Die Corona-Krise im Rückblick: Immun gegen die Versuchung, Zweifel zu haben. |
Spannung im Fuß ist wichtig, die Socke schnell noch hinter den Fotografen geworfen. Gesicht aufgesetzt. Und nun Nudeln, Klopapier, Desinfizierer und den Corona-Kühler in die Kamera gehalten. Nach dem Ende der großen Corona-Krise hat der gesellschaftliche Normalbetrieb endlich wieder begonnen. Parteienstreit um des Kaisers Bart, Medienhetze gegen die üblichen Verdächtigen, ein Schwapp Klima und darüber ein Zuckerguß aus viel, viel Fußball - wer Deutschland kennt und das Leben in der EU liebt, hat seine Heimat zurück.
100 Tage Untergang
Der Untergang der Welt hat alles in allem nur 100 Tage gedauert, eingeteilt in die üblichen drei Phasen, die Historiker bereits in den beiden Weltkriegen, aber auch in der Ära des Zusammenbruchs der DDR beobachten konnten. Anfangs ist da immer Leugnung, es wird nicht so schlimm kommen, wie es, jeder ahnt das, wohl kommen wird. Angefangen bei den Spitzen der Politik, die aus naheliegenden Gründen nun fast täglich und oft mehrfach im Fernsehen auftauchen und ein gelassenes Gesicht vorzeigen, wird in aller Gemütsruhe und mit großer Entschlossenheit dementiert, dass es irgendeine größere Herausforderung geben könnte.
Ruhe ist in dieser ersten Phase der Entwicklung erste Bürgerpflicht. Wer auf die große dunkle Wand verweist, die sich nähert, und nach Regenschirmen für alle ruft, ist ebenso verdächtig wie der Typ des Bevorraters, der sich denkt, dass es besser ist, man hat als man hätte. Wölfe am Gemeinwesen, deren Tun das Vorhaben unterminiert, das kommende Übel abzureiten, ohne den Teufel jemals beim Namen zu nennen.
In Corona-Deutschland endete diese Phase irgendwann in der Nacht zum 11. März, als die "Endzeitbilder" (Spiegel) aus italienischen Krankenhäusern im Bundeskanzleramt ankamen. Angela Merkel, die den Herbst 1989 und den Zusammenbruch des DDR-Systems unter der Wucht der Fernsehbilder aus dem Westen miterlebt hat, weiß um die Hebelkraft solcher emblematischer Eindrücke. Ein Volk kann wahnsinnig werden, wenn es in Angst versetzt wird. Wie eine Büffelherde, die aus Furcht vor einem Knall besinnungslos in einer Richtung rennt, ohne zu wissen, ob der Schütze nicht genau dort wartet, stürmt dann alles zum Toilettenpapierregal, zu den Dosensuppen und den Mehlsäcken.
Hässliche Medizin
In Phase zwei ging die Kanzlerin in die Bütt, die bis dahin kaum aufgetaucht war. Als Libero einer Regierungsmannschaft, deren Versagen mit Händen zu greifen, aber in sich solidarisch übenden Medien nicht nachzulesen war, rief Merkel das Ende der Corona-Verleugnung aus. Und gleichzeitig kündigte sie an, dass die Regierung plane, eine hässlich schmeckende, aber wirksame Medizin zu verordnen. Aus der Ruhe während der Verleugnungszeit wurde nun die Aufforderung zum Kampf und der drastische Hinweis, dass jeder mitkämpfen müsse, an seinem Ort, in seinem Haus, seiner Familie.
Mitte März wurden viele unveräußerliche Grundrechte ausgesetzt, es kam zu Ausgangssperren und Kontaktverboten, Geschäfte wurde von Staats wegen geschlossen, Schulen, Kindergärten und Behörden ebenso, niemand durfte mehr Reisen, Bundesländer schlossen ihre Grenzen auch für Bürger anderer Bundesländer. Am 25. März lieferte der Bundestag sogar eine Rechtsgrundlage nach.
Es dauerte noch, bis alle Flüge eingestellt, die Grenzen geschlossen und eine Maskenpflicht als simple, aber bis dahin wegen der verheerenden optischen Wirkung gemiedene Maßnahme ausgerufen wurde. Doch Deutschland war jetzt offiziell im Überlebenskampf. Niemand sprach vom "Krieg gegen das Virus" wie Macron und Trump, aber Angela Merkel trug nun nur noch Blau, eine Uniform, die sie sorgfältig ausgewählt hatte, um ein Zeichen zu setzen. Habt Vertrauen. Glaubt mir. Ich bin es.
Dankbare Deutsche
Die Deutschen sind immer dankbar, in solchen Momenten Gefolgschaft leisten zu dürfen. Die verhängten Maßnahmen hatten Erfolg, sogar schon, ehe sie offiziell Pflicht wurden. Die je nach Bedarf herangezogenen statistischen Zahlen sanken, die Regierung begann, von Hilfen für danach zu sprechen und die ARD beendete den allabendlichen Brennpunkt, indem für alle, die zu Hause blieben mussten, immer noch einmal wiederholt worden war, was den ganzen Tag schon gesendet wurde.
Phase drei begann Ende April, Anfang Mai, als die Bewerber um die Merkel-Nachfolge den zwischenzeitlich pausierten Wahlkampf wieder aufnahmen und die Fußball-Bundesliga erneut startete. Die Infektionszahlen lagen etwa zehnmal so hoch wie an dem Tag, als den Kickern eine Zwangspause verordnet worden war. Aber die Stimmungslage brauchte ein Symbol - und wieder war es der Ball, der genutzt wurde: Bei 100 Ansteckungen am Tag war die erste Bundesliga gestoppt worden, bei 900 Infektionen pro Tag durfte sie weitermachen.
Gegen die Meckerer, die dennoch auf die Straße gingen und alles besser zu wissen vorgaben, halfen die über Jahre eingeübten medialen Reflexe. Über die wirtschaftlichen Verluste werden trillionenschwere Hilfspakete helfen, die niemand jemals wird zurückzahlen müssen, weil "Schulden Statten die Möglichkeit geben, auf Krisen zu reagieren, Sinnvolles damit aufzubauen, zu stützen, über die Krise zu retten in bessere Zeiten" und "damit den Grundstock zu legen für neues, nachhaltiges Wachstum", wie die Augstein-Zeitung "Freitag" herausgefunden hat.
Das Fazit der Corona-Zeit ist so ein rundum positives. Deutschland hat bei der Vorsorge versagt, das aber wie immer viel besser als alle anderen. Es hat dann krieg geführt, wie er vorher kaum vorstellbar war, dabei aber Haltung bewiesen. Und nun, wo sich das Ende nähert, bleibt die Lehre: Nichts ist unmöglich, auch wenn vieles kaum vorstellbar war bis es geschah.
3 Kommentare:
Größte Bewährungsprobe seit Hitler fehlt noch, anonsten sehr stimmig.
Wenn Merkel und die Medien die ganzen Kollateralschäden weglassen, wie das geschleifte Grundgesetz, und die Millionen dramatscih veränderte Schicksale, Schicksale kommt auch immer gut, fällt mir da grad ein, sie hätte ja statt Floyd auch ein Totenschicksal wegen Merkels Versagen nutzen können ...
Ich habe mich verzettelt. Die Deutschen und Merkels Gäste haben sich wie noch nie seit dem Ableben des Führers bewährt.
Die Corona-Krise ist die Sternstunde unserer Demokratie
Stand: 09.06.2020 | Lesedauer: 6 Minuten
Von Daniel Dettling
Chapeau lieber ppq, besser kann man die ganze Corona-Krise nicht auf einer DIN A 4 Seite zusammenfassen. Das passt millimetergenau, einschl. des Fotos und sollte in die Geschichtsbücher übernommen werden. Was es natürlich niemals werden wird. Gottbewahre.
Bei Hitler sind wir uns noch heute nicht sicher, ob man da auch lachen darf. Bei Corona kichert schon von Anfang an das Publikum über die lustigen Memes. So kommen selbst die Bedrohungen wohl nur als Farce wieder.
Dieser Artikel sollte ein Stein gemeißelt für alle folgenden Krisen aufbewahrt werden. Genau so wird es haarklein unter dem aktuellen Regime immer und immer wieder ablaufen.
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