Die Schere zwischen Arm und Reich, sie klafft medial immer weiter auseinander. Auch Corona konnte daran nichts ändern. |
Weltweit fluten Staaten ihre Märkte mit Geld, um die Bevölkerung nach dem Lockdown bei Laune zu halten. Dänemark schenkt jedem Bürger 1200 Euro, die USA haben Helikoptergeld von 600 Dollar pro Woche über Arbeitslosen abgeworfen, Deutschland kündigte 300 Extra-Euro Kindergeld für alle an, die sich Corona nicht leisten können und die EU-Länder des von der Krise wie immer am härtesten betroffenen Südens erhoffen sich aus dem großen digitalgrünen Wiederaufbauprogramm von EU-Chefin Ursula von der Leyen einen warmen Regen an Zuschüssen.
Dadurch werden besonders die Armen überall zu Krisengewinnern. Während Aktionäre seit März Milliarden verloren und viele Selbständige immer noch ohne Aufträge und Einkommen dastehen, sind etwa in Deutschland Hartz-4-Empfänger problemlos durch die Zeit der Einschränkungen gekommen. Die Stütze floss weiter, die Miete wurde bezahlt - die vom Soziologe Ulrich Beck beschriebene „Risikogesellschaft“ stellte sich als Einbahnstraße heraus: Auf der einen Seite der Seite der Schere zwischen Arm und Reich war das Risiko, Einkommen, Ersparnisse und Lebensqualität zu verlieren, gleich Null. Auf der anderen Seite hingegen bedeutete das wochenlange Verbot für unternehmerisches Handeln ohne Ausweichmöglichkeit eine Vollbelastung mit allen Katastrophenfolgen.
Arme Krisengewinner
Ein Zustand, den eigentlich gerade die Solidargemeinschaft ausschließen soll. Eine Risikogesellschaft will die permanente Ungewissheit angesichts einer unbekannten Zukunft minimieren, indem sie die Unsicherheit durch Verteilung in kalkulierbare Risiken verwandelt. Im Fall von Corona aber gelang das nicht. Zwar waren es vor allem Zweifler an naturwissenschaftlichen Fakten, die vom Virus überdurchschnittlich häufig befallen wurden. Doch in der Auslaufrille der akuten Pandemiephase zeigt sich jetzt, dass auch die wirtschaftlich Aktive, die investierenden und unternehmerisch Bereitwilligen viel härter getroffen wurden als Beamte, Staatsangestellte und Empfänger staatlich garantierter Leistungen wie Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Pension oder Rente.
Selbst eine breitangelegte Medienkampagne, die für die ärmsten der Armen als Hauptopfergruppe von Corona wirbt, vermag nicht zu erklären, wie die krisenbedingten Wohlstandsverluste in den höheren Einkommens- und Vermögensschichten bei gleichbleibender Einkommenssituation in den unteren Bereichen zu einem weiteren Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich führen konnte. Allein an den Weltbörsen hatten Gutsituierte, Wohlhabende und Reiche zwischen März und April nahezu 20 Billionen Euro Verlust gemacht - das entspricht immerhin einer Größenordnung von 13 EU-Wiederaufbauprogrammen. Dennoch ist das Bemühen erkennbar, eine Erzählung zu etablieren, wonach Covid-19 "Menschen, die ohnehin benachteiligt sind" (Tagesspiegel) noch weiter in Armut und "Abgehängtheit" (Neues Deutschland) getrieben habe.
Reiche Profiteure
Nur wenige Tatsachen der Lebenswirklichkeit sind allerdings so genau zu kalkulieren wie die von staatlichen Rettungs- und Stützungsprogrammen ausgelösen Phänome, die Populisten und Lobbyisten so gern wegdeuten würden. Wie vor zehn Jahren im Zuge der Finanzkrise teils sich die Risikogesellschaft in zwei Gruppen: Die eine trägt gesellschaftliche Risiken, indem sie sie in Form von Job-, Sicherheits- oder Vermögensverlusten hinzunehmen hat, wenn es zu Krisensituationen kommt, sie wird aber jeweils in der Folge für diese Risikoübernahme belohnt, indem - zumindest bisher - die folgende Erholung die Verluste mehr als ausgleicht.
Die andere Gruppe hingegen ist im Krisenfall kaum betroffen, weil sie direkt von staatlichen Alimenten ausgehalten wird. Sie teilt sich jedoch noch einmal ins sich in reine Leistungsempfänger, die von der nachfolgenden Erholung nach einem Einbruch nicht profitieren. Und den Angestellten des Staates, der Länder und Gemeinden, die das Beste beider Welten mitnehmen: Die risikolose Sicherheit, die nur der Staat geben kann, Aber auch den Wohlstand, den sich Selbständige, Unternehmer und Leistungserbringer in der freien Wirtschaft nur durch Risikobereitschaft erkaufen können.
Lokale Katastrophen werden so zu Momenten, in denen die Schere zwischen Arm und Reich ein Stück zusammenschnappt. In denen aber auch schon die Ankündigung des nächsten Auseinanderklaffens zu hören ist:Die gewaltigen staatlichen Hilfsprogramme, die größten, die jemals irgendwo ausgerufen wurden, verlagern die Kosten der Katastrophe ein weiteres Mal nur scheinbar auf alle. Doch wer keine Steuern zahlt, trägt sie nicht mit, wer keine Einkommenseinbußen hatte, profitiert, ohne einen Schaden gehabt zu haben. Und wer Aktien besitzt, sitzt am längeren Hebel: All das neue Geld, das die Geldfabriken der EU ausspucken wie ein Schnellfeuergewehr Geschosse, muss schließlich irgendwohin.
Aus der Geldfabrik aufs Konto
Über einige Stationen wird es wie schon nach der Finanzkrise in den Vermögen landen, in Aktienpreisen und in Immobilienwerten vor allem. Eine Inflation, die der kleine Mann nicht mitbekommt, außer, er denkt darüber nach, weshalb sich sein Großvater seinerzeit noch ein Häuschen bauen konnte, obwohl er nur Hilfsarbeiter war und seine Frau daheim auf die Kinder aufpasste, er selbst aber heute selbst zusammen mit seiner Herzensdame Mühe hat, sich das Gleiche zu leisten.
Der Versuch, die wirtschaftlichen Schäden der Pandemie in einer Geldflut zu ertränken, wie es Thomas Mayer in der "Welt" nennt, führt zu einer weiteren Runde der Überwälzung der Kosten der Katastrophe von den Nicht-Besitzenden zu den Besitzenden.
Denn "das zur Vermeidung von Einkommensausfällen im Lockdown und Wiederbelebung der Wirtschaft geschaffene Geld hilft zwar der Wirtschaft, treibt aber weit stärker die Vermögenspreise", schreibt Mayer das Paradoxon auf die Spitze: Wie nach der Finanzkrise, die vor allem die Menschen traf, die Vermögen hatten, weil sie Teile davon vernichtete, denselben aber im Nachhinein große Vermögenszuwächse bescherte, sind auch bei der Seuche die Vermögenden die zweifach Hauptbetroffenen: Sie hatten die Verluste, sie zahlen für die Rettung und sie werden von dieser Rettung am stärksten profitieren.
3 Kommentare:
Ich empfehle Ihren Blog wo ich kann. Es ist so erfreulich, daß Sie ihn so führen.
Man kann sich ja mal durch die Welt zappen, wo die Schere am schlimmsten wütet.
https://trends.google.de/trends/explore?q=Schere%20zwischen%20Arm%20und%20Reich
@FDominicus: vielen dank dafür!
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