsvielfalt aber verunsichert Menschen, denn viele Nachrichtenkonsumenten fühlen sich permanent aufgefordert, sich aus der widersprüchlichen Datenlage selbst eine Meinung zu bilden. Hier ist moderne Presse gefordert, hilfreich zur Seite zu springen: Medien heute müssen klar vorgefilterte und fertig abgepackte Meinungen liefern statt individuell zu wertender Nachrichten, ihr Geschäft sind komplette Ideologie-Fertighäuser statt einzelner Balken, Nägel und Planken.
Ein Ideal, dem der "Spiegel" seit Jahren nachjagt, ohne dass das Blatt jemals auch nur in die Nähe der legendären Überzeugungskraft früherer deutscher Partei- und Staatsorgane wie "Junge Welt", "Neues Deutschland" oder "Tribüne" kam. Zu halbseiden scheinen die Bemühungen der Redaktion, aus wenigen Fakten viel Überzeugung zu destillieren, zu fragwürdig sind immer wieder auftauchende Rückfälle in in einen Journalismus, der fragt, ohne vorher schon alle Antworten zu wissen. Wohin das führt, zeigt die Auflagenentwicklung beim "Spiegel": In den letzten 25 Jahren hat das Blatt ein Drittel seiner Auflage verloren, weil es viel zu vielen Leser+Innen und Lesenden viel zu mühsam ist, aus den zahllosen und ohne Pause präsentierten Fremdansichten für sich selbst eine richtige Überzeugung herauszufiltern.
Dabei zeigt das Beispiel von "Neuem Deutschland" und "Junge Welt", aber auch des früher erscheinenden "Völkischen Beobachters", wie groß die Sehnsucht der Deutschen schon immer war, statt unnötigem Faktenwissen direkt ein Destillat verabreicht zu bekommen, in dem die besten Denker und klügsten Kenner der jeweils geltenden Tagesmoral direkt mitteilen, was wovon zu halten ist, ohne durch die umständliche Erörterung des Warum und Wieso zeitraubende eigene Überlegungen anzustoßen. Rund eine Millionen Exemplare verkaufte allein das "Neue Deutschland", als es sich noch offen als Organ des Zentralkomitees der SED bekannte, die "Junge Welt" schaffte als Sprachrohr der Chefetage des Jugendverbandes FDJ sogar 1,6 Millionen. Der "Völkische Beobachter" übertraf das noch und verkaufte 1,7 Millionen Exemplare.
Das Erfolgsgeheimnis war in beiden Fällen eine klare Sprache, die klare Positionen ausdrückte, dabei aber auf jede Form von Regierungskritik verzichtete, weil die die Menschen draußen im Lande stets nur verunsichert. In dieser Beziehung ist der "Spiegel" ebenso wie die Mehrzahl der anderen deutschen Zeitungen und Zeitschriften zwar bereits weitgehend auf Augenhöhe, doch so lange das klare Bekenntnis dazu fehlt, eben nicht verunsichernden Sowohl-alsauch-Journalismus betreiben zu wollen, sondern in den Stürmen der Zeit jederzeit glasklare Position zu beziehen, werden Gelesenhabende und Dasmagazingekaufthabende das nicht honorieren, indem sie wieder zu Lesenden und Dasmagazinkaufenden werden.
Hier braucht auch der "Spiegel" eine Grundsatzentscheidung statt selbstzerstörerischer Diskussionen, wie Philipp Oehmke und sein offenbar verwirrter Widersacher Florian Gathmann sie derzeit öffentlich und auf Kosten von Klarheit und Wahrheit führen. Wer ohne die ideologischen Scheuklappen des bürgerlichen Journalismus und dessen Fetisch einer klassenmäßigen "Neutralität" in die Geschichte schaut, kann nicht ignorieren, dass der Einbruch der Auflagen ringsum als Ausdruck zunehmenden Vertrauensverlustes diagnostiziert werden muss.
"Tagesschau", "heute", "Tagesthemen" und die öffentlich-rechtlichen Talkshow zeigen dagegen, dass ein eindeutiger Sendeauftrag, ein von innerer Überzeugung getragener Schulterschluss mit der Regierung und das erkennbare Bemühen, Verwirrung durch immer wieder auftretende uneindeutige Faktenlagen nicht zuzulassen, Erfolg bei den Zuschauenden haben: Die Einschaltquoten haben sich hier seit 1990 kaum verändert, weil die Menschen draußen im Lande wissen, dass ihnen hier geboten wird, was sie erwarten: Orientierung in dunkler Zeit, Information über aktuelle Sprachregelungen und die Information darüber, welche Diskussionsschwerpunkte die Große Koalition im Moment gerade zu simulieren wünscht.
Auch private Medienhäuser im gemischten Eigentum von traditionsreichen Großverlagen, Kleinaktionären und verwöhnten Millionenerben haben die Chance, sich in den Herausforderungen der digitalisierten Märkte auf diese im Wortsinne digitale Weise zu positionieren. Schwarz oder Weiß, Null oder Eins und nichts dazwischen, das muss der Weg sein, der aus der Krise führt. Schluss mit Herumreden, nach einem Mittelweg suchen und dem Bemühen, die Wahrheit relativieren.Her mit einem Journalismus, der den Namen Parteijournalismus wieder verdient, weil er nicht herumdruckst und sich für etwas anderes ausgibt, als er ist.
Das werden auch Gernlesenwollende prämieren, die bei einem entsprechend lukrativen Angebot mit fertig geschnürten Paketen aus richtigen Ansichten, Einsichten und ausgelassenen Ablenkungsanlässen zweifellos in großer Zahl wieder zu Lesenden werden werden.
4 Kommentare:
Der Atlantiker und Genosse Oehmke hat bloß in Artikelform gebracht, was bei Der Spiegel seit Jahren Praxis ist. Warum er es so deutlich herausposaunt hat, kann man nur spekulieren. Entweder Dummheit oder um anderen Genossen Gelegenheit zu geben, durch Widerspruch Pluralität zu simulieren. Egal, Der Spiegel wird davon nicht besser.
Eine interessante Tatsache:
Die Junge Welt erfreute sich seinerzeit vor allem Freitags, wegen des an diesem Tag enthaltenen Kreuzworträtsels einer grossen Nachfrage. Diese Kreuzworträtsel war dann meistens auch das einzige in der Jungen Welt, was ideologiefrei daher kam.
Das ist doch gar nicht Svenja Prantl! Und die Geschichte, wie ein Bernd sie anbaggert, geht auch nicht weiter. Was ist denn bloß los?
Es ist schon ein interessantes Experiment das unsere Journos derzeit durchziehen. Kann eine Firma wirtschaftlich überleben, wenn ich ca. 85 % meiner möglichen Kundschaft ständig ans Bein pisse und sie auf jede nur erdenkliche Weise beleidige?
Mich überrascht vor allem das der Absturz unserer Qualitätspresse nicht schneller geht. Nach dem was die sich jeden Tag erlauben, müssten die Abos doch schneller schmelzen als Schnee in der Sonne. Der deutsche Michel hat aber wohl Hemmungen das in dritter Generation vererbte Spiegel-Abo endgültig zu kündigen. Das würde da der Nachbar denken, wenn der Relotiusbote nicht mehr jede Woche deutlich sichtbar im Briefkasten stecken würde?
Da könnte man sich ja gleich als AfD-Wähler outen.
Leider werden wir das Ende des Experiments nicht mehr erleben. Wie man hört macht sich unser fürsorglicher Staat schon bereit in die Bresche zu springen, welche die verantwortungslosen Leseverweigerer reißen. Es muss nur noch geklärt werden, wie man die Förder-Gießkanne über all den gebeutelten aber staatstragenden Systemmedien ausschütten kann, ohne das man der Handvoll rechten Spalterblätter auch was geben muss. Lassen wir uns überraschen, welche kreative aber absolut gesetzeskonforme Lösung man hier finden wird.
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